Die Winterpause der Bundesliga gibt mir die Gelegenheit, um hier einige Themen aufzugreifen, die ich aus Zeitmangel bislang ausgespart habe. Dazu gehören der Verbleib der 17,5 Millionen Euro aus der Fananleihe und die in diesem Zusammenhang stehenden Stellungnahmen der scheidenden Vorstandsmitglieder des HSV.
Erinnern wir uns: Noch zu Zeiten des inzwischen längst entlassenen ehemaligen Sportdirektors, Frank Arnesen, wurde die Idee geboren, die Anbindung des Nachwuchsbereichs an die Profimannschaft zu verbessern. Wer sich nicht mit den speziellen Bedingungen beim HSV auskennt: die Bundesligamannschaft trainiert auf einer Trainingsanlage, die sich unmittelbar neben der Arena im Hamburger Volkspark befindet; das Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) befindet sich jedoch noch im mehrere Kilometer entfernten Norderstedt. Da man seit Jahren beklagte, dass aus der kostspieligen Nachwuchsförderung des Clubs zu wenig Spieler hervorgingen, denen nachfolgend dann auch der Sprung in die Profiabteilung gelang, lag es nahe, beides, Profis und NLZ, auch örtlich zusammenzuführen. Man versprach sich davon deutliche Synergie-Effekte und nicht zuletzt eine klare Steigerung der Motivation des eigenen Nachwuchs. Das Projekt „HSV-Campus“ wurde somit geboren und sollte neben den zusätzlich erforderlichen Trainingsplätzen einen Neubau des NLZ und einen Gastro-Bereich für Angestellte, Spieler und Fans unmittelbar neben der Arena im Volkspark beinhalten.
Nun musste man die geplanten umfangreichen Baumaßnahmen ja auch irgendwie finanzieren, was in Zeiten eines stetig steigenden, negativen Eigenkapitals aus Eigenmitteln des Clubs unmöglich schien. Also ersann man eine s.g. Fananleihe mit einem Gesamtvolumen von 17,5 Millionen Euro und einer jährlichen Verzinsung von 6 % über eine Laufzeit von sieben Jahren. Das Ganze wurde den interessierten Fans vor allem mit dem von den Verantwortlichen stets in den Vordergrund gerückten untadeligen Zweck „Verbesserung der Nachwuchsförderung“ schmackhaft gemacht. Und da Fans nur zu gerne etwas erwerben, was sie sichtbar mit dem Verein verbindet, bekamen die Zeichner der Anlage eine „Schmuckurkunde“. Die konnten sich die „Käufer“ dann als Ganzes an die Wand hängen. Dumm nur, dass diejenigen, die tatsächlich ihre Zinsansprüche geltend machen wollten, gezwungen waren, an diesem Schmuckstück herumzuschnippeln. Denn an die Urkunde waren jene Zinscoupons angefügt, die man dafür benötigt. Ein Schelm, wer sich Böses dabei denkt.
Natürlich ist das Auflegen einer derartigen Anleihe auch mit einem umfangreichen Wertpapierprospekt verbunden. Im Falle der Jubiläumsanleihe umfasste dieser 144 Seiten. Dort wurde auch ausdrücklich auf diverse Risiken hingewiesen. Und dort ließ sich auch eine juristische Hintertür dafür finden, dass das eingenommene Kapital keineswegs vollumfänglich vom HSV für die Realisierung des beworbenen Bauprojekts eingesetzt werden musste, sondern sehr wohl auch für andere Zwecke, z.B. Sicherung der Liquidität, eingesetzt werden konnte.
Stand heute sind die 17,5 Millionen unwidersprochen vollständig in der Bilanz des Clubs versickert, ohne dass auch nur nennenswerte Teile davon tatsächlich für die Baumaßnahmen verwendet wurden. Tatsächlich hat nach übereinstimmenden Medienberichten der ehemalige Aufsichtsrat Alexander Otto auf eigene Kosten die ursprünglichen bautechnischen Planungen für den Campus entwickeln lassen. Zwischenzeitlich wurde das Projekt dann durch Bernhard Peters aus Sicht einer optimierten Nachwuchsförderung noch einmal komplett neu konzipiert und zugleich „verschlankt“. Zuletzt war hier von Realisierungskosten von nur noch 8,5 Millionen Euro zu lesen. Die Kosten für die damit verbundenen bautechnischen Umplanungen soll erneut Herr Otto übernommen haben. Um es auf den Punkt zu bringen: 17,5 Millionen Euro wurden mit einem öffentlich stets vordergründig kommunizierten Ziel eingeworben, 8,5 Millionen Euro soll dieses Projekt, so war jüngst zu vernehmen, wohl am Ende tatsächlich kosten. Oder anders: der Verein hat seinen Fans unter einem Vorwand mindestens 9 Millionen Euro (tatsächlich wohl aber deutlich mehr) aus der Tasche gezogen. Sämtliche bautechnischen Planungen wurden für den Verein dank eines Gönners kostenfrei realisiert. Und es dürfte nicht wenige geben, die vermuten, dass Baubeginn und Fertigstellung des Projekts am Ende nur deswegen möglich sein werden, weil der Club inzwischen einen Spender gefunden hat, der jedoch anonym bleiben möchte.
Juristisch scheint sich der Verein dennoch auf der sicheren Seite zu befinden. Man ist schließlich seinen Aufklärungspflichten nachgekommen. Dennoch halte ich diesen Vorgang im Grunde für skandalös, denn was legal ist, ist deswegen m.E. noch lange nicht legitim. Es ist schon bezeichnend, wenn sich gleich zwei scheidende Vorstandsmitglieder, Jarchow und Scheel, im Abendblatt allein auf juristische Positionen zurückziehen, die etwaige Regressforderungen oder gar strafrechtliche Konsequenzen aussichtslos erscheinen lassen. Wenn Jarchow beteuert, der Campus würde ja am Ende gebaut, dann ist dies in meinen Augen nur eine weitere Nebelkerze, die das wirtschaftliche Desaster verschleiern soll, das der von ihm geleitete Vorstand zu verantworten hat. Denn mit welchen Geldern der gebaut wird, das erwähnt er natürlich nicht.
Der Verdacht weitgehender Zweckentfremdung der eingeworbenen Mittel, dies kann die formal-juristische Argumentation eben nicht beheben, liegt äußerst nahe und belegt indirekt zudem, dass man offenbar ohne jedes Schuldbewusstsein die Leidenschaft der treuesten Fans einmal mehr ausgenutzt hat. Zugleich mag es als weiteres Indiz dafür gelten, wie prekär die finanzielle Lage des Clubs einzuschätzen ist.