Bernd Hoffmann

OFFENER BRIEF AN DEN VORSTANDSVORSITZENDEN DES HSV

Sehr geehrter Herr Hoffmann!

Nie hätte ich gedacht, dass ich mich einmal gezwungen sehen würde mich direkt an Sie zu wenden. Doch die Lage ist ernst, ja dramatisch. Und Sie, werter Herr Hoffmann, sind der entscheidende Mann.

Was ich nicht verstehe, Herr Hoffmann, wird von mir zügig in einen sinnvollen Zusammenhang gebracht. Ob die von mir gefundene Erklärung für das mir bisher Unverständliche einer tatsächlichen Überprüfung mit der Realität standhält ist egal, denn allein das Auffinden einer (vermeintlich) passenden Erklärung reduziert meine Angst. Und die ist real! Sie, Herr Hoffmann, haben mir den Fortschritt versprochen. Darf ich fragen wo der bleibt? Das neue Stadion? Nun, ersten geht das nicht allein auf Ihre Kappe, zweitens: man gewöhnt sich an alles; Eine Mannschaft, die seit Jahren international spielt? Nett, Herr Hoffmann, nett, aber nicht genug; Überdurchschnittlich begabte, junge Spieler mit langfristiger Perspektive? Nun, Herr Hoffmann, sie spielen mit meiner Angst vor dem drohenden Ausverkauf!

Vor der Saison haben Sie, Herr Hoffmann, mir einen neuen Trainer präsentiert. Zweifel waren angebracht. Denn wer als Mann gut aussieht, besucht entweder das andere Ufer, oder wildert in fremden Gefilden. In jedem Fall aber hat so einer keine Ahnung. Das muss der Neid mir lassen. Mir war immer klar, dass dieser Trainer taktisch festgelegt, lernresistent und unbelehrbar ist. Weil ich ein Experte bin, wusste ich bei seiner Verpflichtung sogleich, dass diese Saison 4-1-3-2 gespielt werden würde. „Cana ante Portas“ war die Devise. Doch Sie, Herr Vorstandsvorsitzender, haben mich betrogen. Es kam doch einer. Ach was sag ich, gleich mehrere Spieler wurden zum HSV gelotst. Elia, der Gewinner des Johann-Cruyff-Nachwuchspreises. Berg, der Torschützenkönig des U-Turniers. Und der „große Zeh“ beispielsweise. Dass unsere Mannschaft dann 4-4-2 spielte, das habe ich eher beiläufig zur Kenntnis genommen. Denn, nochmals sei es gesagt, wer so daher kommt wie dieser Trainer, dem steht die Ahnungslosigkeit ins Gesicht geschrieben. Das Rückspiel gegen Wien im 4-5-1 ist gänzlich an mir vorbeigerauscht. Wen kümmern schon taktische Lappalien, wenn er sich über Siege freut?!

Der schöne Fußball der ersten Wochen war ein einziges Versprechen. Nichts schien unmöglich. Und es lautete: „Meisterschaft“, Herr Hoffmann! Auf diese warte ich – wie Sie wissen dürften – lange, viel zu lange. Leider fehlten rasch wichtige Spieler. Der Überflieger der ersten Spieltage Paolo Guerrero und, dies wog schwerer, Zé Roberto. Und so musste ich mich gedanklich bis auf weiteres von diesen Spielern verabschieden. Leider gelang mir dies nicht bei meiner durch die berauschende Spielweise der Mannschaft geweckten Fantasie. Auch Ihre Schuld, Herr Vorsitzender. Dass es trotzdem gelang nicht abzustürzen, dies nahm ich als selbstverständlich zur Kenntnis. Schließlich gilt: Nur wer am Ende der Hinrunde noch oben ist, kann überhaupt in der Rückrunde abstürzen!

Um meine Pein zu komplettieren haben Sie nachgelegt. Ruud van Nistelrooy spielt jetzt bei uns. Ein echter Weltstar kam zu uns. Ein schwerer Fehler! Ihr Fehler!
Erstens werde ich nunmehr nur dann zufrieden sein, wenn wir jeden Gegner zweistellig aus dem Stadion gefegt haben, zweitens ist die Meisterschaft Pflicht. Drittens, einen „Van-the-man“ nur eine Minute spielen zu lassen, wo er doch in meinen Hoffnungen, meinen Fantasien spätestens in der 75. Minute kommen sollte, dass bleibt mir unerklärlich. Hochverrat, Herr Vorsitzender!

Hier schließt sich der Kreis. Ich wusste es immer. Wer bei seiner Auswechselung den Kopf schüttelt, der ist mit dieser Maßnahme nicht einverstanden. Keineswegs vorstellbar bleibt, dass sich so einer schlicht wundert, wie er mit seiner Mannschaft eine 1-3-Führung noch aus der Hand geben konnte. Es ist also eindeutig klar, es stimmt nicht mehr zwischen Trainer und Mannschaft. Hier besteht Handlungsbedarf.

Ich will die Meisterschaft. Und ich will sie jetzt. Also schmeißen Sie sie raus. Ich kann es nicht mehr mit ansehen. Hier die Liste meiner Streichkandidaten:

Frank Rost – zu alt und ohne Teleskop-Funktion;
Matthijsen – zu langsam. Nach Jahren konstanter Leistungen rechtfertigen drei, vier verschuldete Gegentore seinen sofortigen Verkauf;
Rozehnal – hat genau einen Fehlpass in Köln gespielt, muss aber schuldig sein;
Demel – Atouba für Arme;
Elia – jung, hochbegabt und mit für junge Spieler typischen Formschwankungen? Nein, bockig ;
Jarolim – kann eh nicht schießen;
Troche – na klar;
Tesche – nicht der Rede wert. Was kümmert es mich, wenn selbst Keegan ein Jahr Anlaufzeit brauchte;
Zé – Uli Hoeness hat mir die Begründung via BLÖD zugeraunt;
Petric – wer so aussieht, der ist stets am flirten. Will, das steht fest, nach Wolfsburg.
Berg – schoss das eine oder andere Tor. Ist aber noch nicht soweit, wie ich ihn mir erträumte. Außerdem hat er die Haare schön;
Eddy Sözer – ist für die Bedienung der Hydraulikpumpe zuständig und verpasst ständig seinen Einsatz (s.h. Frank Rost);
Bruno Labbadia – weil, ich wusste es schon immer.

Diese Leute sind alle unfähig. Unfähig meine Fantasien zu befriedigen. Und – das ist noch schlimmer! – sie sind unwillig. Denn, „Tschacka!“, ein Motivationstrainer hat es mir verraten: Es ist alles ganz einfach. Jeder ist seines Glückes Schmied. Man muss nur wollen. Real 6-7 Millionen Arbeitslose in diesem Land beweisen die Richtigkeit dieser These. An jeder Ecke sieht man schließlich das Schild: „Wir zahlen Gehälter, die zum Leben reichen und suchen dringend Personal!“

Sie wollen Kontinuität, Herr Hoffmann? Einen Schritt nach dem anderen? Seien Sie überzeugt: Es genügt ausreichend viel Geld in die Hand zu nehmen und eine Ansammlung von Stars zusammenzukaufen. Das weiß ich ganz genau. Schließlich ist es mir schon ein Mal gelungen auf diesem Wege Meister zu werden. Beim „Fußball-Manager 09″.

In der Hoffnung auf Erlösung
Ihr Trapper

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