Drobny

Unterzahl und Unvermögen. Der HSV unterliegt in Hoffenheim mit 3:0 (1:0)

Gerade hatte ich noch dem geschätzten Sven (http://zwergenwerke.blogspot.de/) auf seinen Bericht zum Dortmund-Spiel in einem Kommentar geschrieben, dass bei einer Analyse, bzw. Bewertung der Leistungsentwicklung m.E. der Kontext (dort vor allem die individuelle Eigenart der Dortmunder Spielanlage) zu berücksichtigen sei, da spielte der HSV in Hoffenheim und auch ich fragte mich hinterher: War das nun der von Sven behauptete Rückschritt, oder sind überhaupt Fortschritte zu erkennen? Habe ich mich vielleicht geirrt und wollte Fortschritte erkannt haben, die tatsächlich gar nicht feststellbar sind? Bevor ich mich an einer Antwort versuche, zunächst wie gewohnt einige Anmerkungen zu Startelf und Spielverlauf.

Aufstellung: Drobny – Diekmeier, Westermann (70. Kacar), Cléber, Ostrzolek (80. Holtby) – Ilicevic, Behrami, Jiracek, Gouaida (22. Adler) – Stieber – Olic

Westermann ersetzte den angeschlagenen Djourou. Ostrzolek kehrte nach überstandener Sperre (5. gelbe Karte) ins Team zurück, und der lange nicht mehr berücksichtigte Ivo Ilicevic sollte den gesperrten Nicolai Müller auf der rechten Außenbahn ersetzen, was ihm in meinen Augen durchaus gelang. Bemerkenswert hier erneut, dass Stieber seinen Platz zentral-offensiv in der Startelf behauptete. Zinnbauer verzichtete also auf die ebenfalls denkbare und zu Saisonbeginn mehrfach gesehene Variante: van der Vaart im zentral-offensiven Mittelfeld, Stieber auf der linken offensiven Außenbahn. Für mich mehr als ein weiterer Fingerzeig, dass das Kapitel van der Vaart (als Spieler) beim HSV spätestens zum Saisonende geschlossen wird.

Anpfiff: Taktisch scheint das Hybrid-System aus 4-2-3-1/4-4-2 beim HSV zunehmend fest etabliert. Gegen den Ball agierte der HSV erneut überwiegend mit zwei Viererketten. Im Vergleich zum Heimspiel gegen den BVB hatte ich den Eindruck, dass die Hamburger Mannschaft noch ein wenig tiefer, also defensiver agierte. Die vordere Mittelfeldreihe erwartete den Gegner erst 8-10 Meter hinter der Mittellinie. Olic und Stieber ließen die Gastgeber meist in derem ersten Drittel unbehelligt und beschränkten sich im Wesentlichen darauf, den Spielaufbau des Gegners in der gewünschten Weise zu leiten.

Die Hausherren erspielten sich rasch ein deutliches optisches Übergewicht. Bereits nach einer Viertelstunde war feststellbar, dass es dem HSV kaum gelang, Zugriff auf das Spiel zu gewinnen. Die Gastgebern hingegen konnten immer wieder ihre Angriffe mittels schnellem, präzisem Passspiel entwickeln. Meist wurden diese Angriffe über Volland und Rudy über ihre rechte Außenbahn vorgetragen, oder direkt durch das Zentrum entwickelt, wo dann der robuste Schipplock als Zielspieler diente.

In der 18. Minute spielte Strobl durch das Zentrum in den Lauf Schipplocks, der in den Hamburger Strafraum eindringen konnte. Drobny eilte aus seinem Tor, Schipplock legte den Ball an Drobny vorbei und stürzte dann über Hamburgs Torhüter. Schiedsrichter Perl entschied auf Strafstoß und, da er die Verhinderung einer klaren Torchance als gegeben ansah, auf Platzverweis für Drobny. Der für Gouaida eingewechselte Adler ahnte beim Strafstoß von Polanski die richtige Ecke, berührte auch den Ball, konnte jedoch den scharfen und platzierten Schuss letztlich nicht parieren. Das 1:0 für die TSG (22.).

Nach einer halben Stunde notierte ich, dass der HSV auch die Mehrzahl der s.g. zweiten Bälle verlor. Der Mannschaft gelang es kaum, Ruhe am Ball zu bekommen, da die Hoffenheimer bei Ballverlust sofort ins Gegenpressing gingen. Als Folge spielten die Hamburger viel zu viele unpräzise, „planlose“ Bälle in die Spitze. Die langen, hohen Bälle aus der eigenen Abwehr gingen fast alle verloren. Hier machte sich der Ausfall Lasoggas schmerzlich bemerkbar. Eine Vielzahl flacher Bälle war derart ungenau, dass der gewohnt fleißige Olic kaum eine Chance besaß, sie zu erreichen. Mit anderen Worten: Besaß der HSV überhaupt einmal den Ball, wurde kaum konstruktiv gespielt, sodass die geklärten Bälle postwendend zurückkehrten. Einzig lobenswert erschien mir zur Halbzeit, dass man trotz der frühen Unterzahl kaum klare Torchancen für die Gastgeber zuließ. Ausnahme in der ersten Halbzeit blieb eine Chance für Hoffenheims Firmino, der nach Zuspiel von Beck aus kürzester Distanz am sicheren Adler scheiterte (44.).

In der zweiten Halbzeit häuften sich die Torchancen für die TSG, welche die Abwehr des HSV nun häufiger in Verlegenheit brachte. So hätte in der 49.Minute der völlig frei im Strafraum stehende Polanski das zweite Tor erzielen müssen. Zum Glück für die Hamburger trat er aber am Ball vorbei.

Der HSV seinerseits, dies schien mit zunehmender Spielzeit immer klarer, schien nur nach einer Standardsituation zum Torerfolg kommen zu können. Und tatsächlich hätte beinahe Cléber mit einem Kopfball nach einer Ecke den Ausgleich erzielt, doch Baumann im Tor der Gastgeber hielt den Ball im Nachfassen (61.).

In der 69. Minute musste Zinnbauer dann verletzungsbedingt Westermann auswechseln. Für HW4 kam Kacar, der bekanntlich auch als Innenverteidiger spielen kann. Dies bedeutete zugleich, dass zwei der drei Wechseloptionen gezwungenermaßen bereits verbraucht waren.

Zehn Minuten vor Ablauf der offiziellen Spielzeit ging Zinnbauer mit dem Wechsel Holtby für Ostrzolek bei dem bis dahin knappen Rückstand verständlicherweise voll ins Risiko. Es kam, was nach dem bisherigen, einseitigen Spielverlauf kommen musste: Es ergaben sich noch mehr Räume für die Gastgeber. So stand nur eine Minute später erneut Polanski halbrechts im Strafraum des HSV völlig frei und hatte dieses Mal keine Mühe, den Ball zum vorentscheidenden 2:0 im langen Eck des Tores zu versenken.

Zu erwähnen wäre noch ein schöner Torschuss Stiebers nach Pass von Holtby, den Baumann über die Querlatte lenkte (86.). Zwei Minuten später setzte sich Volland einmal mehr am rechten Flügel durch, passte quer, sodass Rudy zum 3:0-Endstand abschließen konnte.

Abpfiff: Erneut eine verdiente Niederlage des HSV. Lobenswert erscheint mir aus Sicht des HSV nur, dass man trotz Unterzahl lange Zeit wenig ganz klare Torchancen für die Hoffenheimer zuließ. Bedenklich stimmt aber, dass und wie die Bälle bei eigenem Ballbesitz verschenkt werden. Behrami antizipiert und unterbindet viele Möglichkeiten des Gegners, es fehlt ihm aber an kreativem Passspiel.

Dass Adler nun zunächst für Drobny ins Tor zurückkehrt, betrachte ich keinesfalls als Schwächung. Im Gegenteil. In Sachen Spielaufbau durch den Torhüter halte ich René für den besseren Mann. Hoffnung macht mir auch, dass nun Schritt für Schritt die verletzten Spieler (Holtby, Beister, Lasogga) im Endspurt zurückkehren, sodass Zinnbauer endlich wieder mehr Alternativen zur Verfügung stehen.

Besorgniserregend bleibt aber der bereits angesprochene Mangel an Präzision/Konstruktivität im Passspiel, sowie die Tatsache, dass zumindest in diesem Spiel eindeutig viel zu wenig Bälle erfolgreich behauptet werden konnten. Dies war durchweg, vom defensiven Mittelfeld bis in die vorderste Reihe, festzustellen. Zwar ist bei der Einordnung dieses Spiels zu berücksichtigen, dass der HSV auswärts siebzig Minuten in Unterzahl spielen musste, dies darf jedoch keinesfalls den Blick auf diese Schwächen verstellen.

Schiedsrichter: Günter Perl (Pullach). Offenbar zeigen die anhaltenden Klagen der Gegner über die angeblich überharte Spielweise des HSV Wirkung bei den Schiedsrichtern. Perl legte jedenfalls die Regeln von Anfang an relativ eng aus, was für den HSV in seiner aktuellen Lage und Verfassung sicher kein Vorteil war. Die Entscheidung auf Strafstoß war dennoch richtig, da hilft auch kein Lamentieren. Die zugleich ausgesprochene Doppelbestrafung durch den Platzverweis für Drobny entsprach – ungeachtet der diesbezüglichen seit Jahren anhaltenden Diskussion – den leider unverändert geltenden internationalen Vorgaben.

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Punktgewinn gegen Dortmund. HSV – BvB 0:0 (0:0)

Ursprünglich wollte ich  hier gestern, also noch relativ zeitnah zum Spiele gegen den BvB, meinen Artikel zum Spiel veröffentlichen. So war der Plan. Aber die berufliche Belastung seit Ende Februar fordert nun einmal ihren Tribut, sodass ich leider erst heute zum schreiben komme. Ich werde daher von der von mir gewohnten Form des ausführlichen Spielberichts abweichen, zumal es taktisch beim HSV in dem Spiel gegen die Dortmunder ohnehin nicht sonderlich viel neues zu entdecken gab und mich auf ein knappes Resümee beschränken, bevor ich mich dann den Themen widme, die derzeit unter den HSV’ern kontrovers diskutiert werden.

Hamburger SV – BvB: 0:0 (0:0)

Was die Mannschaftsaufstellung betraf, so waren drei wesentliche Veränderungen festzustellen:

Drobny – Diekmeier, Djourou (18. Marcos), Cléber, Westermann – N. Müller, Behrami (60. Kacar), Jiracek, Gouaida (82. van der Vaart) – Stieber – Olic

Cléber ersetzte den leider wieder verletzten Pechvogel des HSV, Rajkovic, und Westermann, erneut auf einer anderen Position!, erhielt als Linksverteidiger den Vorzug vor Marcos. Zudem kehrte Behrami zurück ins Team und verdrängte Kacar.

Spielwertung: Taktisch agierte der HSV gegen den Ball im bereits gewohnten 4-4-2, wobei die Mittellinie als loser Orientierungspunkt für die vordere Viererkette diente. Mit anderen Worten: Die Mannschaft war bestrebt, vor allem in der eigenen Hälfte die Räume zu verengen, um dann dort durch punktuelle personelle Überzahl zu Ballgewinnen zu kommen, die dann zum kontern genutzt werden sollten. Oder anders ausgedrückt: Der HSV spielte, die Realitäten im Blick, zu Hause im Stil einer Auswärtsmannschaft gegen einen sportlich überlegenen Gegner. Spielerisch sah man aus Sicht der Hamburger einige gute Ansätze, die aber unverändert zu oft im Angriffsdrittel verschenkt wurden.
Am Ende erkämpfte sich der HSV einen Punkt gegen die wieder erstarkten und klar im Aufwind befindliche Dortmunder. Für mich ist das weniger als erhofft, aber angesichts des klaren Aufwärtstrends des BvB ein Punktgewinn, mit dem man leben können sollte.

Schiedsrichter: Gagelmann (Bremen). Ob der Ellbogeneinsatz Behramis in der 2. Minute gegen Mkhitaryan einen Platzverweis nachsichziehen muss, finde ich diskutabel. Gelbwürdig war er aber in jedem Fall! Verzichtete auch später bei Behrami nach Foul an Bender auf die spätestens dann fällige,  zweite gelbe Karte. Glück für den Schweizer in Diensten des HSV, schwach von Gagelmann. Je länger das Spiel andauerte, desto häufiger waren seine Entscheidungen nicht mehr nachvollziehbar.

Aggressiv Leader

Womit ich bei Behrami wäre. Dass Joe Zinnbauer den kaum genesenen Schweizer wieder in Team beförderte, kann ich aus seiner Sicht nachvollziehen. Er opferte aus dem Duo Jiracek/Kacar damit den spielerisch für mich besseren Spieler zugunsten des laufstärkeren. Damit war die Richtung vorgegeben: Den Spielfluss der Borussia unterbrechen und ihr keine Räume anbieten.

Aus dem Rathaus kommend muss man aber bilanzieren, dass Behrami normalerweise vom Platz geflogen wäre. Insofern ist die Nominierung Behramis nur durch eine schwache Schiedsrichterleistung nicht bestraft worden. Dass dem Schweizer aufgrund seiner Verletzungspause noch das Timing fehlte, wie Zinnbauer nach dem Spiel entschuldigend anführen wollte, mag zwar sein, aber schließlich hat er  ihn selbst nominiert. Ergo muss er auch mindestens zum Teil diesen überharten Auftritt seines Spielers mitverantworten.

Behrami ist ein unbequemer, durchweg aggressiv und nickelig spielender Gegenspieler. Er ist in meinen Augen eine klare Verstärkung, wandelt jedoch mit seiner Spielweise auf einem schmalen Grat. Insofern hätte es meines Erachtens gleich mehrere Argumente gegeben, um mit Jiracek/Kacar zu beginnen und Behrami erst später zu bringen.

Bester Mann Westermann – „HW4“ oder „Vollpflaume“?

Am Heiko scheiden sich die Geister des HSV-Anhangs. Ich habe hier zuletzt mehrfach sachlich begründet, warum ich ggf. eine Vertragsverlängerung mit Heiko Westermann kritisch sehe. Äußerst ärgerlich und absolut inakzeptabel finde ich jedoch, dass hier ein Spieler, der sich immer vorbildhaft in den Dienst der Mannschaft stellt, von Teilen des Anhangs derart geschmäht wird. Das hat er eindeutig nicht verdient.

Gegen den BvB spielte HW4 wieder einmal auf einer anderen Position. Wer mal selbst gegen den Ball getreten hat, der wird/sollte wissen, dass diese permanenten Umstellungen auch für einen erfahrenen Spieler nicht ganz einfach sind. Und neben der wieder sehr erfreulichen Leistung Clébers, war für mich der absolut tadellose Auftritt Westermanns bemerkenswert. Zumal er im laufenden Spiel kurzfristig dann den Platz des verletzten Djourous einnehmen musste. Wer hier argumentiert, dies sei nun nicht weiter erwähnenswert, da Westermann schließlich gelernter Innenverteidiger sei, dem halte ich entgegen, dass es z.B. bei Djourou einen gewaltigen Unterschied macht, ob er als rechter (gut) oder linker Innenverteidiger (problematisch) spielt. Daher ein großes Kompliment an HW4 für diese Leistung.

Heiko Westermann, niemand wird dies bestreiten, hat immer wieder kapitale „Klöpse“ in seinem Spiel. So gesehen  ist er anscheinend inzwischen die ideale Projektionsfläche für all diejenigen, die das Gerede vom Umbruch in der Mannschaft nicht mehr hören können oder wollen.

Leider hat der HSV in der Vergangenheit viel zu lange und viel zu oft mit leeren Ankündigungen operiert. Zur Tradition des HSV der letzten drei Jahrzehnte gehört für mich, dass man sich selbst notorisch überschätzt, seine Kompetenz-Defizite ignoriert und die sportlichen Ziele zu hoch gesteckt hat. Man hat beständig Erwartungen, auch die vom Umbruch!, geschürt, die man dann nachfolgend kaum je einlösen konnte. Das ist aber in erster Linie ein Problem des Vereins und seines in Teilen offenbar unzufriedenen Anhangs, nicht des Spielers. Wer Heiko Westermanns Fehler kritisiert, der sollte mindestens anerkennend loben, dass er auch sehr, sehr starke Spiele wie eben gegen den BvB abliefert und sich immer – immer! – für das Team aufopfert. Ich möchte nicht wissen, wieviele Vorgesetzte des pfeifenden Anhangs dies von ihren Mitarbeitern sagen würden…

Dass der vielfach angekündigte Umbruch länger dauert, als dies offenbar viele inzwischen zu akzeptieren bereit sind, ist auch Folge der Tatsache, dass man sich trotz mehrfacher Versuche von einigen Spielern nicht trennen konnte. So gesehen liegen die Gründe dafür zu einem erheblichen Teil in der Vergangenheit. Wer mit der derzeitigen Situation hadert, der muss sich fragen lassen, wessen Lied er denn gesungen hat, als die Führungsgremien von Maulwürfen durchseucht beständig sportliche Luftblasen produzierten. Ich finde es beschämend und ärgerlich, wie sich hier einige einen Spieler als Sündenbock herausgepickt haben, um sich selbst aus der Verantwortung zu stehlen.

Fazit: Ich betrachte den Punkt gegen den BvB als eindeutigen Punktgewinn. Klar ist, dass das Spiel des HSV nach vorne weiter verbesserungswürdig bleibt. Für eine in Ansätzen schwelende Trainerdiskussion fehlt mir jedoch jedes Verständnis. Absolut jedes Verständnis.