Immer wieder lese ich, unseren Spielern fehle es an der richtigen Einstellung (zu ihrem Beruf). Konsequenterweise wird von mehreren Bloggern regelmäßig erhofft, eine Verbesserung in diesem Bereich („Kopf“) würde mindestens zu einem erheblichen Leistungsanstieg, wenn nicht automatisch zum Erfolg führen.
Nun, zweifelsohne sind Motivation und Leistung miteinander eng verbunden. Wer lustlos eine Aufgabe beginnt, wird sie in aller Regel nicht optimal erfüllen. Es sei denn, er/sie entdeckt den Spaß an der Sache während des Tuns. Zunächst ist jedoch die Frage zu stellen, ob es überhaupt verlässliche Anzeichen dafür gibt, dass die Ursache für mangelhafte Leistung in einer problematischen, da leistungshemmenden Einstellung zu suchen ist.
Menschen neigen allgemein dazu, für Unerklärliches möglichst schnell eine (für sie!) plausible Antwort zu suchen, denn das reduziert Angst vor dem Ungeordneten, dem Chaos.
Die mitunter aufreizend lässige Spielweise Boatengs verführt u.U. zu der Interpretation, Jerome sei „nicht voll bei der Sache“. Dabei könnte man sie sehr wohl auch als Teil eines angeborenen und/oder erlernten natürlichen Bewegungsmusters sehen. Die Annahme, „der ist nicht richtig motiviert“, wäre somit eine leichtfertige Fehlinterpretation.
Die regelmäßig auch den eigenen Ansprüchen hinterherhinkenden Leistungen Trochowskis, Leistungsschwankungen bei Aogo nach Löwschem Lob, schlechtere Leistungen von Elia auf der rechten Seite, die „Böcke“ von Rozehnal, vergebene Torchancen von Petric,- alles und jedes wird vom unkundigen Betrachter gerne in den einen Topf geworfen: Ganz klar, denen fehlt es an der Einstellung! Doch ist das wirklich so?
Die beste Leistung erbringt ein Sportler, wenn er den s.g. Flow-Zustand erreicht. In diesem Zustand „will“ er nicht (!), er tut es (einfach). Auf den Fußball bezogen: Ich „will“ nicht einfach ein Tor schießen, einen Zweikampf gewinnen,- es geschieht einfach. Nicht ich, ES spielt. Es geht von allein. Der Flow zeigt das absolute Leistungsmaximum. Umgangssprachlich könnte man auch sagen: Jemand spielt über seine (üblichen) Verhältnisse.
Wenn eine Mannschaft mehrheitlich diesen Zustand erreicht, dann „spielt sie sich in einen Rausch“. Wer je Leistungssport betrieben hat, der kennt diese seltenen Momente, wo alles –wie von selbst – gelingt. Die schlechte Nachricht: Man kann den Flow nicht anknipsen wie eine Glühbirne, man kann nur Rahmenbedingungen schaffen, die sein Auftreten wahrscheinlicher machen.
Glaubt eigentlich wirklich jemand, ein Spieler laufe in ein Stadion voller Zuschauer mit dem Gedanken ein: „Heute hab ich keinen Bock auf Fußball – ich verpasse im Fernsehen meinen Lieblingsfilm und wäre lieber auf dem heimischen Sofa!“? Oder wie wäre es mit folgendem Gedanken: „Ich bin sauer, weil der Trainer mich auf der falschen Seite spielen lässt,- mir ist meine Leistung heute piep-egal.“?
Sicher, eine gewohnte Position dürfte die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass ein Spieler den Flow erreicht. Eine Garantie ist sie jedoch keineswegs. Übrigens: man kann mit Hilfe geeigneter mentaler Strategien auch eine an sich ungewohnte Situation erfolgreich bewältigen (z.B. in dem man sie nicht als Belastung, sondern als Herausforderung betrachtet).
Es ist banal und wird doch oft von vielen vergessen: Auch ein Profi ist am Ende ein Mensch. Dass der Profi Rozehnal erst jetzt bessere Leistungen abliefert, nachdem er nicht länger von seiner Familie getrennt leben muss, dürfte auch für den Laien nachvollziehbar sein. Sich wohlzufühlen ist auch eine Grundvoraussetzung für das Abrufen der maximalen Leistung. Die tendenziell schlechteren Leistungen von Elia auf der für ihn ungewohnten rechten Seite müssen jedoch keineswegs damit zusammenhängen, dass er dort „nicht spielen will“. Es gibt eine ganze Reihe „falscher“ Gedanken, die das Zustandekommen einer optimalen Leistung verhindern: z.B. Angst zu versagen, Übermotivation, „zu viel Wollen“ etc.
Ob und wenn ja wo mentale Probleme bei einzelnen Spielern vorhanden sind, ist für den Laien – zumal wenn er/sie die Spieler nicht persönlich kennt und nicht regelmäßig im Training erlebt – nicht hinreichend fundiert feststellbar.
Wir sollten uns besinnen, dass unsere Interpretationen auf medial vermittelten Informationen beruhen. Die von einzelnen Bloggern gezogenen Schlüsse sind verständlich, da nachvollziehbar. Fachlich fundiert jedoch sind sie keineswegs.