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Wenn der Wurm träumt – 54|74|90

Was wäre die Welt ohne Träume? Zum Thema Fußball kann man bekanntlich einiges kaufen und lesen. Vom Fachmagazin KICKER über 11Freunde bis in die Niederungen des Boulevards reicht die Palette am Kiosk. Das hat in aller Regel mit Träumen wenig gemein, wohl aber (mal mehr, mal weniger oder gelegentlich) mit Alpträumen, wenn man kritisch liest.

Der eine oder andere von Euch wird es vielleicht schon an (ausgewählten) Verkaufsstellen gesehen haben – seit einigen Wochen liegt dort ein Magazin mit dem etwas sperrigen Titel „54|74|90“. Auf dem Cover thronen drei Herren. Es sind die drei Weltmeister, Horst Eckel (’54), Bernd Hölzenbein (’74) und Guido Buchwald (’90), was auch den etwas seltsamen Titel des Heftes umgehend erklären dürfte.

Der Journalist Oliver Wurm hatte die im Grunde vollkommen verrückte Idee zu diesem Heft. Und wie das mit irren Ideen so ist wenn sie gut sind – er hat ganz offensichtlich einige Menschen gefunden, die er für das Projekt begeistern konnte. Menschen, ohne die ein solcher Traum vermutlich immer sinnloses Gehirnkino bleibt, weil ohne sie eine Verwirklichung praktisch unvorstellbar ist. Denn seien wir ehrlich: schon die Grundidee, in Eigeninitiative und unter Einsatz eigenem Geldes ein Print-Produkt auf den Markt zu bringen, ohne dass ein finanzstarker Verlag dahinter stünde, ist vollkommen durchgeknallt. Es fanden sich also gleichgesinnte professionelle Fotografen, Layouter, Autoren, und was man sonst so braucht, will man am Ende mit einem überzeugenden Produkt aufwarten.

Bei einem flüchtigen Blick könnte man die drei  im dunklen Zwirn gewandeten Herren auf dem Cover auch für die drei Generationen einer mittelständischen Unternehmerfamilie halten, wären da nicht die beiden WM-Pokale, die vom Fotografen sorgfältig ins Zentrum des Bildes gerückt wurden. Nun sind die drei Herren bekanntlich nicht verwandt, dennoch scheint mir die Erwähnung des Wortes „Familie“ hier durchaus angebracht. Denn wenn man auch bei diesem Wort, jedenfalls wenn es im Zusammenhang mit Fußball gebraucht wird, gewöhnlich sofort (Achtung, Wortspiel!) die Blattern bekommt, so besteht der Hauptbestandteil des Magazins  aus einem Gespräch zwischen diesen drei Fußball-Legenden. Und wenn ich hier von einem Gespräch schreibe, dann meine ich dies im besten Sinne des Wortes. Das ist nämlich auch so eine verrückte Idee: Man arrangiert ein Treffen der drei Herren und fragt? Nichts! Kein ödes Frage und Antwortspiel mit den immer gleichen Fragen und vorgestanzten Antworten. Stattdessen treffen sich drei Generationen, die der Fußball verbindet, setzen sich gemeinsam an einen Tisch und, siehe da!, es entwickelt sich etwas.

Die drei Herren erzählen und stellen sich gegenseitig Fragen. Das ist nicht immer absolut tiefgründig, aber – Hand auf ’s Herz! – wer wird das von seinen eigenen Gesprächen durchweg behaupten dürfen?! Dafür aber macht es nämlich wirklich Spaß, zu lesen, denn es ist echt im Sinne von ungekünstelt. Im Grunde wirkt es so, als dürfte man als Leser Mäuschen spielen, während sich die Drei ganz zwanglos unterhalten. Und weil es eben zwanglos erscheint, erfährt man dann doch so einiges, was einen wirklich überrascht, was man noch nicht wusste, und was vermutlich im gewöhnlich ritualisierten Frage und Antwortspiel des Fußballs so kaum zur Sprache gekommen wäre.

Nun ist ein Gespräch zwischen diesen Dreien allein noch kein Kaufargument, denn immerhin kostet das Ganze stolze € 7,50, auch wenn es offensichtlich mit viel Herzblut produziert, großartig bebildert und verpackt ist. Aber was für den Inititator, Oliver Wurm, das eigene finanzielle Risiko leider erhöhte, nämlich wenig Werbebotschaften im Heft, ist für den Leser ein absoluter Gewinn. Er bekommt tatsächlich mehr als üblich für sein Geld.

Neben dem Gespräch der Legenden lässt sich allerlei Interessantes und Wissenswertes finden. Zum Beispiel ein Überblick über alle bisherigen Fußball-Weltmeisterschaften, eine Strecke über die Idole der Idole, Statistiken, Fakten und Grafiken, z.B. zu den Taktiken bei den drei namensgebenden Weltmeisterschaften. Es ist also keineswegs so, dass man das Heft getrost in die Tonne kloppen kann, sobald man das Gespräch gelesen hat. Nein, so etwas stellt man in sein Archiv. Ich jedenfalls bin heute schon sicher, dass ich dieses schöne Heft irgendwann auch tatsächlich wieder zur Hand nehme.

Da hier wie bereits erwähnt kein großer Verlag im Hintergrund wirkt, findet Ihr das Magazin leider fast nur an ausgewählten Presseständen. Also vor allem an Flughäfen oder den großen Bahnhöfen. Ihr werdet den Weg dorthin nicht bereuen, versprochen! Wer es also noch nicht besitzt – kaufen, Leute, kaufen! Das ist ein Befehl! – damit auch zukünftig schöne Träume verwirklicht werden können.

 p.s. Wer den Weg zu den evtl. weit entfernten Presseständen scheut – man kann das Magazin auch ganz bequem online auf http://www.547490.de bestellen. Dann kommt es per Post an Eure Haustür. (Und falls einer sich fragt – nein, ich bekomme keine Provision, sondern empfehle Euch den Kauf ausschließlich aus Überzeugung. Der Vierte Mann entsprang  im Grunde ja auch einer aberwitzigen Idee…)

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