Monat: März 2015

wer aufgibt, der ist bereits abgestiegen

Der HSV hat wieder verloren. Das ist bedauerlich. Dass man zu Hause gegen die Hertha mit 0:1 das Nachsehen hatte, also gegen einen unmittelbaren Konkurrenten ein s.g. Sechs-Punkte-Spiel abgab, macht die Aufgabe, Vermeidung des Abstiegs, gewiss nicht einfacher.

Machen wir uns nichts vor, die sportliche Lage ist ernst und im höchsten Maße besorgniserregend. Es werden immer weniger Spiele, in denen man – theoretisch – punkten könnte. Und unverändert sind eklatante spielerische Defizite zu beobachten. Festzustellen bleibt auch, dass es der Mannschaft bisher kaum gelingt, tatsächlich zwingende, eigene Torchancen herauszuspielen. Unter derartigen Umständen genügen ein, zwei Fehler im eigenen Abwehrverhalten, schon geht man als Verlierer vom Platz. Insbesondere dann, wenn man sich regelmäßig durch Feldverweise selbst dezimiert.

Ich habe einen feldüberlegenen HSV gesehen, der sich einige  Halbchancen herausspielte, der aber auch kurz vor der Pause beinahe schon in Rückstand geraten wäre. Dass Adler lange Zeit Mühe hatte, sich mangels Beschäftigung warm zu halten, sagt bereits vieles über das Spiel. Aus Sicht der Hamburger gelingt es unverändert einfach zu selten, tatsächliche Vorteile aus dem Ballbesitz zu ziehen.

Der Verein müsse nun reagieren, las ich beiläufig. Gemeint war, ein anderer Trainer solle die Aufgabe Nichtabstieg für die verbleibenden Spiele übernehmen. Mit Verlaub, die Behauptung eines nun zwangsläufigen Trainerrauswurfs ist für mich eine Konstruktion in den Köpfen der Verfasser und gibt Auskunft über deren Ängste. Mehr nicht.

So verständlich und nachvollziehbar die zunehmende Abstiegsangst des Hamburger Anhangs auch ist – Angst und Aktionismus sind im Sport keine guten Ratgeber. Dies gilt gerade für prekäre Situationen. Eigentlich sollte man dies gerade in Hamburg inzwischen gelernt haben.

Wer Zinnbauer ablösen und durch einen neuen Trainer ersetzen will, der sollte zunächst mal eine Alternative vorlegen. Die sehe ich weit und breit nicht. Der gerade in Hamburg gerne als vermeintlicher Wundertrainer gepriesene Felix Magath passt m.E. weder in die neuen Strukturen, noch kann er tatsächlich Wunder bewirken, wie sich erst unlängst beim Fulham FC eindrucksvoll erwies.

Dass mit Lasogga, Holtby, Behrami und Diaz gleich mehrere gedachte Stützen der Mannschaft lange Zeit verletzt ausfielen und z.T. weiterhin nicht zur Verfügung stehen, dies kann man Zinnbauer nicht ankreiden. Dass er versucht, sie schnellstmöglich in die Mannschaft einzubauen, auch nicht. Davon abgesehen: Für die angesichts der letzten Jahre beinahe schon notorisch zu nennende, unsachkundige Zusammenstellung des Kaders trägt Zinnbauer aus meiner Sicht noch die geringste Verantwortung. Nur sie ausbaden, das darf er.

Selbstverständlich hat Zinnbauer auch Fehler gemacht. Die Idee aber, man müsse nur irgendeinen Wundertrainer holen, der dann absolut fehlerlos arbeiten und den Erhalt der Liga garantieren würde, ist eine ans Wahnhafte grenzende Erlösungsfantasie. Wie weit so etwas trägt, lässt sich gerade auch beim ebenfalls akut abstiegsgefährdeten VfB Stuttgart besichtigen, wo bekanntlich der vergleichsweise zu Zinnbauer erfahrenere Huub Stevens als Trainer ebenfalls in der Kritik steht.

Da sich die Saison dem Ende entgegen neigt muss jeder Trainer, egal ob er nun weiterhin Zinnbauer heißt oder nicht, punkten. Das bleibt unbestreitbar. Dabei helfen könnte, dass mit jedem Training  gedachte, aber bisher leider verletzt ausgefallene Leistungsträger wieder in Form kommen dürften. Die unbestreitbaren spielerischen Defizite sind für mich mindestens zu einem erheblichen Teil auch Folge dieser erzwungenen permanenten personellen Umstellungen.

Natürlich könnte es auch einen Punkt geben, an dem man sich auch von Zinnbauer trennen müsste. Nämlich dann, wenn man den Eindruck hätte, er würde die Mannschaft mit seiner Art, seinen Methoden nicht mehr erreichen. Dafür sehe ich jedoch bisher keine Anhaltspunkte.

Eins bleibt für mich daher sonnenklar: Wer den HSV jetzt schon abschreibt, der ist im Kopf bereits abgestiegen. Der HSV ist es auch nach diesem enttäuschenden Ergebnis nicht.

Unterzahl und Unvermögen. Der HSV unterliegt in Hoffenheim mit 3:0 (1:0)

Gerade hatte ich noch dem geschätzten Sven (http://zwergenwerke.blogspot.de/) auf seinen Bericht zum Dortmund-Spiel in einem Kommentar geschrieben, dass bei einer Analyse, bzw. Bewertung der Leistungsentwicklung m.E. der Kontext (dort vor allem die individuelle Eigenart der Dortmunder Spielanlage) zu berücksichtigen sei, da spielte der HSV in Hoffenheim und auch ich fragte mich hinterher: War das nun der von Sven behauptete Rückschritt, oder sind überhaupt Fortschritte zu erkennen? Habe ich mich vielleicht geirrt und wollte Fortschritte erkannt haben, die tatsächlich gar nicht feststellbar sind? Bevor ich mich an einer Antwort versuche, zunächst wie gewohnt einige Anmerkungen zu Startelf und Spielverlauf.

Aufstellung: Drobny – Diekmeier, Westermann (70. Kacar), Cléber, Ostrzolek (80. Holtby) – Ilicevic, Behrami, Jiracek, Gouaida (22. Adler) – Stieber – Olic

Westermann ersetzte den angeschlagenen Djourou. Ostrzolek kehrte nach überstandener Sperre (5. gelbe Karte) ins Team zurück, und der lange nicht mehr berücksichtigte Ivo Ilicevic sollte den gesperrten Nicolai Müller auf der rechten Außenbahn ersetzen, was ihm in meinen Augen durchaus gelang. Bemerkenswert hier erneut, dass Stieber seinen Platz zentral-offensiv in der Startelf behauptete. Zinnbauer verzichtete also auf die ebenfalls denkbare und zu Saisonbeginn mehrfach gesehene Variante: van der Vaart im zentral-offensiven Mittelfeld, Stieber auf der linken offensiven Außenbahn. Für mich mehr als ein weiterer Fingerzeig, dass das Kapitel van der Vaart (als Spieler) beim HSV spätestens zum Saisonende geschlossen wird.

Anpfiff: Taktisch scheint das Hybrid-System aus 4-2-3-1/4-4-2 beim HSV zunehmend fest etabliert. Gegen den Ball agierte der HSV erneut überwiegend mit zwei Viererketten. Im Vergleich zum Heimspiel gegen den BVB hatte ich den Eindruck, dass die Hamburger Mannschaft noch ein wenig tiefer, also defensiver agierte. Die vordere Mittelfeldreihe erwartete den Gegner erst 8-10 Meter hinter der Mittellinie. Olic und Stieber ließen die Gastgeber meist in derem ersten Drittel unbehelligt und beschränkten sich im Wesentlichen darauf, den Spielaufbau des Gegners in der gewünschten Weise zu leiten.

Die Hausherren erspielten sich rasch ein deutliches optisches Übergewicht. Bereits nach einer Viertelstunde war feststellbar, dass es dem HSV kaum gelang, Zugriff auf das Spiel zu gewinnen. Die Gastgebern hingegen konnten immer wieder ihre Angriffe mittels schnellem, präzisem Passspiel entwickeln. Meist wurden diese Angriffe über Volland und Rudy über ihre rechte Außenbahn vorgetragen, oder direkt durch das Zentrum entwickelt, wo dann der robuste Schipplock als Zielspieler diente.

In der 18. Minute spielte Strobl durch das Zentrum in den Lauf Schipplocks, der in den Hamburger Strafraum eindringen konnte. Drobny eilte aus seinem Tor, Schipplock legte den Ball an Drobny vorbei und stürzte dann über Hamburgs Torhüter. Schiedsrichter Perl entschied auf Strafstoß und, da er die Verhinderung einer klaren Torchance als gegeben ansah, auf Platzverweis für Drobny. Der für Gouaida eingewechselte Adler ahnte beim Strafstoß von Polanski die richtige Ecke, berührte auch den Ball, konnte jedoch den scharfen und platzierten Schuss letztlich nicht parieren. Das 1:0 für die TSG (22.).

Nach einer halben Stunde notierte ich, dass der HSV auch die Mehrzahl der s.g. zweiten Bälle verlor. Der Mannschaft gelang es kaum, Ruhe am Ball zu bekommen, da die Hoffenheimer bei Ballverlust sofort ins Gegenpressing gingen. Als Folge spielten die Hamburger viel zu viele unpräzise, „planlose“ Bälle in die Spitze. Die langen, hohen Bälle aus der eigenen Abwehr gingen fast alle verloren. Hier machte sich der Ausfall Lasoggas schmerzlich bemerkbar. Eine Vielzahl flacher Bälle war derart ungenau, dass der gewohnt fleißige Olic kaum eine Chance besaß, sie zu erreichen. Mit anderen Worten: Besaß der HSV überhaupt einmal den Ball, wurde kaum konstruktiv gespielt, sodass die geklärten Bälle postwendend zurückkehrten. Einzig lobenswert erschien mir zur Halbzeit, dass man trotz der frühen Unterzahl kaum klare Torchancen für die Gastgeber zuließ. Ausnahme in der ersten Halbzeit blieb eine Chance für Hoffenheims Firmino, der nach Zuspiel von Beck aus kürzester Distanz am sicheren Adler scheiterte (44.).

In der zweiten Halbzeit häuften sich die Torchancen für die TSG, welche die Abwehr des HSV nun häufiger in Verlegenheit brachte. So hätte in der 49.Minute der völlig frei im Strafraum stehende Polanski das zweite Tor erzielen müssen. Zum Glück für die Hamburger trat er aber am Ball vorbei.

Der HSV seinerseits, dies schien mit zunehmender Spielzeit immer klarer, schien nur nach einer Standardsituation zum Torerfolg kommen zu können. Und tatsächlich hätte beinahe Cléber mit einem Kopfball nach einer Ecke den Ausgleich erzielt, doch Baumann im Tor der Gastgeber hielt den Ball im Nachfassen (61.).

In der 69. Minute musste Zinnbauer dann verletzungsbedingt Westermann auswechseln. Für HW4 kam Kacar, der bekanntlich auch als Innenverteidiger spielen kann. Dies bedeutete zugleich, dass zwei der drei Wechseloptionen gezwungenermaßen bereits verbraucht waren.

Zehn Minuten vor Ablauf der offiziellen Spielzeit ging Zinnbauer mit dem Wechsel Holtby für Ostrzolek bei dem bis dahin knappen Rückstand verständlicherweise voll ins Risiko. Es kam, was nach dem bisherigen, einseitigen Spielverlauf kommen musste: Es ergaben sich noch mehr Räume für die Gastgeber. So stand nur eine Minute später erneut Polanski halbrechts im Strafraum des HSV völlig frei und hatte dieses Mal keine Mühe, den Ball zum vorentscheidenden 2:0 im langen Eck des Tores zu versenken.

Zu erwähnen wäre noch ein schöner Torschuss Stiebers nach Pass von Holtby, den Baumann über die Querlatte lenkte (86.). Zwei Minuten später setzte sich Volland einmal mehr am rechten Flügel durch, passte quer, sodass Rudy zum 3:0-Endstand abschließen konnte.

Abpfiff: Erneut eine verdiente Niederlage des HSV. Lobenswert erscheint mir aus Sicht des HSV nur, dass man trotz Unterzahl lange Zeit wenig ganz klare Torchancen für die Hoffenheimer zuließ. Bedenklich stimmt aber, dass und wie die Bälle bei eigenem Ballbesitz verschenkt werden. Behrami antizipiert und unterbindet viele Möglichkeiten des Gegners, es fehlt ihm aber an kreativem Passspiel.

Dass Adler nun zunächst für Drobny ins Tor zurückkehrt, betrachte ich keinesfalls als Schwächung. Im Gegenteil. In Sachen Spielaufbau durch den Torhüter halte ich René für den besseren Mann. Hoffnung macht mir auch, dass nun Schritt für Schritt die verletzten Spieler (Holtby, Beister, Lasogga) im Endspurt zurückkehren, sodass Zinnbauer endlich wieder mehr Alternativen zur Verfügung stehen.

Besorgniserregend bleibt aber der bereits angesprochene Mangel an Präzision/Konstruktivität im Passspiel, sowie die Tatsache, dass zumindest in diesem Spiel eindeutig viel zu wenig Bälle erfolgreich behauptet werden konnten. Dies war durchweg, vom defensiven Mittelfeld bis in die vorderste Reihe, festzustellen. Zwar ist bei der Einordnung dieses Spiels zu berücksichtigen, dass der HSV auswärts siebzig Minuten in Unterzahl spielen musste, dies darf jedoch keinesfalls den Blick auf diese Schwächen verstellen.

Schiedsrichter: Günter Perl (Pullach). Offenbar zeigen die anhaltenden Klagen der Gegner über die angeblich überharte Spielweise des HSV Wirkung bei den Schiedsrichtern. Perl legte jedenfalls die Regeln von Anfang an relativ eng aus, was für den HSV in seiner aktuellen Lage und Verfassung sicher kein Vorteil war. Die Entscheidung auf Strafstoß war dennoch richtig, da hilft auch kein Lamentieren. Die zugleich ausgesprochene Doppelbestrafung durch den Platzverweis für Drobny entsprach – ungeachtet der diesbezüglichen seit Jahren anhaltenden Diskussion – den leider unverändert geltenden internationalen Vorgaben.