Monat: Januar 2015

Über Olic und andere Rückkehrer

Um es gleich zu sagen: Ich bin generell kein Freund von Rückhol-Aktionen, sofern es ehemalige Spiele des Vereins betrifft. Gerade als Anhänger des HSV hätte man in der Vergangenheit lernen können, dass nicht jeder, der den Verein einst als Leistungsträger verließ, die mit seiner Rückkehr verbundenen großen Erwartungen tatsächlich auch erfüllen konnte.

Jörg  „the hammer“ Albertz entpuppte sich seinerzeit bei seiner Rückkehr innerhalb kürzester Zeit als ganz großes Missverständnis und enttäuschte; Aktuell dürfte es nicht wenige geben, die sich von van der Vaart bei seinem zweiten Gastspiel deutlich mehr erhofft haben.

Nun kehrt mit Ivica Olic ein weiterer verlorener Sohn zum HSV zurück. Und auch wenn dieser Transfer wohl überwiegend bejubelt wird, habe ich durchaus auch Verständnis für diejenigen, die sich eine andere Lösung erhofft haben.

Kein Verständnis habe ich aber, wenn man im Falle Olic zusätzlich zur kolportierten Ablöse von 2 Millionen Euro sein mutmaßliches Gehalt von 3 Millionen (für 1, 5  Jahre) addiert, um hernach mit dem Gesamtpaket von 5 Millionen Stimmung zu schüren. Frei nach dem Motto: 5 Millionen Euro für ein 35jähriges Auslaufmodell – da sieht man wieder die Unfähigkeit des HSV. Ich habe deswegen kein Verständnis, weil:

  1. die gleichen Medien den Schürrle-Transfer, für den der VfL Wolfsburg allein an Ablöse angeblich rund 30 Millionen Euro berappt, kritiklos bejubeln. Bislang habe ich hier noch nichts von einem Gesamtpaket gelesen, in welchem das Gehalt des Spielers von angeblich 6 Millionen Euro je Jahr bis 2019 eingerechnet und kritisch hinterfragt wurde. Dabei wäre Kritik hier durchaus angebracht. Denn das Gesamtpaket dieses Transfers dürfte damit deutlich jenseits der 50 Millionen-Euro-Marke liegen. Für einen zweifellos hochbegabten 24jährigen Nationalspieler, der aber weder in der Nationalmannschaft noch gar bei seinem letzten Verein unumstrittener Stammspieler gewesen ist. Und doch schien den Verantwortlichen des VfL Wolfsburg der Preis für das „Gesamtpaket Schürrle“ offensichtlich angemessen. Völlig losgelöst von der Person Schürrles – eine in meinen Augen bizarre Summe.
    Auch hinterfragte bisher kaum jemand kritisch, wie sich ein Transfer dieser Größenordnung mit den Regeln des Financial Fairplays beim VfL vereinbaren lässt. Ist aber auch egal, weil im Zweifel  verstoßen in Deutschland immer nur die anderen gegen die Regeln.
  2. Entweder vergleicht man allein Ablösesummen miteinander, oder man vergleicht eben Gesamtvolumina miteinander. Wer aber in dem einen Fall das Gesamtpaket bemüht, im anderen jedoch das Gehalt unterschlägt, der vergleicht am Ende Äpfel mit Birnen.

Doch zurück zum HSV und damit zur Rückkehr von Olic. Die Kritiker werden einwenden, dass man mit Olic eine Art Rudnevs 2.0 verpflichtet habe. Beide sind kampf- und lauffreudige Stürmer, wobei Olic in Sachen Technik und Erfahrung Vorteile besitzt. Die von mir hier vor Wochen angedachte optimale Ergänzung zu Lasogga scheint mir auch ein Olic nicht zu sein. Dennoch hat Olic (beim VfL) nachgewiesen, dass er als alleinige Spitze in einem 4-1-4-1 funktioniert, Rudnevs nicht. Und eben dieses 4-1-4-1, bzw. ein Hybrid-System aus 4-2-3-1/4-1-4-1 ist allem Anschein nach das System, das Joe Zinnbauer für die Rückrunde favorisiert.

Unbestreitbar neigt sich Olic aktive Laufbahn dem Ende entgegen. Er hat jedoch in der Hinrunde nachgewiesen, dass er kurz- und mittelfristig absolut wettbewerbsfähig ist. Sein Alter und damit seine Erfahrung sehe ich in der speziellen Situation des HSV sogar als Vorteil. Denn unverändert gehe ich davon aus, dies wurde erst jüngst durch die Aussagen des letztlich zum FC Arsenal gewechselten polnischen Talents, Bielik, über seine Gespräche mit den HSV-Verantwortlichen untermauert, dass die Hamburger Mannschaft im kommenden Sommer weiter deutlich verjüngt werden wird. Dies ergibt sich schon daraus, dass bei einigen „Ladenhütern“ des Hamburger Kaders dann die Verträge auslaufen. Man darf aber nicht nur erleichtert auf die damit verbundene Chance, den Etat zu reduzieren, schauen und gleichzeitig völlig ignorieren, dass die Mannschaft damit auch viel Erfahrung verliert. Allein durch den von mir unverändert erwarteten Abgang von Kacar, Ilicevic, Jansen, van der Vaart, eventuell sogar noch von Adler und Westermann geht die Erfahrung von mehreren hundert Bundesligaspielen, völlig ungeachtet der Frage, für wie verzichtbar man jeden einzelnen dieser Spieler hält, verloren. Zu glauben, man könne dies allein mit eigenem Nachwuchs, sei dieser auch noch so talentiert wie z.B. Tah und Demirbay, auffangen, ist in meinen Augen eine gefährliche, romantisierende Fehleinschätzung. Gerade für die gegenwärtige Übergangsphase kann ein Olic als Vorbild für die jüngeren Spieler dienen. Vorbild deswegen, weil seine Arbeitseinstellung als absolut tadellos einzuschätzen ist. Vorbild auch, weil gerade seine Karriere zeigt, wie weit man es trotz unbestreitbarer Defizite bringen kann, wenn man konsequent an seinem persönlichen Optimum feilt.

Sicher, auch ich hätte mir etwa einen Drmic gewünscht. Aber wenn der Markt den im Winter nicht hergibt, dann muss man eben umdenken. Deswegen auf eine Verstärkung der Offensive gänzlich zu verzichten, hätte ich als grob fahrlässig bewertet. Lasogga startet bekanntlich zum vierten Mal in Folge ohne optimale Vorbereitung. Der lauffreudige Holtby fällt bis Mitte der Rückrunde verletzt aus. Mit Nicolai Müller war ein weiterer sprintstarker Spieler während der Winterpause angeschlagen, und Maxi Beister wird allen guten Ansätzen zum Trotz noch Monate brauchen, um wirklich wieder seine Topform zu erreichen. Die Attribute Torgefahr, Kampf und Lauffreudigkeit im Kader zu stärken, erscheint mir daher sinnvoll.

Stand heute, also noch vor Schließung des Transferfensters, fehlt der Hamburger Mannschaft unverändert ein pass-/spielstarker zentraler Mittelfeldspieler. Denn die inzwischen vielfach kritisierte, mangelhafte Torausbeute ist nur zum Teil dem bisherigen Offensivpersonal geschuldet. Oft genug erreichte man bei Ballbesitz gar nicht die vordersten Reihen, sondern verschenkte seine Möglichkeiten im Übergang von mittleren ins Angriffsdrittel. Teils durch unsauberes Passspiel oder falsche Laufwege, teils durch mangelhafte Übersicht und fehlende Handlungsschnelligkeit. Ob der Club hier noch nachbessern kann, wird man abwarten müssen. Sollte dies nicht gelingen, dann könnte durch die Rückkehr von Ivica Olic wenigstens der Schulterschluss zwischen Mannschaft und Publikum gestärkt werden, auf den man im Kampf gegen den Abstieg, und nur darum geht es unverändert sportlich!, noch dringend angewiesen sein könnte.

Der Kühne-Deal

Rückblende: Als letztes Jahr im HSV um die Ausgliederung der Fußballprofiabteilung in die HSV-AG gerungen wurde, als es nicht zuletzt darum ging, der Mitgliederschaft des Vereins den Anteilsverkauf von 24,9 Prozent eben dieser AG an s.g. strategische Partner schmackhaft zu machen, da wurden regelmäßig 100 Millionen Euro als Ziel genannt, die beim Komplettverkauf des Pakets anzustreben seien. Idealerweise sollten die 24,9 Prozent nach Aussagen des Initiators der Initiative HSVPlus, Ernst-Otto Rieckhoff, an vier zukünftige Partner zu gleichen Teilen veräußert werden. Daraus folgt eine einfache Rechnung: bei gleich großem Anteilserwerb durch je vier strategische Partner hätte jeder Partner seine 6,225 Prozent an AG-Anteilen zum Preis von 25 Millionen Euro erwerben sollen.

Ein Anteilskäufer, so suggerierte HSVPlus damals den Mitgliedern vor der finalen Abstimmung im Mai, sei in Gestalt des Milliardärs und bekennenden HSV-Fans Klaus-Michael Kühne bereits definitiv gefunden. Da sich der HSV im Laufe der Jahre und im Zuge diverser Transaktionen, auf deren detaillierte Auflistung ich hier aus Zeitgründen verzichte, bei Herrn Kühne ca. 25 Millionen Euro geliehen hatte, was sich der Unternehmer (Kühne&Nagel) immerhin mit respektablen 4,5 Prozent verzinsen ließ, schien vielen die Rückzahlung dieses Betrages ebenso naheliegend wie einfach. Die 25 Millionen Euro würden, so dachten wohl viele, in einen 6,225 prozentigen Anteil Kühnes an der AG umgewandelt werden.

Als im Spätherbst des vergangenen Jahres weder Herr Kühne noch irgend ein anderer strategischer Partner präsentiert werden konnte, da wurde u.a. von Karl Gernandt, nun in Doppelfunktion als Aufsichtsratsvorsitzender der HSV-AG einerseits und als Generalbevollmächtigter bei Kühne&Nagel andererseits tätig, als Begründung angeführt, dass man erst das bei KPMG in Auftrag gegebene Gutachten zum Gesamtwert des Clubs abwarten müsse.

Die Wertermittlung eines Fußballvereins gilt allgemein als problematisch, da sich der Wert durch zahlreiche Faktoren beeinflussen lässt, die nicht mit letzter Sicherheit objektivierbar sind. So dürfte ein sportlich erfolgreicher Club in der Regel wertvoller sein als ein nicht erfolgreicher Verein. Nur wie will man bestimmen, ob ein Club in absehbarer Zeit sportlich erfolgreich sein wird und wenn ja, wie groß (auch finanziell) Erfolge ausfallen? Das ist nur bestenfalls zu schätzen, wobei eine erhebliche Fehlertoleranz durchaus einzukalkulieren ist. To keep a long story short: Öffentlich kursierte schließlich ein angeblich von KPMG ermittelter Gesamtwert des HSV von stolzen 330 Millionen Euro. Eine Zahl, die ich aus diversen Gründen von Anfang an bezweifelte.

Kurz vor Weihnachten kam dann der Paukenschlag. Auch Herr Kühne bezweifelte den ermittelten Gesamtwert und verzichtete zunächst auf die Umwandelung der Kredite zugunsten eines Anteilserwerbs. 25 Millionen Euro für 6,225 Prozent, dieser Preis war ihm schlicht zu hoch. Nebeneffekt: Karl Gernandt, der ebenso wie Rieckhoff und andere der Initiative HSVPlus stets von „aussichtsreichen“ Gesprächen mit weiteren Interessenten an Anteilskäufen gesprochen hatte, glich plötzlich dem sprichwörtlichen Kaiser ohne Kleider.

Bereits im November 2014 erhielt ich über diverse Kanäle mehrere Hinweise, dass die finanzielle Lage des Clubs ohne Anteilsverkäufe ab April, spätestens jedoch ab Mai als äußerst prekär einzuschätzen und die Lizenz für die Saison 2015/16 u.U. ernsthaft gefährdet sei. Andere Gesprächspartner wiederum wollten wissen, dass ein oder gar mehrere Anteilsverkäufe unmittelbar bevor stünden. Überprüfen kann und konnte ich beides nicht.

Nun hat sich Herr Kühne vor wenigen Tagen anders entschieden und beteiligt sich mit 18,75 Millionen Euro an der HSV-AG. Von dem ihm geschuldeten 25 Millionen werden daher 18,75 Millionen in einen Anteil in Höhe von 7,5 Prozent umgewandelt. Der HSV schuldet demnach Herrn Kühne nach Anteilsübergang einen Restbetrag von 6,25 Millionen Euro, den sich Herr Kühne weiterhin mit 4,5 Prozent verzinsen lässt.

In diesem Zusammenhang stelle ich daher nüchtern fest:

  1. Die öffentlich kolportierten 330 Millionen Gesamtwert wurden gleichlaufend mit den Interessen von Herrn Kühne von Vereinsseite als „zu hoch“ eingestuft. Zuletzt war von einem Gesamtwert des HSV in Höhe von 250 Millionen Euro die Rede. Wie dieser Wert ermittelt wurde, ob und in welchem Ausmaß der Wert nachträglich nach unten korrigiert wurde, bleibt unklar.
  2. Herr Kühne erwirbt einen um 1,25 Prozent größeren Anteil an der AG als ursprünglich idealerweise von Ernst-Otto Rieckhoff geplant (6,225%) und bezahlt dafür nicht etwa mehr als 25 Millionen sondern 6,25 Millionen Euro weniger.
  3. Die im Wahlkampf noch als sehr „aussichtsreich“ bezeichneten Gespräche mit weiteren, anderen strategischen Partnern waren objektiv offensichtlich weit weniger fortgeschritten und erfolgreich, als den Mitgliedern seinerzeit suggeriert wurde. Denn zwischenzeitlich musste Karl Gernandt kleinlaut einräumen, dass man sich die Veräußerung der Anteile deutlich einfacher vorgestellt habe. Zudem teilte er mit, dass man inzwischen die Hilfe eines Bankhauses in Anspruch genommen habe, um weitere Interessenten zu finden.

Geschickterweise verkündeten die Club-Verantwortlichen zeitgleich mit der Nachricht von der nun doch erfolgten Einigung mit Herrn Kühne, dass dieser dem HSV die Namensrechte für das Stadion mit einer Laufzeit von zunächst vier Jahren abkaufe. Das ist in der Tat eine gute Nachricht, denn der bisherige Vertragspartner und Namensgeber Imtech steckt bekanntlich in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Dem Vernehmen nach zahlt Herr Kühne dem HSV insgesamt 16 Millionen Euro für die Namensrechte (gegenüber 3,3 Mio. pro Jahr von Imtech), damit das Stadion zukünftig wieder seinen alten, traditionellen Namen „Volksparkstadion“ trägt. Der Club vermeidet also zukünftige Einnahmeeinbußen nach Beendigung des Imtech-Vertrages, und die Fans dürfen nun auch offiziell die heimische Spielstätte ihres Club bei ihrem einzig wahren Namen nennen.

Geschickt ist dies auch deswegen, weil die Stadionumbenennung ganz offensichtlich die Aufmerksamkeit von den kritisch zu hinterfragenden Eckpunkten des Anteilsverkaufs ablenkt. Mit Herrn Kühne verbanden immerhin erhebliche Teile des Anhangs das Bild vom raffgieriger Investor, der notorisch per Interviews das operative Geschäft des Clubs beeinflusste. Nun ist es gerade dieser Mann, der ihnen das geliebte Volksparkstadion zurückbringt.

Was den HSV angeht, so dürfte das Gesamtpaket mit Herrn Kühne die schlimmsten Bedenken zur kurz- und mittelfristigen finanziellen Lage des Clubs ausräumen. Finanzvorstand Wettstein stellte hierzu auf HSV.de fest:

„Für uns ist diese Vereinbarung ein sehr wichtiger Meilenstein, der uns an vielen Stellen weiterhilft. Zum einen müssen wir nun die Rückzahlung der Darlehen an Herrn Kühne nicht leisten. Damit entfällt ein großer Handlungsdruck auf der Finanzierungsseite. Zweitens verbessern wir unsere Eigenkapitalquote deutlich, was ein ebenso wichtiges Zeichen an unsere weiteren Kreditgeber, z.B. für die Stadionfinanzierung, ist. Drittens steigern wir unsere Ertragssituation, in dem wir einerseits keine Zinsen an Herrn Kühne zahlen müssen und andererseits Planungssicherheit und Stabilität hinsichtlich der Vermarktungserträge aus dem Stadionnamen bekommen. Daneben können wir die Vereinbarung in den Lizenzantrag bei der DFL mit einbringen, so dass wir auch hinsichtlich der Lizenzierung ein deutliches Zeichen abgeben können.“

Ich schließe u.a. auch aus diesen Sätzen, wie angespannt die finanzielle Lage allen beschwichtigenden Äußerungen Gernandts zum Trotz tatsächlich gewesen ist. Dank Herrn Kühne gewinnt der Club Handlungsspielräume, die sich auch bei der Suche nach personellen Verstärkungen der Profimannschaft bemerkbar machen dürften.

Gänzlich ignorieren sollte man jedoch nicht, dass nun nur noch 17,4 Prozent an Anteilen an der AG für weitere Veräußerung an andere Partner zur Verfügung stehen. Bei gleichem Ausgabekurs würden die von Ernst-Otto Rieckhoff seinerzeit erhofften 100 Millionen Euro Gesamterlös mehr als deutlich verfehlt. Es bliebe daher zu hoffen, dass der Club zum gegenwärtigen Zeitpunkt und Preis keine weiteren Anteile verkaufen muss.

Was das Engagement Kühnes angeht, so bleibt nur zu hoffen, dass er sich zukünftig mit seinen kontraproduktiven, öffentlichen Äußerungen, die das operative Geschäft des Clubs betreffen, zurückhält. Zweifel sind hier angebracht. Aber am Ende wird auch daran zu bemessen sein, wie dieser Deal am Ende zu bewerten sein wird.