Manfred Kaltz

Am 25. Mai besser nicht HSV-Allianz verunsichert!

Wie hätte es auch beim HSV anders sein können. Kurz vor der richtungsweisenden Mitgliederversammlung beim Hamburger Sportverein tauchte ein Gruppierung auf, die sich HSV-Allianz nennt. Sie besteht nach eigenen Angaben aus ca. 30 Mitgliedern aus den verschiedenen Gremien des Vereins. Ihr Ziel ist die Verhinderung einer Ausgliederung auf der Grundlage der vom Vorstand des Vereins vorgelegten Ausgliederungsdokumentation.

Die HSV-Allianz wurde bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt von den folgenden Personen repräsentiert:

Reiner Ferslev (Rechtsanwalt), Jürgen Hunke (Privatier, AR-Mitglied), Dr. Conrad (Rechtsanwalt), Eugen Block (Unternehmer),  Manfred Kaltz (Ex-Profi) und Reimund Slany (langjähriger Rechnungsprüfer beim HSV).

Soweit es Ferslev (vormals „Initiative Rautenherz“) und Hunke (vormals „Zukunft mit Tradition“) angeht, bleibt zunächst nüchtern festzustellen, dass es sich um ein Bündnis der Gescheiterten handelt. Auf der Mitgliederversammlung des Vereins im Januar erreichte Ferslevs „Initiative Rautenherz“ lediglich 21,8 Prozent Zustimmung und blieb damit fern ab jeder Mehrheitsfähigkeit. Hunke hatte seinerzeit, die weit überwiegende Stimmung unter den stimmberechtigten Anwesenden richtig deutend, sein Konzept kurzfristig zurückgezogen und gar nicht erst zur Abstimmung gebracht. Was Jürgen Hunke angeht, so sei bei dieser Gelegenheit auch daran erinnert, dass er in der Vergangenheit gebetsmühlenartig versichert hatte, dass er sich nie zuvor in seinem Leben derart intensiv mit einer Materie beschäftigt habe, wie er es im Zusammenhang mit seinem damaligen Konzept, das eine Ausgliederung noch ablehnte, getan hätte. Seit drei Monaten nun hat er nach eigener Aussage umgedacht und befürwortet grundsätzlich die Ausgliederung der Linzenzspielerabteilung, jedoch nicht in der geplanten Form. Es mag jeder und jede selbst entscheiden, was er nunmehr von der Expertise eines Mannes hält, der vorgab, er habe sich gründlichst mit einer Problematik beschäftigt, und der dann in einem ganz zentralen Punkt die Rolle rückwärts vollzieht.

Die HSV-Allianz begründete ihre Ablehnung einer Ausgliederung auf der Grundlage der vorgelegten Ausgliederungsdokumentation mit drei Behauptungen:

1. Mitglieder verlören wesentliche Rechte

2. Finanzinvestoren, auch Hedge-Fonds, würde Tür und Tor geöffnet

3. Das Stadion und die Raute würden verkauft

Im Folgenden fasse ich zunächst den Inhalt der Stellungnahmen der einzelnen Protagonisten zusammen. Darunter setze ich dann meine Anmerkungen:

Eugen Block: das Stadion dürfe nicht verkauft werden. Das Stadion sei „schuldenfrei“ und gehöre dem HSV.  Wenn die AG nach HSVPlus pleiteginge, sei das Stadion weg.

Anmerkung: Wie sich ein gestandener, respektabler Unternehmer zu der Aussage hinreißen lassen kann, das Stadion sei im Prinzip schuldenfrei und gehöre dem HSV, ist mir ein Rätsel. De jure mag das richtig sein, de facto ist das Stadion nicht abbezahlt, vielmehr musste der Tilgungsplan für die in diesem Zusammenhang aufgenommenen Kredite vom aktuellen Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats gestreckt werden. Andernfalls wäre das bilanzielle Ergebnis noch dramatischer, noch schlechter ausgefallen. Der HSV bewegt sich mit 100 Millionen Euro Verbindlichkeiten und über 20 Millionen Euro negativem Eigenkapital mindestens am Rande der vollständigen Überschuldung. Seit Jahren erhält der HSV von den Banken keine weiteren Kredite mehr. Es wurde sogar, obwohl von einigen zuvor vollmundig abgelehnt, u.a. mit dem Vermarkter „Sportfive“ verlängert, damit man mit den in diesem Zusammenhang geflossenen Geldern das desaströse bilanzielle Ergebnis etwas aufhübschen konnte. De facto haben meines Erachtens derzeit die Kreditgeber beim HSV,  das sind vor allem die Banken und Herr Kühne, das Sagen. Mit anderen Worten: Wenn ich mir ein Haus und ein Auto auf Kredit kaufe, dann mag ich mich ja Eigentümer nennen. Gerate ich aber in Liquiditätsprobleme, kann meine Kredite nicht mehr bedienen, dann ist im Zweifel beides schnell futsch, da meine Gläubiger notfalls den Verkauf erzwingen können. Der HSV hatte in den vergangenen Monaten ein ernsthaftes Liquiditätsproblem. Dieses hat der Vorstand nach meinem Kenntnisstand u.a. nur durch die prinzipielle Zweckentfremdung der für das Campus-Projekt eingesammelten Gelder lösen können. Anders ausgedrückt: Der HSV ist schon längst nicht mehr Herr im eigenen Haus, sondern vom Wohlwollen seiner Kreditgeber (Banken und Herr Kühne) abhängig.

Jürgen Hunke: Begann mit dem bemerkenswerten, da aufschlussreichen Eingeständnis, dass ihm erst in der letzten Viertelstunde des Relegationsrückspiels erstmals bewusst geworden sei, welche (tatsächlichen) Konsequenzen ein Abstieg für den HSV hätte.  Er habe im Nachfeld der MV im Januar viele Gespräche geführt und sei nunmehr auch für eine Ausgliederung, sehe aber Nachbesserungsbedarf. Hunke plädierte für eine Kompromisslösung (Zustimmung zur Ausgliederung, sofern Raute und Stadion beim Verein verblieben und nicht der zu gründenden AG zugeschlagen werden.)

Anmerkung: Was soll man (inhaltlich) von einem Mann halten, der nur allzugern pauschal den HSVPlus-Befürwortern unterstellt, sie seien alle schlecht informiert und hätten keine Ahnung, und dem erst in der letzten Viertelstunde der Relegation dämmert, welche fatalen Folgen ein Abstieg für den HSV gehabt hätte? Was soll man von jemandem halten, der sich nach eigener Auskunft intensivst mit einer Problematik beschäftigt haben will, und der dann seine Meinung in wesentlichen Punkten revidieren muss? Meine Meinung: nichts.

Reimund Slany: Stellte fest, dass die Mitglieder des Vereins, die Amateure und Unterstützer, einen wesentlichen Beitrag bei der Finanzierung des Stadions geleistet hätten, indem sie seit 2004 auf die ihnen laut § 2, Abs. 3 (Satzung des HSV) zustehenden Überschüsse aus dem Lizenzspieler-Geschäft verzichtet hätten. Seinen Angaben zur Folge handelt es sich hier um einen Betrag von 37 Millionen Euro. Seine daraus abgeleitete Forderung: das Stadion müsse daher im Verein verbleiben. Dieser benötige ein eigenes Grundvermögen.

Anmerkung: Wohltuend um Sachlichkeit bemüht. Grundsätzlich kann ich Slanys Argumentation, die darauf hinausläuft, dass schließlich die Mitglieder für das Stadion bezahlt hätten, nachvollziehen. Kritisch sei aber angemerkt, dass die Aufgabe der Rechnungsprüfer nach Slanys eigenen Worten auch darin besteht, auf Gefahren und Risiken hinzuweisen. Exakt der Verzicht auf die genannten Überschüsse aus dem Geschäftsbetrieb der Profis und die eben nicht erfolgte Zuführung derselben zu den gemeinnützigen Zwecken des HSV e.V. ist aber eines der Risiken, welche die Ausgliederung in meinen Augen unumgänglich machen. Ein hochkommerzieller Geschäftsbetrieb, wie er für jeglichen Profifußball anzunehmen ist, verträgt sich nicht mit dem Grundgedanken der Gemeinnützigkeit und dem damit einhergehenden Steuerprivileg des Breitensports im Universalsportverein. Insofern verwundert es mich, dass Herr Slany darauf nicht viel früher deutlich hingewiesen hat. Aber vielleicht hat er dies ja intern.
Welchen tatsächlichen Wert das Stadion für den Verein haben soll, erschließt sich mir nicht. Ein Fußballstadion ohne Profimannschaft ist im Grunde rein buchalterisch von Wert. Denn wer sollte eine ziemlich spezielle Immobilie dieser Größenordnung  kaufen, die allein durch den regelmäßigen Spielbetrieb eines Erstligisten Sinn macht? Am ehesten noch käme als Käufer wohl die Freie und Hansestadt Hamburg in Frage. Mit anderen Worten: Für das Missmanagement des HSVs in den letzten  Jahren soll ggf. der Steuerzahler einspringen? Nicht mit mir.
Ebenfalls bemerkenswert finde ich in diesem Zusammenhang, dass es in der Vergangenheit u.a. Manfred Ertel aber auch Hunke waren, die im Zusammenhang mit der desaströsen Finanzlage immer auf den Wert des Stadions hinwiesen, das man ja auch (noch) verkaufen könne. Ein Stadionverkauf durch den e.V. ist also akzeptabel, eine Zuschlagung des Stadions zu dem damit logisch verbundenen Lizenzspielerbereich, der AG, nicht?

Reiner Ferslev: Die vorgelegte Ausgliederungsdokumentation des Vorstandes entspräche gar nicht HSVPlus; Sie beinhalte Lüge und Täuschung; Eine Kapitalerhöhung sei bereits vorgesehen. Damit stünden in Wahrheit 33, 3 (und nicht 24,9) Prozent der Anteile zum Verkauf. Hedge-Fonds würde Tür und Tor geöffnet. Die Kampagne von HSVPlus, so mutmaßte er, habe 300.000-500.000 Euro gekostet. Daraus sei abzuleiten, dass ganz andere Leute im Hintergrund tätig wären. Möchte die Abstimmung am 25. Mai vertagen lassen, um eine Arbeitsgruppe bilden zu können. Die Raute sei kein Gegenstand des Anlagevermögens und müsse beim e.V. bleiben. Sprach in diesem Zusammenhang von der ihm bekannten Notwendigkeit, dass s.g. Stille Reserven in angeblicher Höhe von 15-20 Millionen wohl aufgelöst werden müssten. Dies sei aber möglich, schließlich habe der HSV in der Vergangenheit schon so viel Geld ausgegeben. Raute und Stadion müssten beim e.V. bleiben.

Anmerkung: Ein polemischer, streckenweise demagogischer Auftritt. Angefangen mit seiner Spekulation, HSVplus habe ganz andere Hintermänner, für die er nicht den kleinsten Beweis vorlegte. Aber behaupten, das lernt man als Jurist, kann man Vieles.
Die grundsätzlichen rechtlichen Bedenken, dass bspw. prinzipiell der Einstieg von renditeorientierten Hedge-Fonds juristisch möglich sei, kann ich nicht widerlegen. Aber hier stehen zunächst die Mitglieder von HSVPlus nicht nur vor der Mitgliederschaft, sondern im Grunde vor der gesamten deutschen Öffentlichkeit im Wort. Der bei Hertha BSC eingestiegene Fond, meines Wissens bisher der einzige bei einem Erstligisten in Deutschland, belegt für mich nicht hinreichend, dass Investoren mit Profifußball unmittelbar Geld verdienen können und wollen. Auch hier spekulierte Ferslev lediglich. Man müsste m.E. jedoch Zugang zu Interna von Hertha besitzen, um seine Annahme ggf. verifizieren oder falsifizieren zu können. Den Nachweis, dass er diesen Zugang hat, hat Ferslev nicht erbracht. Wichtig erscheint mir allerdings, dass juristisch tatsächlich eindeutig definiert sein muss, dass ein Weiterverkauf von Anteilen an der AG (durch wen auch immer) an (weitere) Dritte der ausdrücklichen Zustimmung der Mitgliederschaft bedarf, bzw. dass die AG in jedem Fall ein Vorkaufsrecht besitzt.
Woher Ferslev derzeit noch einen zweistelligen Millionenbetrag nehmen möchte, mit dem er steuerlichen Verpflichtungen im Falle des Verbleibs der Raute beim Verein nachkommen müsste, hat er – wohlweißlich? – nicht beantwortet.
Interessant finde ich auch, dass man jetzt das Schreckgespenst der „Verschacherung der Raute“ durch die AG an die Wand malt. Wer hat denn, wenn nicht der e.V., bisher die Raute z.B. an den HSV-Handball „verschachert“? Was glauben die Damen und Herren der Allianz denn, an wen die Raute durch die AG sinnvollerweise verkauft werden könnte? Spöttisch kann ich hier nur anmerken: Es fehlte mir fast, dass die Allianz vor Drogen-Päckchen mit dem lizenzierten  Aufdruck einer Raute warnte.
Die Vermarktung des (dann ausgegliederten) Profifußballs ohne Raute in der AG macht für mich logisch keinen Sinn. Strategische Partner dürften sich vor allem für die Marke HSV, deren bildhafter Ausdruck eben diese Raute ist, interessieren.

Manfred Kaltz: Verstieg sich zu der Behauptung, der Verein und die Fans würden durch HSVPlus nicht mitgenommen. Man habe sich früher „für den Verein (…) den Arsch aufgerissen“. Geld komme automatisch, wenn man Erfolg habe. Stadion und die Raute dürften nicht „verramscht“ werden.

Anmerkung: Zunächst einmal stelle ich nüchtern fest, dass es sich bei „Arsch aufreißen“ und „Geld kommt automatisch“ um Phrasen und Plattitüden handelt. Bedurfte es noch eines Beweises, dass man als verdienter Ex-Kicker – das bleibt unbestritten! – nicht automatisch kompetent ist, dann schaue man sich den Kaltz-Auftritt noch mal im Originalton an. Dass Kaltz das Stadion und die Raute lieber beim e.V. sähe, dies ist eine legitime Meinung.
HSVplus hat im Januar bekanntlich eine überwältigende Zustimmung von 79,4 Prozent der anwesenden und stimmberechtigten Mitglieder erhalten. Zudem reisten zu dieser Versammlung, die in der Vergangenheit regelmäßig nur von ein Paar hundert Mitgliedern besucht wurde, viele tausend Mitglieder aus nah und fern an. Wie sich Kaltz angesichts dieser Fakten zu der schon grotesken Behauptung hinreißen lassen konnte, HSVPlus habe „die Mitglieder nicht mitgenommen“, wird wohl sein Geheimnis bleiben. In meinen Augen ist exakt das Gegenteil zutreffend.

Fazit: Der Verein ist, da stimme ich Karl Gernandt (HSVPlus) zu, inzwischen das Armenhaus der Liga. Ein Teil der Chef-Bedenkenträger gegen HSVPlus hat seine Konzepte wohl still und heimlich  beerdigt (HSV-Reform), andere haben sich mindestens in Sachen Ausgliederung eines Besseren besonnen. Wer sich abschließend noch einmal ein eigenes Bild von den Protagonisten machen möchte, die PKs beider Modelle, HSVPlus und HSV-Allianz, sind im Netz unschwer aufzufinden. Für mich, die Damen (?) und Herren der Allianz mögen mir das verzeihen, bestand mehr als ein Klassenunterschied in den Präsentationen. Und zwar eindeutig zugunsten der Vertreter von HSVPlus. Trotz einigen in der Tat bedenkenswerten juristischen Einwänden konnte mich die Allianz nicht überzeugen. Zum Teil sind es die bereits im Januar grandios Gescheiterten (Ferslev, Hunke), die zudem eine erhebliche Mitverantwortung für die desaströse Lage beim HSV tragen (Hunke), die jetzt letztlich mit unbelegten Verdächtigungen und Unterstellungen (Ferslev) auf Stimmenfang gehen.

Die zur Lizenzerteilung für die nächste Saison nötigen Gelder, bzw. die benötigte Bürgschaft wurde von Karl Gernandt – und nicht von Amtsträgern oder gar Allianzvertretern! – bei Herrn Kühne und Adidas eingesammelt. Allein das spricht für mich schon Bände.

Eine Vertagung der Abstimmung und ein s.g. Runder Tisch, um einen Kompromissvorschlag auszuarbeiten, halte ich gleich aus mehreren Gründen – trotz gewisser Bauchschmerzen! (s.o.) – für inakzeptabel:

1. Der HSV hat bereits viel zu viel Zeit (und Geld vergeudet). Die Relegation müsste auch dem Letzten endgültig vor Augen geführt haben, dass es sowohl finanziell als auch sportlich längst fünf nach zwölf ist. Monatelange weitere Diskussionen erscheinen da absolut kontraproduktiv und machten den Verein im Grunde handlungsunfähig;

2. Einen „Kompromiss“ kann es in Sachen Raute und/oder Stadion in meinen Augen gar nicht geben. Entweder hält man den Zuschlag zur AG hier für sachlich richtig und sinnvoll, oder eben nicht.

3. Pluralität der Meinungen ist in einem Großverein wie dem HSV zu erwarten und grundsätzlich wünschenswert. Es ist daher ohnehin auszuschließen, dass man wirklich alle Mitglieder einen kann. Wer jedoch mit über 50 Änderungsanträgen operiert, der missachtet eindeutig das Wählervotum vom Januar. Wer bereits im Vorfeld von juristischen Klagen munkelt, mit denen er ggf. ein erneutes Votum für HSVPlus anzufechten beabsichtigt, der spielt tatsächlich mit der Existenz des Vereins.

4. Die überwältigende Mehrheit der Mitglieder, so mein Eindruck, hat begriffen, dass tatsächliche Profis den Profibetrieb führen und verantworten müssen. Insofern ist das Votum vom Januar m.M.n. auch als Einverständnis zu werten, dass man zukünftig auf die bisherige Form weitgehender Mitbestimmung durch die Mitglieder zu verzichten bereit ist. Somit läuft für mich Punkt eins der Allianz, Verlust an Rechten, zum einem großen Teil ins Leere.

Aus all den genannten Gründen hoffe ich, dass am kommenden Sonntag, dem 25. Mai, möglichst viele Mitglieder auf der Versammlung erscheinen und notfalls auch so lange bleiben, bis über HSVPlus abgestimmt wird. Ich bleibe dabei: HSVPlus jetzt! Es bleibt alternativlos!

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