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Die Ausgliederung kommt! Zeitenwende beim Hamburger Sportverein

+++ AKTUALISIERUNG: Das Abstimmungsergebnis im Detail: mit „ja“ stimmten 7992 = 86,9%; mit „nein“ stimmten 1206 = 13,1%; 44 Enthaltungen +++

Die wichtigste Nachricht vorweg: auf der Mitgliederversammlung am heutigen Tage, dem 25. Mai 2014, haben 86,9 Prozent (laut dem lokalen Fernsehsender Hamburg1) der anwesenden, stimmberechtigten Mitglieder (über 9000!) des Hamburger Sportvereins der Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung des Vereins auf der Grundlage der vom Vorstand vorgelegten Ausgliederungsdokumentation nach HSVPlus zugestimmt.

Im Grunde kann dieses Ergebnis niemanden ernsthaft überraschen, denn schon auf der Mitgliederversammlung im Januar hatte die weit überwiegende Mehrheit der Mitglieder mit fast achtzig Prozent den noch im Amt befindlichen Vereinsvorstand beauftragt, die Ausgliederung  der Profis in eine HSV-AG vorzubereiten.

Die Mehrheit all jener, die es mit dem HSV halten, dürfte dieses Abstimmungsergebnis erfreuen. Vielen dürfte auch nach dem nur äußerst knapp gelungenen Klassenerhalt ein weiterer Stein vom Herzen gefallen sein. Mehrheitlich wurde das Konzept von HSVplus, auch wenn es in manchen Detailfragen auch von seinen Befürwortern durchaus kritisch gesehen wurde, als historische Chance für den Verein betrachtet.

Ich habe hier bereits oft deutlich gemacht, dass ich ebenfalls HSVPlus favorisiere. Es wird daher niemand verwundern, dass ich das Ergebnis begrüße. Zu Triumphgeheul besteht für mich jedoch kein Anlass.

Meine Gedanken gelten zunächst all denjenigen, die mit ihrer Ablehnung von HSVPlus unterlegen sind. Ich kann mir vorstellen, dass das für sie eine ganz, ganz bitter Pille ist, die da nun zu schlucken ist. Für den einen oder anderen brach da sicher eine Welt zusammen. Aus der Perspektive der Unterlegenen wird sicher von einem rabenschwarzen Tag für den Verein gesprochen werden. Immerhin ist nun der weitgehende Verlust von Mitspracherechten der Mitgliederschaft zu verkraften, welcher gerade für die unterlegene Fraktion einen Großteil der Attraktivität des Vereins in seiner bisherigen Organisationsform ausgemacht haben dürfte.

Allerdings, das halte ich für sicher, ist diese brutale Ernüchterung zu einem großen Teil selbstverschuldet. Wenn jemand die Mitgliederschaft „nicht mitgenommen“ hat, dann war es die Abteilungsleitung des bisher (über)mächtigen Supporters Club. Dass man dort grundsätzlich andere Vorstellungen vom dem hatte, was und wie der HSV sein sollte, das ist überhaupt nicht zu beanstanden, sondern zu respektieren. Was allerdings kritikwürdig bleibt, ist, dass man beim SC im Namen aller Mitglieder über Jahre ureigenste Klientelpolitik betrieben hat, anstatt tatsächlich das Meinungsspektrum aller Mitglieder abzubilden. Mir waren und sind viele, viele Mitglieder bekannt, die sich schon lange nicht mehr vom SC angemessen vertreten fühlten, und die aus diesem Grunde unter Protest in die Abteilung Fördernde Mitglieder wechselten. Man darf also das heutige Abstimmungsergebnis getrost auch als weitere Quittung für eine verfehlte Politik der Abteilungsleitung beim SC werten.

Nun wird beim HSV also ausgegliedert. Und alles, alles wird jetzt besser – jedenfalls dürfte das einige glauben. Wirklich?

Die Ausgliederung der Lizenzspieler, die Gründung einer AG mit all ihren keineswegs unbedeutenden Nebengeräuschen, der Zuschlagung der Raute (und des Stadions?) zu eben dieser Aktiengesellschaft, verschafft dem HSV zunächst einmal die dringend benötigte, finanzielle Handlungsfreiheit. Das Konzept der Initiative HSVPlus setzt jedoch vor allem auf Nachhaltigkeit. Wer also den HSV nunmehr binnen kürzester Frist wieder in oberen Tabellenregionen erwartet, wer große Namen bei zukünftigen Transfers erhofft, der wird fast zwangsläufig enttäuscht werden.

Es wird auch mit der neuen Struktur Rückschläge geben. Darauf sollte man sich einstellen. Das Geschäft des Profifußballs ist von einer hohen Konkurrenzdichte, jedenfalls wenn man von der von den Bayern bis auf Weiteres dominierten Meisterschaftsfrage einmal absieht, gekennzeichnet. Ob ein verpflichteter Spieler die Erwartungen tatsächlich erfüllt, ob er evtl. aus Gründen der jederzeit lauernden Verletzungen die erhoffte Leistung bringen kann – all dies wird selbst bei höchstem Sachverstand und bestem Scouting immer mit einem Restrisiko verbunden bleiben. Fehlentscheidungen waren und sind nie gänzlich zu vermeiden. Dies gilt auch unverändert für die Zukunft.  Dort, wo Menschen arbeiten, unterlaufen Fehler. Das war so und wird auch zukünftig nicht gänzlich zu vermeiden sein.[Anm.: nachträglich gestrichen wg. Phrasenalarm] Das Problem des „alten“ HSVs waren für mich nicht die Fehler, sondern deren Häufigkeit und Ausmaß. Realistisch zu erwarten erscheint mir also, dass es nicht stetig linear nach oben geht. Entscheidend ist, dass der Trend zukünftig über mehrere Jahre eine positive Entwicklung nachweist.

Eins, meine ich, wird man jedoch für die Zukunft getrost ausschließen können. Die außerordentliche, vereinsschädigende Geschwätzigkeit, mit der Gremienmitglieder des Vereins in der Vergangenheit schon beinahe traditionell Interna nach außen durchsteckten, die dürfte allein durch die ungleich härteren Drohungen des Aktienrechts endlich verschwinden.

Die Mitgliederschaft des Hamburger Sportvereins hat freiwillig auf einen großen Teil ihrer bisherigen Rechte verzichtet. Damit geht ein großer Vertrauensvorschuss für die Vertreter der Initiative um Ernst-Otto Rieckhoff einher. Im Zusammenhang mit einer Umsetzung des Konzeptes, daran sei mit Nachdruck an dieser Stelle erinnert, wurde den Mitgliedern stets einige Zusagen gemacht, von denen ich die für mich drei wichtigsten herausgreife:

1.) Kein Verkauf von weiteren Anteilen an der AG jenseits der freigegebenen 24,9 Prozent ohne vorherige ausdrückliche Zustimmung der Mitgliederschaft;
2.) Kein Verkauf an rein renditeorientierte Hedge-Fonds o.ä., sondern eine auf Langfristigkeit angelegte Zusammenarbeit mit zukünftigen Strategischen Partnern;
3.) Kein unkontrollierter Weiterverkauf bereits verkaufter Anteile an Dritte.

Nun ist es an der Zeit, die von Karl Gernandt angeführte, neue Mannschaft arbeiten zu lassen. Dabei ist vor allem eins gefragt: Geduld. Selbst wenn nun Exzellenz, um mit Gernandt zu sprechen, arbeiten sollte, so sind keine Wunder über Nacht zu erwarten. Auch wenn ich keinen Anlass zu Misstrauen habe, bleibt zu hoffen, dass sich die nun spätestens ab dem 1. Juli Verantwortlichen des Vertrauensvorschusses würdig erweisen. Das Wahlergebnis sollte, aber ich glaube, das wissen die Beteiligten, als große Verpflichtung gesehen und keinesfalls als Freibrief missverstanden werden.

Ich sehe der Zukunft des Vereins nunmehr erleichtert und speziell der des Profifußballs beim HSV mit gedämpftem Optimismus entgegen. Aus meiner Sicht geht der 25. Mai, Stand heute, als guter Tag in die Vereinsgeschichte ein. Und ich hoffe sehr, dass ich diese Einschätzung nicht irgendwann revidieren muss. Nun gilt es, hart, hart zu arbeiten. Über mehrere Jahre. Zu Euphorie besteht kein Anlass, wohl aber zu Zuversicht.

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