Bouy

Und noch ein Bauernopfer – Kommentar zur Entlassung Bert van Marwijks

Die Liste derer, die man beim Hamburger SV in den letzten Jahren verschlissen hat, gleich ob als Trainer oder Spieler, ist lang. Der Verein, einst am noblen Rothenbaum beheimatet, schreibt unbeirr- und offenbar unbelehrbar seine ganz eigene Version des großen Brockhauses. 16 Trainer durften sich seit dem Jahr 2000 auf der Trainerbank im Volkspark versuchen. Sechzehn verschiedene Trainer in nicht eimal vierzehn Jahren, und Nummer Siebzehn steht vor der Tür! Ungezählt die Spieler, die hoch gelobt nach Hamburg kamen, um dann als angeblich untauglich den stets hohen Ansprüchen des Vereins zu genügen, ebenfalls wieder vom Hof gejagt zu werden. Wobei das eine (immer neue Trainer) das andere (neue Spielerwünsche) zum Teil bedingt.

Von Kontinuität wird seit Jahren beim HSV nur gesprochen, dabei gibt es sie längst. Es ist u.a. die Kontinuität der Kapitalvernichtung.  Und es ist auch die Kontinuität des eklatanten sportlichen Kompetenzmangels im Verein. Nicht zu letzt ist es auch die Kontinuität hartleibiger Selbstüberschätzung eines Großstadtvereins mit Tradition.

Dieser Verein wird seit Jahren abgewirtschaftet. Dieser Verein hat auch stets eine gehörige Portion Glück gehabt, dass man sich immer noch berechtigt Dino nennen durfte, dass die Uhr im Stadion noch immer die Zeit zählt, die man der ersten Bundesliga angehört. Die Uhr gibt es noch, aber inzwischen, so macht es den Eindruck, läuft dort ein Countdown. Das Glück scheint restlos aufgebraucht.

Seit fünfundzwanzig, bald sechsundzwanzig Jahren rennt man erfolglos einem absoluten Erfolg hinterher. Von einem bemerkenswerten Zwischenhoch des Vereins unter der Führungstroika Bernd Hoffmann, Katja Kraus und Didi Beiersdorfer, das nicht nur zu einer namhaften Mannschaft führte, sondern mit drei Halfinalteilnahmen in zwei Wettbewerben war man mal kurzfristig dran an dem, was man rund um den Volkspark als einzig angemessen für den Verein hält: Titel. Nach der Demission Beiersdorfers begann erneut der schleichende Niedergang. Hoffmann, der offen bekannte,  dass er zwar Wirtschaft aber nicht Fußball könne, wurde vom damaligen Aufsichtsrat fast zwei Jahre im Regen stehen gelassen. Denn nur dieser Rat wäre laut Satzung zur Berufung eines neuen Sportdirektors legitimiert gewesen. Auch so eine hamburger Besonderheit: ein aufgeblähtes Gremium, in dem eigentlich immer die Schlüsselkompetenz für einen Profifußballverein, die sportliche Kompetenz, gänzlich fehlte oder sich in absoluter Minderheit unter Wirtschaftsfachleuten, Juristen, Journalisten, Ex-Präsidenten befand, entscheidet über das Wann und Wer bei der eminent bedeutsamen Position des Sportdirektor. Dass dem Gremium auch ein Ex-Stadionsprecher, ein Schauspieler angehört, der, so war zu vernehmen, beständig mit seinem Rücktritt kokettiert, ist da nur noch eine bezeichnende Petitesse am Rande. So kam, was fast folgerichtig erscheint: Zwei Jahre ohne dem jeweiligen Trainer übergeordnete, konzeptionelle Planung und Entwicklung der Mannschaft durch einen Sportdirektor. Dafür kam, nur als ein Beispiel, Labbadia als Trainer und machte sich für die Verpflichtung Tesches stark. Ein Spieler, der nie den Durchbruch in Hamburg schaffen sollte, der aber unverändert das Gehaltskonto des Vereins belastet.

Labbadia, um bei diesem Beispiel zu bleiben, wurde zu Beginn seiner Amtszeit gehypt. Die ersten acht Spiele spielte die Mannschaft traumhaften Fußball und man wähnte sich (mal wieder) auf dem richtigen Weg. Dann schlug der Verletzungsteufel zu und in der Folge entstand ein negativer Lauf. Plötzlich schrieben diejenigen, die den neuen Mann an der Außenlinie vor Wochen erst für seine intensiven Gespräche mit Einzelspielern und Mannschaft hoch gelobt hatten, der Trainer sei ein ahnungsloser Schwätzer. Einer, der vollkommen unbelehrbar sei. Und verantwortungslos sei er zudem auch, denn die Spieler könnten sich bei seinen überlangen Ansprachen verkühlen. Auch das hat Kontinuität: man weint sich beim Boulevard aus, bzw. steckt Interna durch. Und jeder, absolut jeder!, meint mitreden und am Besten auch mitentscheiden zu müssen, und sei es auch, dass seine leistungssportliche Kompetenz allein auf dem regelmäßigen Betrachten der Spiele von VIP- oder Presseplätzen  beruht.

Trotz anhaltender Titellosigkeit entwickelte sich der Verein antizyklisch. Die Zahl der Mitglieder wuchs kontinuierlich. Und so enstand der Supporters Club (SC). Bei der einst als Interessenvertretung aller (sic!) Mitglieder gedachten und sogar mit Sitz im Vorstand bedachten größten Abteilung innerhalb des Vereins sicherte sich eine gut organisierte Minderheit entscheidende Pöstchen, um sozialromantischen Idealen vom angeblich „ehrlichen“, nicht gänzlich durchkommerzialisierten Profifußball nachzujagen. Das ist, um nicht missverstanden zu werden, legitim, aber seit der letzten Mitgliederversammlung des Vereins ist für jeden offensichtlich und gänzlich unbestreitbar: Die überwältigende Mehrheit der Mitglieder will einen anderen Kurs setzen. Die Abteilungsleitung des SCs hat, auch das hat beim HSV Kontinuität, ihre eigentliche Aufgabe verfehlt, denn sie hat eine eindeutige Klientelpolitik zugunsten einer Minderheit gemacht. Sie ist kein Korrektiv sondern einer der Bremsklötze, die den Verein beständig in unterschiedliche Richtungen zerren. Zu denen gehören auch Teile des Vereinsestablishments, all die Seelers, Bähres und Hunkes etwa, die sofort medienwirksam öffentlich aufheulen, wenn es mal nicht nach ihrem Willen geht. Dabei ist nicht das Problem, dass sie ggf. eine andere, eigene Auffassung vertreten, sondern allein die Tatsache, dass sie dies allzugern und oft über die Medien verkünden und damit in die Arbeit der jeweiligen sportlichen Leitung mittelbar eingreifen, anstatt intern für ihre Überzeugungen zu werben.

„Ein schöner Verein zerstört sich selbst“ äußerte van Marwijk. Und er verkniff sich, Ross und Reiter zu nennen. Etwas, was er übrigens mit den längst geschassten ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Hoffmann und Ex-Sportdirektor Arnesen gemeinsam hat. Alle drei haben rund um ihren jeweiligen Abgang mehr hanseatischen Stil, mehr Klasse im kleinen Finger nachgewiesen, als all jene in und rund um den Verein, die ihnen z.T. bis heute meinen, Dreck nachschleudern zu müssen. Von allen Dreien las und hörte man bis heute kein böses Wort, obwohl es ihnen bestimmt dann und wann auf der Zunge lag.

Van Marwijk hat, wie im Grunde alle seine Vorgänger auch,  unbeirrbar an seiner Art des Arbeitens festgehalten. Und das ist schon allein aufgrund der Inkompetenz sowohl der Gremien als auch des Boulevards vollkommen richtig gewesen. Ohne Zweifel trägt er seinen Teil der Verantwortung für den sportlichen Niedergang. Jedoch ließen seine Äußerungen stets erkennen, dass da einer weiß, was er macht. Etwas, was sich gewiss die Wenigsten beim HSV auf die Fahne schreiben dürfen.

Das negative Eigenkapital innerhalb weniger Jahre um gleich mehrere hunderte Prozent auf bedenkliche rund 20 Millionen gesteigert, die Liquidität angespannt – da blieb im Winter kein Geld für namhafte Verstärkungen. Frage: ist der Trainer daran schuld? Ist der Trainer dafür verantwortlich, dass man meinte, nur Spieler kostengünstig ausleihen zu können? Ist der Trainer dafür verantwortlich, dass Spieler, die unter diesen Umständen von ihren abgebenden Vereinen „geparkt“ werden, Defizite (mangelnde Spielpraxis nach längerer Verletzung) aufweisen? Ist nur der Trainer daran schuld, dass diese Mannschaft bis heute ein von unterschiedlich(st)en Leuten zusammengestelltes Sammelsurium ist?

Zur Erinnerung: Beister hatte sich schwer verletzt und fällt mindestens für den Rest der Saison aus. Dass Handlungsbedarf im Offensiv- und Geschwindigkeitsbereich bestand, steht für mich außer Frage. Also holte man Ola John. Dass dieser junge Spieler in einer fremden Liga und bei einem Verein, der dem Abstieg entgegentaumelt, nicht die alles entscheidende Sofortverstärkung ist, das ist normal. Das entspricht dem Regelfall. Alles andere wäre eine Überraschung gewesen, auf die nur ahnungslose Täumer gewettet hätten. Ebenfalls grundsätzlich nachvollziehbar erscheint die Leihe Bouys, auch wenn er bisher wohl nur für Fachleute erkennbare Klasse andeuten konnte. Denn unabhängig von der konkreten Personalie dürfte inzwischen hoffentlich unstrittig sein, dass die Bindung zwischen Defensive und Offensive der Mannschaft dringend verbessert werden muss. Es gehört zum Hamburger Aberwitz, dass angesichts der Anlaufschwierigkeiten Bouys jetzt ausgerechnet jene seinen Konkurrenten Rincon fast schon zum Heilsbringer stilisieren. Jenen Rincon, dem sie einst bescheinigten, er sei (auch) nicht bundesligatauglich, da angeblich stets gelb-rot oder rot gefährdet (Tipp: man schlage mal nach, wie oft Rincon tatsächlich vom Platz flog, um die Güte der damaligen Einschätzung selbsternannter Experten zu überprüfen). Diese eklatanten Fehleinschätzungen haben auch längst Kontinuität gewonnen. Wer erinnerte sich nicht daran, dass Rudnevs bereits vor seinem ersten Pflichtspieleinsatz jegliche Tauglichkeit abgesprochen wurde (Güte der „Expertise“: Rudnevs schoss bekanntlich 12 Tore in seiner ersten Saison für den HSV und schießt inzwischen Tore für Hannover 96)?!

Dem Hamburger SV wäre Demut zu wünschen. Man muss endlich zu einer realistischen, tatsächlich angemessenen Selbsteinschätzung finden. Der Verein braucht dringend, das ist evident, sportliche Kompetenz auf allen Ebenen. Und der Verein, das gehört für mich dazu, muss endlich damit aufhören, sich vom örtlichen Boulevard in seine Planungen hineinreden zu lassen. Ein entschiedenes Krisenmanagement, auch durch die Presse- und Medienabteilung, nach bayerischem oder dortmunder Vorbild etwa, erscheint in einer Medienstadt wie Hamburg absolut unverzichtbar. Beim HSV jedoch, da reden im Zweifel Viele und oft nicht mit einer Zunge. Auch das hat leider Kontinuität gewonnen.

Der Hamburger SV im Februar 2014 – nur noch ein Torso. Trainer gefeuert, der Vorstand insbesondere der Sportdirektor offenbar vollkommen überfordert und in der öffentlichen Wahrnehmung maximal beschädigt. Der Aufsichtsrat ein Tollhaus, indem sich einige offen oder verdeckt anmaßen, satzungswidrig ins operative Geschäft einzugreifen. Man darf vom erneut neuen Trainer, egal wer es werden wird, unter diesen widrigen Umständen keine Wunder erwarten (auch wenn man als Anhänger selbstverständlich weiter hoffen darf). Dieser grundsätzlich schöne Verein hat alles unternommen, um jenen singulären Ast abzusägen, auf dem er wenigstens bis zum Ende dieser Saison noch sitzt. Der Abstieg wäre selbstverschuldete Konsequenz inkomptenten Handelns auf allen Ebenen. Wirtschaftlich wie sportlich eine katastrophaler Offenbarungseid. Das einzig positive daran wäre, dass ein hoch verdientes Fegefeuer durch alle Ebenen und Gremien des Vereins zöge, dass hoffentlich zu einer gänzlich anderen, kompetenzgetragenen Besetzung führte. Der Verein muss sich ohnehin neu erfinden. Er muss beantworten, ob er sich auch zukünftig von seinen hanseatischen Wurzeln so weit entfernen möchte, wie es derzeit Russland von wirklicher Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit ist. Wer aber im Abstieg vollkommen naiv nur eine Chance sehen möchte, der sei auf das anstehende Lizenzierungsverfahren hingewiesen. So weit ist es mit diesem Verein gekommen: man muss u.U. sogar um die Lizenz für die zweite Bundesliga bangen.

Van Marwijk entlassen – alle anderen Verantwortlichen bleiben aber unbeirrt zunächst im Amt. Auch das hat  Kontinuität und Tradition beim Hamburger SV. Leider! Stolz sein sollte man auch darauf nicht.

+++ EIL angeblich wollen gleich mehrere Mitglieder des Aufsichtsrates zurücktreten +++

+++EIL mehrere Quellen vermelden übereinstimmend, die Verpflichtung von Mirko Slomka als neuer Trainer des HSVs sei perfekt. Klüver ist als erstes Mitglied des aktuellen ARs zurückgetreten. Weitere Rücktritte sollen im Laufe des Tages folgen. +++

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Spielbericht: Eintracht Braunschweig – Hamburger SV

Aufstellung: Adler – Diekmeier, Sobiech, Westermann, Jansen – Rincón (62. Calhanoglu), Bouy – John (82. Zoua), van der Vaart (51. Arslan), Ilicevic – Lasogga

Tore: 0:1 (22.) Lasogga; 1:1 (50.) Kumbela; 2:1 (59.) Kumbela; 2:2 (75.) Ilicevic; 3:2 (84.) Kumbela; 4:2 (90+2.) Hochscheid

Schiedrichter: Kircher

Spielverlauf: Trainer Bert van Marwijk hatte sich (für mich etwas überraschend) für Lasse Sobiech als Partner von Westermann in der Innenverteidigung entschieden. Im Mittelfeld sollten die beiden Kämpfertypen Rincon und Bouy abräumen, da mit einem rustikalen Spiel zu rechnen war. Calhanoglu blieb zunächst auf der Bank.

Um es vorweg zu nehmen: wer angesichts des deprimierenden Ergebnisses damit rechnet, ich würde hier die große verbale Keule herausholen, der braucht jetzt gar nicht weiter zu lesen. Das mag ja für Sekundenbruchteile der geschundenen HSV-Seele Erleichterung bringen, hilft aber in dieser Lage niemand. Auch alle Schuldzuweisungen sind m.E. im Augenblick fehl am Platz.  Je bedrohlicher die Lage, desto mehr gilt es, kühlen Kopf zu bewahren, sich nicht von der umsich greifenden Hysterie, der Panik und dem Defätismus anstecken zu lassen. Ihr könnt aber sicher sein, dass ich zu gegebener Zeit schonungslosen Klartext schreiben werde. Im Augenblick gilt: nicht aufgeben, dran bleiben, gemeinsam kämpfen bis es auch rechnerisch nicht mehr möglich ist, die Klasse zu halten! Sollten wir auch rechnerisch abgestiegen sein, dann bleibt noch genügend Zeit für Teer und Federn.

Der HSV begann engagiert und versuchte den Kampf anzunehmen. Man verzichtete endlich weitestgehend auf jedwede Schnörkel im Spiel. Die Bälle wurden meist konsequent geklärt, was allerdings wenig ansehnlich war. Denn den langen Bällen fehlte oft die nötige Präzision. Vorne rackerte unermüdlich Lasogga, der erneut unterstrich, dass er derzeit praktisch nicht zu ersetzen ist. Die Führung des HSVs fiel aus dem Nichts. Jansen mit weitem Einwurf von links auf Lasogga. Dieser traf den Ball mit dem Hinterkopf (Uwe-Seeler-Gedächtniskopfball). Die daraus resultierende Bogenlampe senkte sich hinter dem Torwart der Braunschweiger ins lange Eck. Danach kam der HSV etwas besser ins Spiel. Man könnte auch formulieren: Über den Kampf zu einem kleinen Hauch von Spielkultur, ohne dass ich das Gefühl hatte, dass die Mannschaft mit der Führung im Rücken wirklich befreit aufspielen konnte. Die Angst vor dem groben individuellen Fehler, der zu einem Gegentreffer führt, blieb allgegenwärtig und spürbar.

Fünf Minuten nach Wiederanpfiff passierte es dann: ausgerechet Adler ließ einen Schuss ins rechte Eck  (vom Torschützen gesehen) nach vorne prallen. Der in der Pause eingewechselte Kumbela, Türschützenkönig der letzten Saison des Gegners, hatte keine Mühe mit dem Ausgleich. 1:1 – die kalte Dusche aus hamburger Sicht. Zusätzlich musste auch noch van der Vaart vom Feld. Es kam Arslan. Fast im Gegenzug hatte dann Jansen gleich zweimal die Chance zur erneuten Führung. Leider konnten die Gastgeber den zweiten Ball auf der Linie klären. Pech! Doch es sollte noch schlimmer kommen. In der 59. Minute schossen die Braunschweiger einen Freistoß flach und scharf vor das Hamburger Gehäuse. Kumbela spritzte im Fünfmeter-Raum dazwischen, Rincon kam zu spät und so hatte Kumbela keine Mühe mit dem Torschuss. Der allseits befürchtete Rückstand. Van Marwijk reagierte, nahm mit Rincon einen Sechser vom Feld und brachte den offensiveren Calhanoglu. Dadurch entstanden sofort größere Räume für den Gegner. Zwischen der 66. und 68. Minute klärte Adler gleich mehrfach glänzend, nachdem bspw. Bouy ohne Ball auf der rechten Außenbahn klar langsamer war als sein Gegner (erschreckend!) und ihn daher nicht stoppen konnte. Das Spiel entwickelte sich nun in Richtung eines offenen Schlagabtausches. Der HSV gab weder auf, noch ließ er sich hängen. In der 75. Minute schaltete Ilicevic am schnellsten und schoss den Ball nach konfusen Klärungsversuchen der Braunschweiger im eigenen Strafraum aus halbrechter Position ins lange Eck. Ilicevic‘ Torpremiere in dieser Saison und ein sehenswerter Treffer obendrein. Immerhin, der Ausgleich!

Van Marwijk reagierte erneut und brachte nun Zoua für John. Bei letzterem wechselten Licht und Schatten. Eklatante Fehler (nicht immer konsequent genug in der Rückwärtsbewegung; leichtsinnige Pässe in die Spielfeldmitte bei eigenem Ballbesitz und in der Vorwärtsbewegung) einerseits, aber auch einige gelungene Dribblings, bzw. Pässe und Flanken.

In der 84. Minute verschätzte sich Adler. Er versuchte einen halbhoch in den Strafraum geflankten Freistoß, der sich vom Tor weg drehte, mit einem Arm zu erreichen. Er kam zwar an den Ball, konnte ihn aber nicht entscheidend klären. Diesen Patzer nutzte erneut Kumbela. Erneutes Pech für den HSV, dass weder Lasogga(!) noch Sobiech auf der Linie den Fehler Adlers ausbügeln konnten. 3:2 hinten und nur noch fünf Minuten regulär auf der Uhr. Entsetzen auf hamburger Seite.

Den traurigen Abschluss lieferte die Entstehungsgeschichte des vierten Gegentreffers: Alle rechneten in der Nachspielzeit wohl damit, dass der ballführende Braunschweiger zur Eckfahne laufen würde, um dort auf Zeit zu spielen. Stattdessen spielte er u.a. Westermann im Hamburger Strafraum einen Knoten in die Beine. Pass in die Mitte, Schuss von Hochscheid – Tor. Danke, danke danke. Allerdings sollte man diesen Treffer, auch wenn er kurios zu stande kam, nicht zu hoch hängen. Im  Grunde war das Spiel ob der fortgeschrittenen Spielzeit hier schon verloren.

Fazit: sieben Ligaspiele in Folge verloren. Das „Spiel des Jahres“ (van Marwijk) absolviert, aber wieder keine Punkte erzielt. Schlimm! Jansen deutete nach dem Spiel an, was ich seit Wochen behaupte. Einige Spieler sind mental der Situation offensichtlich nicht gewachsen. Braunschweig hatte seit Saisonbeginn praktisch nichts zu verlieren. Der HSV taumelt der zweiten Liga entgegen. Die Angst, die ersten zu werden, die für das Aussterben des Dinos in der ersten Liga  verantwortlich gemacht werden, lähmt Beine und Köpfe.

Bert van Marwijk und dem Vorstand gehen die Argumente aus. Ich rechne (obwohl ich mich ja jüngst mit meinen Vorhersagen hier mehrfach geirrt habe) damit, dass spätestens morgen im Laufe des Tages personelle Konsequenzen gezogen werden. Ob die gehandelten Slomka oder Jol (oder ein anderer) den notwendigen, entscheidenden Impuls setzen können, wage ich ernsthaft zu bezweifeln. Sicher ist auch der aktuelle Trainer für diese beispiellose Negativserie (mit)verantwortlich. Meines Erachtens, auch wenn sich das für meine Leser unter den Eindrücken der letzten Wochen seltsam und vollkommen unverständlich lesen mag, hat er Vieles dennoch absolut richtig gemacht. Van Marwijk ist z.B. nicht dafür verantwortlich, dass der HSV mit John und Bouy nur zwei Spieler verpflichten konnte, denen es an Spielpraxis und Erfahrung mangelt. Ich fürchte fast, dass vor allem die jungen Spieler durch den Niederländer zwar gefordert und gefördert wurden, dass aber in manchen Fällen, sollte der HSV tatsächlich absteigen müssen, andere die Ernte einfahren werden. Sicher scheint mir dies schon im Falle der beiden im Winter lediglich ausgeliehenen Spieler.

Ein Wort noch zum Schluss: ja, diese Niederlage, gerade weil gegen den unmittelbaren Nachbarn im Tabellenkeller verloren wurde, scheint geeignet, alle noch vorhandenen Hoffnungen auf eine Wende und den Klassenerhalt fahren zu lassen. Da aber die anderen Ergebnisse aus Sicht des HSVs relativ günstig ausgefallen sind, ist noch gar nichts wirklich verloren. Absolut nicht!  Heute heißt es: Wunden lecken. Ab morgen muss es heißen: Jetzt erst recht! Man kann von der verunsicherten und deprimierten Mannschaft nicht verlangen, dass sie allein den Bock umstößt, wenn man selbst nicht einmal im Ansatz bereit ist gegen die defätistischen Stimmen im eigenen Kopf zu kämpfen, sondern sich dem Selbstmitleid ergibt. Dass jeder, der zu dem HSV hält, am liebsten bis zum Saisonende mit der Decke über’m Kopf im Bett bleiben würde, ist absolut verständlich. Nur helfen wird es nichts. Also durchschütteln und vielleicht einmal einen Tag völlig abschalten. Spätestens am Montag aber, egal wer dann Vorstand, Sportdirektor und/oder Trainer ist, müssen wir alle gemeinsam(!) hinter der Mannschaft stehen. Andernfalls, das erschiene mir dann tatsächlich sicher, ist der Abstieg unabwendbar.

+++ EILT Bert van Marwijk bereits entlassen, melden soeben diverse Medien. Er soll sich schon vom Team verabschiedet haben +++