Monat: April 2014

Dem Dino droht der direkte Abstieg: FC Augsburg – HSV 3:1 (3:1)

Ich hätte große Lust, an dieser Stelle jetzt eine gnadenlose Abrechnung mit all den vielen, vielen Einzelpersonen und Fraktionen zu beginnen, die m.E. für den  inzwischen galoppierenden Niedergang des Hamburger Sportereins verantwortlich sind. Ich werde dieses prall gefüllte, große Fass jedoch nicht aufmachen. Noch nicht. Aber der Zeitpunkt, an dem abgerechnet wird, rückt näher. Wenigstens zwei Spieltage jedoch werde ich versuchen, mich allein auf die sportliche Situation zu beschränken, denn alles andere wäre zum jetzigen Zeitpunkt für den Verein kontraproduktiv. Davon bin ich und bleibe ich überzeugt.

Spielverlauf und Resultat eines Fußballspiels sind von vielen, vielen Dingen abhängig. Ich denke, das gestrige Spiel hat einige dieser Faktoren sehr deutlich zu Tage treten lassen. Normalerweise schreibe ich einen ausführlichen Spielbericht vor allem für diejenigen unter Euch, die das Spiel nicht mit eigenen Augen verfolgen konnten. Das würde ich mir heute nur zu gern ersparen, denn es zwingt mich jedes Mal, das trostlose Gekicke der Mannschaft meines Herzens erneut minutiös zu durchleiden. Aber mag es mir auch schwerfallen, so werden vielleicht einige der Faktoren erkennbar, die zum Ergebnis beitrugen. Und das erscheint mir als Kontrapunkt in der allgemeinen Berichterstattung über den HSV wichtig. Will uns der Boulevard in seinen s.g. Expertisen doch beständig nach Niederlagen einreden, es habe hauptsächlich an der richtigen Einstellung gemangelt. Dieses Spiel hat jedoch einmal  mehr schonungslos offengelegt, dass Erklärungsversuche deutlich differenzierter ausfallen müssen. Es ist eben nicht die mangelhafte Einstellung der Profis, jedenfalls nicht hauptsächlich oder allein, die den Dino in höchst akute Abstiegsgefahr gebracht hat.

Die Mannschaft war, ich erwähnte dies in meiner Vorschau, vorzeitig nach Augsburg gereist. Zum einen wollte man tatsächlich ausgeruht in dieses eminent wichtige Spiel gehen, zum anderen wollte man sich fokussieren und als Team noch enger zusammenrücken. Vor Ort fand dann noch eine Trainingseinheit statt. Als Resultat schickte Mirko Slomka die folgende Mannschaft ins Rennen gegen die Augsburger:

Aufstellung: Adler – Diekmeier, Westermann, Mancienne, Jansen (69. Jiracek) – Rincon, Badelj (75. Demirbay), Arslan, Ilicevic – Calhanoglu – Maggio (61. Zoua)

Spielbericht: Kaum noch ein Spiel des Hamburger Sportvereins, bei dem der Betrachter nicht bereits kurz nach dem Anpfiff ein ungutes déja vu erleben würde. Das Spiel war gerade einmal sechs Minuten alt, da lag der HSV bereits 0:1 zurück. Wieder einmal. Hatte ich im Vorbericht die Augsburger Kompaktheit gepriesen und als Vorbild für den HSV ausgegeben, so war Hamburgs linke Seite zum ersten aber keineswegs zum letzten Mal offen wie ein Scheunentor. Der schnelle Hahn marschierte über den Flügel und passte scharf nach innen auf Höhe der Strafraumgrenze. Dort rutschten mehrere Hamburger Spieler auf dem seifigen Rasen aus. Augsburgs Altintop erwies sich jedoch als standfest und kam fast unbedrängt in zentraler Position vor dem Gäste-Tor zum Schuss. Adler war chancenlos. Das 1:0 (6.) für die Hausherrn.

In der 16. Minute schoss Hahn Hamburgs Mancienne aus kürzester Distanz im Hamburger Strafraum den Ball an die Hand. Schiedsrichter Welz verweigerte zurecht den Elfmeterpfiff.

Das erste wirkliche Ausrufezeichen aus Hamburger Sicht war in der 18. Spielminute zu notieren. Ilicevic zog endlich einmal efolgreich vom linken Flügel nach innen und wurde von Augsburgs Innenverteidiger, Callsen-Bracker, vier Meter vor der Strafraumgrenze und mittig zum Tor gefoult. Calhanoglu hob den folgenden Freistoß sehenswert über die Mauer. Leider erwies sich Hitz im Tor der Gastgeber als sicherer Rückhalt. Er tauchte blitzschnell in die Ecke und konnte den Ball gerade noch parieren. Der HSV war trotz des erneut frühen Rückstandes gut im Spiel. Die Mannschaft wirkte durchaus willig und engagiert. Man gewann fast 60 Prozent der Zweikämpfe und erreichte ein optisches Übergewicht. Das sah zunächst gar nicht schlecht aus. Leider fehlten klar herausgespielte Torchancen. So kam man, wenn überhaupt, nur mit Fernschüssen zum Abschluss, die jedoch letztendlich ungefährlich blieben.

In der 25.  Minute flankte Calhanoglu einen Freistoß von links in den Augsburger Strafraum. Der aufgerückte Westermann kam im Fünfmeter-Raum, bedrängt von einem Augsburger, an den Ball, schob diesen jedoch knapp am rechten Pfosten vorbei. Sechs Minuten später (31.) herrschte erneut Alarm im Strafraum der Gastgeber. Leider traf Badelj den hüfthohen und daher schwer zu nehmenden Ball nicht richtig. Nur eine Minute später war erneut die linke Abwehrseite des HSVs offen. Hahn marschierte erneut und passte dann scharf aus dem Lauf nach innen. Dieses Mal war Badelj nicht schnell genug zurückgeeilt. Altintop kam wieder fast unbedrängt aus neun Metern zentral vor Adler zum Schuss – das 2:0 für den FCA als logische Konsequenz. Spätestens jetzt sah ich mich in meiner Befürchtung bestätigt,  die ich hier an gleicher Stelle in der Vorschau ganz bewusst unterschlagen hatte. Beide zuletzt verletzten Spieler, Jansen und Badelj, waren zwar spielfähig, wirkten jedoch alles andere als wirklich fit. Dass HSV-Trainer Slomka sie dennoch meinte bringen zu müssen, zeigt, wie dünn die Personaldecke des Vereins inzwischen ist. Im Grunde stellt sich die Mannschaft fast von alleine auf.

Wenn von Hamburger Seite etwas offensiv ging, dann meist über die rechte Seite. Dort mühte sich Rincon im Zusammenspiel mit Diekmeier redlich auf einer für ihn sicher suboptimalen Position. Hier wurde aber auch ein weiteres Manko deutlich: Diekmeier konnte gefühlt fünfzehn Flanken von rechts nach innen schlagen, aber diese segelten in aller Regel vollkommen ungefährlich an Freund und „Feind“ vorbei. Das lag aber nur zum Teil daran, dass sie einfach ganz schlecht, da zu hoch und/oder zu lang, geschlagen waren. Slomka hatte sich nach wohl durchaus überzeugenden Trainingsleistungen für Maggio (statt Zoua) als Sturmspitze entschieden. Der junge Nachwuchsspieler lief viel, aber Training und realer Wettkampf sind zwei Paar Schuhe. Er blieb blass und konnte zu keiner Zeit nennenswert in Erscheinung treten. Auch hier kein Vorwurf meinerseits an Slomka, denn ob ein Nachwuchsspieler wirklich unter Wettkampfbedingungen funktioniert, das kann man nur herausfinden, wenn man ihm ein gewisses Vertrauen schenkt. Es fehlte den Flanken also an Qualität und an einem Abnehmer.

In der 35. Minute kam Arslan nach schöner Einzelleistung aus 25 Metern zum Abschluss. Aber auch der Ball rauschte über das Gehäuse der Gastgeber. Es war in meinen Augen Tolgays beste Szene. Im weiteren Spielverlauf fiel er allenfalls durch umständliches und schlampiges Pass-Spiel auf. Womit ich beim nächsten Faktor wäre: der eine Sechser (Badelj) nicht im Vollbesitz seiner Kräfte und verletzungsbedingt mit fehlendem Spielrhythmus, der andere mit großen Leistungsschwankungen.

Einmal mehr durfte sich der überragende Hahn auf Augsburger Seite ungestört von Hamburgs Defensive in Szene setzen. In der 42. Minute kam er aus halbrechter Position und ca. 20 Metern frei zum Abschluss. Der Ball kam auf den kurzen Pfosten. Dort stand Adler und wollte den Schuss mit beiden Armen abwehren, boxte sich den Ball jedoch neben den Posten ins eigene Netz. Das 3:0 für den FC Augsburg. Für einen Bundesligatorhüter, zumal einen Nationalspieler, ein kapitaler Fehler. Und leider ist es inzwischen wohl der siebte folgenschwere Fehler,  der René in dieser Spielzeit unterläuft. Auch hier lässt sich eine Feststellung treffen: In der letzten Saison war es ein überragender Adler, der dem HSV viele Punkte fast im Alleingang gesichert hat. Das hat über viele, bereits damals im Prinzip  vorhandene und erkennbare Defizite hinweggetäuscht. Ohne einen famosen Adler in Bestform jedoch treten diese Defizite nun jedoch schonungslos zu Tage.

Kurz vor der Pause dann ein kleiner Hoffnungsschimmer aus Sicht der HSV-Anhänger. Calhanoglu flankte einen Freistoß für den HSV wieder vom linken Flügel mit Schnitt zum Tor. Dem erneut aufgerückte Westermann fiel der Ball auf die Schulter. Von dort wurde er für Hintz unhaltbar in lange Eck abgefälscht. Der Anschlusstreffer zum 3:1 in der 44. Minute.

Zur Halbzeit habe ich mir das folgende Zwischenfazit notiert: entscheidende Pässe des HSVs werden zu ungenau, z.T. in den Rücken des Mitspielers, gespielt. Dadurch gehen immer wieder Tempo und Spielfluss verloren, was dem Gegner die wenigen Sekunden verschafft, die er benötigt, um etwaige defensive Lücken zu schließen. Torgefahr entsteht, wenn überhaupt!, allein durch Calhanoglu. Ilicevics Spielweise ähnelt der des bayrischen Robben, erreicht aber nicht ansatzweise dessen Qualität. Absolut vorhersehbar zieht er an der Strafraumgrenze vom linken Flügel nach innen und verliert spätestens dann fast immer den Ball.

Den Spielbericht der zweiten Halbzeit versuche ich kurz zu halten, da ohehin keine weiteren Tore fielen. Bemerkenswert erscheint mir eine Szene aus der 60. Minute: Es gab einen Eckstoß für Augsburg von links (aus Hamburger Sicht). Alle Hamburger versammelten sich in Erwartung einer Flanke rund um den eigenen Fünfmeter-Raum. Am linken Strafraumeck stand ein Augsburger mutterseelenallein. Unglaublich! Dieser wurde dann vom Eckenschützen – Überraschung! – angepielt und konnte kontrolliert, da nicht unter Druck gesetzt, flanken. Adler kam raus und wollte klären, wurde aber vom eigenen Mann, Westermann, behindert. Am Ende hatte das keine Folgen. Sicher kommen derartige Szenen immer mal wieder vor (Torhüter vom eigenen Mann behindert), in der Gesamtansicht steht diese Szene jedoch für mich sinnbildlich für das zum Teil groteske Defensivverhalten des HSVs.

Eine Minute später, also in der 61., hatte der HSV einen Eckstoß von der linken Seite. Calhanoglu (wer sonst?!) flankte, Westermann köpfte (wer sonst?!), aber verfehlte erneut das Tor der Gastgeber (was sonst?!). Der Ball strich knapp am rechten Pfosten vorbei ins Toraus. Das ist übrigens bereits die vorletzte Torchance gewesen, die ich für den HSV notiert habe…
Praktisch im Gegenzug konnte Adler einen sehenswerten Fernschuss mit Mühe gerade noch parieren. Eine Minute später setzte der starke Altintop einen Kopfball denkbar knapp links neben das Tor der Hamburger.

Der eingewechselte Zoua belebte ein wenig das Hamburger Spiel, da er erkennbar um Spielfluss bemüht war. Aber einmal mehr konnte das Hamburger Mittelfeld, allen voran die beiden Sechser (s.o.), spielerisch nicht überzeugen. Wo die Augsburger als Mannschaft kombinierten, da zeigten der HSV Stückwerk. Immer wieder wurde umständlich der Ball auf den anderen Fuß gelegt, bzw. mussten schlecht gespielte Pässe der Mitspieler erst mühsam unter Kontrolle gebracht werden. Das war ganz, ganz schwach. Und dann ist es eben auch nicht ausreichend, wenn man unbedingt „will“, was sich u.a. aus der positiven Zweikampfquote für den HSV (56% gewonnen) ablesen lässt.

In der noch verbleibenden halben Stunde spielte im Grunde nur noch der FCA. Ich verzichte darauf, alle Torchancen aufzuzählen, die Adler noch parierte, oder die der FCA anderweitig verschenkte. Zeitweise, ich muss das so deutlich schreiben, war das mehr als ein Klassenunterschied zwischen beiden Kontrahenten. Die Augsburger konnten sich den HSV in aller Ruhe zurecht legen und hätten im Grunde noch mehr als zwei weitere Tore erzielen können, wenn nicht gar müssen!

Zwei Szenen noch und dann ist dieser Bericht des Grauens überstanden:
In der 81. Minute ließ sich der ansonsten tadellose Mancienne als letzter Mann vom eingewechselten Südkoreaner, Dong-Won Ji, viel zu leicht übertölpeln. Ein zweifellos kapitaler Bock, der nicht verschwiegen werden soll, der aber zum Glück folgenlos blieb, da Adler einmal mehr seine Klasse im 1:1 unter Beweis stellte.
In der Nachspielzeit (90+1.) zog Rincon mit dem Vollspann volley ab, doch Hitz im Tor der Gastgeber war einmal mehr auf dem Posten und konnte diesen Schuss, der wahrlich einen Treffer verdient gehabt hätte, gerade noch über die Latte des Tores lenken. Kurz darauf erlöste Schiedsrichter Welz alle, denen der HSV am Herzen liegt.

Schiedsrichter: Welz (Wiesbaden). Hatte alles im Griff. Schlichtete nach Schubser von Rincon an die Brust eines Gegenspielers (der daraufhin umfiel) ohne Karte. Gut.

Fazit: Den Sieg des FC Augsburg kann ich nur als hochverdient bezeichnen. Beeindruckend, was Trainer Markus Weinzierl in dieser Saison mit seiner Mannschaft leistet.
„Er/sie war stets bemüht, den Anforderungen gerecht zu werden….“ – man kennt diese Formel aus dem Zeugnisjargon. Gemeint ist, dass der Bewertete letztlich nicht die Qualität besitzt, um die geforderte Leistung tatsächlich zu erbringen. Ich denke, dies traf mindestens in diesem Spiel auf den HSV zu. Die Mannschaft wollte, aber es fehlt(e) an Qualität.
Adler, auch wenn er ansonsten gut hält, immer wieder mit schlimmen Fehlern. Jansen und Badelj nur spielfähig aber nicht wirklich fit – das ist insbesondere bei Jansen, der sehr von seiner Physis, seiner Dynamik lebt, ein schweres Problem. Der für ihn eingewechselte Jiracek wirkte deutlich spritziger. Aber wenn man aus dem Rathaus kommt…
Arslan erneut, vor allem in der letzten halben Stunde, oft nur mit Alibi-Pässen oder schlampigen Zuspielen. Diekmeier mit überwiegend schlechten Flanken, die zudem keinen Abnehmer finden konnten, da auch falsch gelaufen wurde. Torgefahr entsteht im Grunde nur durch Calhanoglu. Das ist für jeden Gegner überaus leicht zu erkennen und daher zu wenig.
Nach dieser Niederlage muss man größte Zweifel haben, ob der HSV überhaupt den Notausgang Relegation erreicht. Nächste Woche dürfte es in dieser Verfassung für den FC Bayern auch in Hamburg ein Kinderspiel werden. Alles andere als die nächste, deutliche Niederlage wäre schon fast ein Wunder. So muss man hoffen, dass die Konkurrenz nicht schon nächste Woche vorbeizieht. Aber selbst wenn man dies dann am letzten Spieltag gegen Mainz 05 theoretisch noch korrigieren könnte – das, was der HSV derzeit abliefert, ist nicht erstligareif. Das ist die bittere Wahrheit. Natürlich hoffe (auch) ich bis zum Schluss, dass der Gang in die Zweitklassigkeit doch noch vermieden werden kann. Wenn der Abstiegsfall jedoch eintreten sollte, dann ist das objektiv gesehen ein Folge zahlreicher eigener schwerer Mängel und Versäumnisse. Zwar stehen die Spieler auf dem Feld, aber diese Mannschaft ist nur das vorläufige Endprodukt kapitaler Fehleinschätzungen, die zum Teil über viele, viele Jahre zurückreichen. So gesehen wäre ein Abstieg keine Überraschung, sondern die mehr als verdiente Quittung.

 

DAS RESTPROGRAMM

15. VfB Stuttgart (32 Pkt; -11):
VfL Wolfsburg (H)
Bayern München (A)

16. Hamburger Sportverein (27 Pkt; -20):
Bayern München (H)
1. FSV Mainz 05 (A)

17. 1.FC Nürnberg (26 Pkt; -28)
Hannover 96 (H)
FC Schalke 04 (A)

18. Eintracht Braunschweig (25 Pkt; -28):
FC Augsburg (H)
1899 Hoffenheim (A)

Was man als Hamburger von den Augsburgern lernen kann: FC Augsburg – HSV

Wir nähern uns bekanntlich dem Saisonfinale. Und es ist keine Frage, aus Sicht des Hamburger Sportvereins ist dies bereits jetzt, obwohl die Saison ja noch gar nicht beendet ist, einmal mehr eine absolut enttäuschende Spielzeit.

Zu Beginn der Runde hatte bekanntlich Hamburgs Vorstandsvorsitzender, Carl Edgar Jarchow, Platz 6 und damit die Teilnahme am internationalen Geschäft als Saisonziel ausgegeben.  Im gleichen Atemzug fabulierte er von einer angeblichen Augenhöhe seines Vereins mit dem FC Schalke 04. Spötter fragten schon damals, ob er vielleicht die Hühneraugen der Knappen meinte. Aber so ist das eben beim HSV in den letzten Jahrzehnten fast durchweg: man schwelgt vor jeder Spielzeit in Größenfantasien, kündigt Großes an und am Ende der Saison heißt es einmal mehr: Denkste, Püppi!

Platz 16, das ist die raue Wirklichkeit. Zehn Plätze hinter der von Jarchow propagierten Zielstellung. Und als wäre das noch nicht schlimm genug – als Anhänger des Vereins muss man sich größte Sorgen machen, ob wenigstens dieser Platz, der zur Relegation berechtigt, gehalten werden kann. Als Verantwortlichem kann einem gar nicht deutlicher vor Augen geführt werden, dass man mit seiner Einschätzung zur sportlichen Leistungsfähigkeit kolossal falsch gelegen hat.  Auch aus finanzieller Sicht könnten Anspruch und Wirklichkeit nicht weiter auseinander liegen. Der FC Schalke baut seit Jahren seine exorbitanten Verbindlichkeiten ab. Herr Jarchow hingegen verantwortet einen inzwischen katastrophalen Anstieg des Negativen Eigenkapitals beim HSV. Einmal mehr dürfte die angestrebte schwarze Null deutlichst verfehlt werden. Und hätte man nicht zwischenzeitlich Spieler unter Marktwert verschleudert (z.B. Aogo), hätte man nicht die für das Campus-Projekt eingesammelten Gelder prinzipiell zweckentfremdet, der HSV wäre wohl spätestens in diesem Monat nicht mehr in der Lage gewesen, die Gehälter für seine Angestellten zu bezahlen. Dass Hamburgs Vorstandsvorsitzender dem Vernehmen nach davon ausgeht, dass er das Amt auch zukünftig bekleiden darf – eine Randnotiz, die einen kaum noch verwundern kann. Notorische Selbstüberschätzung, desaströse Leistungsbilanzen – all das hat schließlich auch Tradition, beim abgewirtschafteten Hamburger Sportverein. Doch ich schweife ab, denn im Augenblick muss alle Konzentration dem Sportlichen gelten. Und hier könnte das Ziel nicht klarer zu definieren sein: Die Mannschaft muss in der Ersten Bundesliga bleiben.

Der kommende Gegner, der FC Augsburg, spielt vergleichweise eine starke Saison. Derzeit steht man auf dem achten Platz. Im Hintergrund arbeitet  Sportdirektor Stefan Reuter erfreulich unaufgeregt mit einem durchaus übersichtlichen Etat, während der Luhukay-Nachfolger, Trainer Markus Weinzierl, seiner Mannschaft einen klaren Spielstil eingeimpft hat, den man als relativ erfolgreich würdigen muss. Denn bei derzeit 43 Punkten ist für den FC Augsburg längst Gewissheit, was beim HSV noch höchst zweifelhaft erscheint: der FCA wird auch in der nächsten Saison der höchsten deutschen Spielklasse angehören. Auch wenn man das internationale Geschäft am Ende wohl verfehlen wird, so dürfte diese Spielzeit bereits jetzt als eine der erfolgreichsten in die Annalen der Bayern eingehen.

In der taktischen Grundformation lässt Weinzierl den FCA mit einem 4-4-1-1 gegen den Ball arbeiten. Vorderste Spitze spielte zuletzt meist Sascha Mölders. Alternativ stünde hier Raul Bobadilla zur Verfügung, der im Hinspiel den 0:1-Siegtreffer für die damaligen Gäste erzielen konnte. Hinter dem Stürmer fungiert gewöhnlich Halil Altintop als eine Art Neuneinhalber. Linksaußen spielen  Tobias Werner oder der vom VfB Stuttgart vor der Saison verpflichtete junge Österreicher Holzhauser. Mit dem im Winter ablösefrei hinzugeholten Esswein steht eine weitere Alternative als Linksaußen zur Verfügung. Da Esswein jedoch Rechtsfuß ist, kann er  grundsätzlich auch auf der rechten Außenbahn spielen. Dort spielt gewöhnlich jedoch eine der Entdeckungen dieser Saison, der schnelle, beidfüßige André Hahn. Angesichts der fortwährenden Verletzungsprobleme bei Gomez und Klose würde es mich nicht wundern, sollte Hahn den Sprung in den endgültigen Kader Löws für die WM in Brasilien schaffen. Sei es, wie es sei – nach dieser Spielzeit wechselt Hahn zur Borussia aus M’Gladbach. Und da Favre als mehr als sorgsam im Umgang mit Spielerverpflichtungen bekannt ist, darf man dies getrost als Anzeichen für Qualität werten.
Im zentral-defensiven Mittelfeld der Augsburger ragt spielerisch Daniel Baier heraus, der so etwas wie das bayrische Pendant zu Hamburgs Milan Badelj darstellt. Daneben spielt der zweiundzwanzigjährige Kevin Vogt. Mit 1,94 m (laut Transfermarkt.de) bringt er in den Bereich des defensiven Mittelfeldes eine imposante Größe auf das Feld neben dem mit 1,75 m doch eher klein gewachsenen Baier. Ein Detail, das man auf Hamburger  Seite seit Jahren sträflich missachtet hat. Denn mindestens beim Duo Arslan und Rincon fehlt es u.a. deutlich an Zentimetern, wenn es gilt, Kopfbälle zu erobern. Zuletzt gleich mehrfach und folgenreich zu beobachten… Angeblich ist der HSV an Vogt interessiert. Man darf gespannt sein, ob sich dies bewahrheitet und seine Verpflichtung gelingt. Ebenfalls interessiert soll der HSV auch an Augsburgs Linksverteidiger, Matthias Ostrzolek, sein. Ich werte dies als weiteres Indiz dafür, dass  Marcel Jansen den HSV zum Saisonende verlassen wird. Erstens dürfte Jansen vor dem letzten großen Vertrag seiner Karriere stehen. Zweitens wird er sportlich höhere Ziele anstreben, als sie mit dem HSV in den nächsten Jahren realistisch zu erreichen sind. Drittens muss der HSV bekanntlich sparen, sparen und noch einmal sparen.

Was die taktische Grundformation (s.o.) und deren Umsetzung angeht, so könnten die Spieler des Hamburger Sportvereins beim FCA Anschauungsunterricht nehmen. Im Gegensatz zum HSV zeichnet sich die Mannschaft der Augsburger durch ein hohes Maß an Kompaktheit aus. Bei Ballbesitz des Gegners besetzt man zunächst den zentralen Raum im Mittelfeld, blockiert also für den Gegner nach Möglichkeit den kürzestens Weg zum eigenen Tor. Dann presst man kollektiv(!) offensiv. Während die beiden Spitzen bereits den gegnerischen Spielaufbau durch dessen Innenverteidiger stören, bleiben die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen, bzw. zwischen den Kettengliedern eng. Der Gegner findet also kaum Räume im Zentrum und wird systematisch zu langen Bällen über die Außenbahnen genötigt. Dies hat zwei grundsätzliche Vorteile aus Sicht der Augsburger:

1.) ist für den Gegner der Weg über außen zum Tor länger, was dem FCA prinzipiell Zeit verschafft, um etwaige Lücken zentral vor dem eigenen Tor doch noch schließen zu können;
2.) sind lange, hohe Bälle des Gegners immer leichter zu verteidigen.

Sind die Augsburger einmal nicht in der Lage, den Ball durch ihr Offensivpressing zu erobern, so zieht sich die Mannschaft geschlossen(!) zurück und verdichtet vor dem eigenen Strafraum noch weiter die Räume. Das so ein taktisches Verhalten durchaus von Erfolg gekrönt sein kann, ist  hinlänglich bekannt und konnte zuletzt auch wieder beim Spiel Real Madrid gegen den FC Bayern (1:0) beobachtet werden. Es half den Bayern bekanntlich wenig, dass sie regelmäßig tief in die Hälfte des Gegners vordrangen und dort meist im Ballbesitz waren.

Aus Sicht des Hamburger Sportvereins ist also zu erwarten, dass man wie zuletzt auch gegen den VfL Wolfsburg schon beim Spielaufbau gestört wird. Für den HSV wird es einmal mehr darauf ankommen, das richtige Maß zwischen Offensive und Defensive zu finden. Doch egal wie man dieses eminent wichtige Spiel auch angeht, man sollte tunlichst als Mannschaft kompakt bleiben. Der FC Augsburg hat bei vier Punkten Rückstand nur noch theoretisch die Chance, auf Platz sieben zu klettern und ins internationale Geschäft einzuziehen. Nach unten geht für die Mannschaft ohnehin nichts mehr. Der HSV hingegen müsste im Grunde mit dem Mute der Verzweiflung um eine seiner allerletzten Chancen kämpfen.

Slomka ist ja mit der Mannschaft vorzeitig angereist, um die Mannnschaft noch einmal auf diese Partie einzustimmen. Hoffen wir, dass es hilft. Anlass zur Hoffnung gibt mir, dass vermutlich sowohl Badelj als auch Jansen wieder zur Verfügung stehen und spielen können. Nicht zur Verfügung stehen Djourou und van der Vaart, die aber angeblich Mitte der nächsten Woche  wieder mit der Mannschaft trainieren können.

Wäre ich der Trainer des Hamburger Sportvereins (was ich natürlich nicht bin!), ich würde die folgende Aufstellung ins Auge fassen:

Adler – Diekmeier, Westermann, Mancienne, Jansen (Jiracek) –  Tesche, Badelj, Demirbay (Rincon), Ilicevic – Calhanoglu – Zoua

Bei Arslan habe ich nach dem letzten Spiel Zweifel, ob er tatsächlich verstanden hat, was ohne wenn und aber gefordert ist. Aber natürlich ist Slomka näher an der Mannschaft. Ein Einsatz von Demirbay wäre sicher ein Risiko, da der Junge über wenig Erfahrung verfügt, könnte aber u.a. auch jenen Schuss Unbekümmertheit bringen, ohne den man verkrampft. Letztlich muss der Trainer entscheiden, ob er dieses Risiko einzugehen bereit ist. Wenn also die Entscheidung gegen Kerem fiele, dann wäre für mich, der ich das alles aus der Ferne beobachte, Rincon die Alternative. Mag man Tomas auch einen Mangel an Kreativität bescheinigen – einen derart eklatanten Mangel an Kampfgeist, wie man ihn bei Arslan zuletzt beobachten musste, hat man bei ihm in all seinen Jahren beim HSV nie gesehen.

Gelingt dem HSV eine Kopie der Augsburger Spielanlage, spielt er von Anfang an engagiert, konzentriert und kompakt, dann ist trotz angeblichem Auswärtsfluch sogar eine erfolgreiche Revanche für die Niederlage gegen denselben Gegner absolut im Bereich des Möglichen.

DAS RESTPROGRAMM

15. VfB Stuttgart (32 Pkt; -11):
VfL Wolfsburg (H)
Bayern München (A)

16. Hamburger Sportverein (27 Pkt; -18):
FC Augsburg (A)
Bayern München (H)
1. FSV Mainz 05 (A)

17. 1.FC Nürnberg (26 Pkt; -28)
Hannover 96 (H)
FC Schalke 04 (A)

18. Eintracht Braunschweig (25 Pkt; -28):
FC Augsburg (H)
1899 Hoffenheim (A)