In eigener Sache
Beginnen möchte ich mit einem Hinweis in eigener Sache: Die Bundesliga geht nun bekanntlich in die Winterpause. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es hier erst nach dem Rückrundenauftakt des HSV gegen den 1. FC Köln am 31. Januar weitergeht. Ich werde die Pause nutzen, um einige Themen aufzugreifen, auf die ich in Ermangelung von Zeit bisher bewusst nicht eingegangen bin. Wenn alles so klappt, wie ich es mir vorstelle, dann wird es auch während der Winterpause im Wochentakt mindestens einen Artikel geben, der sich dann allgemeinen oder grundsätzlichen Fragestellungen widmet (z.B. die Causa „Kühne“; Analyse des bisherigen Saisonverlaufs unter Zinnbauer; Perspektive der Spieler, deren Verträge auslaufen etc.).
Ersatzgeschwächt?
Der HSV auswärts gegen Schalke ohne Westermann, ohne van der Vaart und ohne Lasogga? – es dürfte nicht wenige vor dem Spiel gegeben haben, die einem derart personell geschwächten HSV eine sichere, deutliche Niederlage prophezeit hätten. Zugegeben, auch ich war sehr, sehr skeptisch vor der Partie. Meine geringe Erwartungshaltung fußte jedoch nicht auf den besagten personellen Ausfällen, sondern vor allem auf der äußerst schwachen Leistung der Hamburger im Spiel zuvor zu Hause gegen den VfB Stuttgart. Denn Lasogga spielte zuletzt alles andere als überzeugend, und bei van der Vaart darf man weiterhin getrost darüber streiten, ob sein Mitwirken für die Mannschaft nun mehr Segen oder Fluch darstellt. Und Westermanns Fehlen? Auch dies zeigte das Spiel gegen den 1. FSV Mainz 05, der HSV kann grundsätzlich auch ohne ihn erfolgreich sein. Wäre da nicht dieser schlimme Leistungseinbruch gegen die Stuttgarter gewesen, ich wäre vor dem Auftritt der Hamburger in Gelsenkirchen deutlich zuversichtlicher gewesen.
Zinnbauers Handschrift
Wer den HSV aufmerksam durch die bisherige Saison verfolgt hat, der sollte bemerkt haben, dass Joe Zinnbauer immer wieder für die eine oder andere personelle Überraschung, bzw. taktische Anpassung an den jeweiligen Gegner gut ist. Das ist übrigens der Hauptgrund, warum ich in dieser Halbserie auf Spielvorschauen verzichtet habe. Denn ich möchte meine Leser nicht mit höchst spekulativen Artikeln langweilen, deren Substanzgehalt bereits mit dem Anpfiff ad absurdum geführt wird.
Auch gegen den FC Schalke hatte sich der HSV-Trainer einiges einfallen lassen. So spielte der junge Götz für Diekmeier als Rechtsverteidiger, den ich zuletzt nicht so schlecht gesehen habe, dass sich hier ein Wechsel förmlich aufdrängte. Weniger überraschend kam für mich da schon die Rückkehr von Ostrzolek, denn der junge Marcos konnte zuletzt nicht vollends überzeugen. Die Frage vor dem Spiel für mich war, wie Zinnbauer auf den Ausfall Lasoggas reagieren würde. Nach dem sehr ordentlichen Auftritt Gouaidas im Spiel gegen die Stuttgarter, hatte ich mit ihm in der Startelf zwar gerechnet, dachte jedoch, dass er Müller auf der rechten offensiven Außenbahn ersetzen würde. Mit anderen Worten: Ich hatte Nicolai Müller als zweite Spitze neben Rudnevs in einem 4-4-2 erwartet. Zinnbauer hatte sich jedoch einmal mehr eine andere Lösung einfallen lassen: Der HSV agierte nämlich gegen den Ball überwiegend in einem 4-1-2-3.
Die Hamburger begannen das Spiel deutlich passiver als zuletzt. Man stand erkennbar tiefer, nämlich mehrheitlich in der eigenen Spielhälfte. Rudnevs (zentral), Gouaida (links) und Müller (rechts) agierten als Dreierkette kurz vor der Mittellinie. Situativ löste sich derjenige aus dieser Kette, der dem ballführenden Schalker am nächsten stand, aber weniger, um tatsächlich aggressiv auf Balleroberung zu pressen, sondern vor allem, um das Aufbauspiel des Gegners zu stören und zu lenken. Danach kehrte der jeweilige Spieler sofort wieder auf seine Position in der Kette zurück.
Torgefahr durch Standards
Hinter dieser Dreierkette spielten zunächst Jiracek und Holtby auf den Halbpositionen, die wiederum durch Hamburgs „Chefabräumer“, Valon Behrami, defensiv zusätzlich abgesichert wurden. Durch diese taktische Variante konnten die Hamburger den Weg des Gegners durch das Zentrum meist geschlossen halten, waren aber in der ersten Halbzeit vor allem über ihre rechte Außenbahn anfällig. Angetrieben von Fuchs, Barnetta und dem sehr flexibel um Huntelaar herum spielenden Eric-Maxim Choupo-Moting kamen die Schalker über ihre linke Außenbahn, bzw. dem linken Halbraum zu zahlreichen Torchancen, die jedoch aus meiner Sicht überwiegend aus Standardsituationen resultierten. Diese Eck- oder Freistöße von Aogo oder Fuchs waren allerdings durchweg brandgefährlich. Als Hamburger können einem da nur die Augen tränen, wenn man das z.B. mit van der Vaarts Ecken vergleicht…
Bereits in der 2. Minute hatte der HSV nach einem Stellungsfehler von Djourou viel, viel Glück, als Huntelaar nach eben so einem Eckstoß von der linken Schalker Angriffsseite frei zum Kopfball kam und diesen nur an die Latte setzte. Und auch wenn Djourou und Cléber insgesamt eine respektable Leistung boten, so muss hier kritisch angemerkt werden, dass es nicht der einzige Stellungsfehler eines der beiden Innenverteidiger bleiben sollte. Nach fast jedem Standard für Schalke brannte es lichterloh im Hamburger Strafraum. Auch der ansonsten gewohnt zuverlässige, gute Drobny sah da nicht immer gut aus.
Das Aufbauspiel des HSV erschien mir etwas flüssiger, weniger schematisch als zuletzt. Unverändert unbefriedigend, da viel zu ungenau, blieb jedoch zunächst das eigene Passspiel im mittleren Drittel, bzw. im Angriffsdrittel. So konnte man sich trotz z.T. bester Ansätze kaum eigene Torchancen erarbeiten und brachte sich mehrfach durch vermeidbare Ballverluste defensiv in Schwierigkeiten. So beispielsweise in der 8. Minute, als man in der Vorwärtsbewegung auf der rechten Außenbahn einmal mehr den Ball verlor und Barnetta nach einer Schalker Flanke vom Flügel zum Kopfball kam. Wären die Schalker mit ihren zahlreichen Torchancen (2.; 8.; 9.; 17.; 20.; 36.) nicht derart verschwenderisch umgegangen, der HSV hätte sich über einen Rückstand zur Pause keinesfalls beklagen dürfen.
Die Hamburger kamen ihrerseits in der 23. Minute zu ihrer ersten Chance. Müller lief durch die Spielfeldmitte einen Konter, spielte nach rechts auf den Flügel zu Rudnevs, der wiederum im Strafraum sofort scharf nach innen passte. Leider kam der mitgelaufene Jiracek einen Schritt zu spät, sodass er den Ball im Rutschen nicht mehr kontrolliert auf das Tor bringen konnte.
Die größte Torchance für den HSV vergab Rudnevs, der von Müller wunderbar frei gespielt allein vor Fährmann den Ball links neben das Tor setzte (44.). Das musste die Führung für den HSV sein, auch wenn sie nach dem Spielverlauf bis zur Pause als unverdient anzusehen gewesen wäre. Denn in dieser ersten Halbzeit dominierten eindeutig die Gastgeber.
Aus Sicht der Hamburger war zudem die 5. gelbe Karte für Behrami negativ zu notieren, um die der Schweizer durch wiederholtes Meckern beim Schiedsrichter förmlich bettelte. Zumal die Entscheidung von Schmidt auf kein strafbares Handspiel bei Choupo-Moting korrekt gewesen ist.
Zweite Halbzeit, anderes Bild
In der Halbzeit nahmen beide Trainer leichte Anpassungen vor. So brachte di Matteo Ayhan für Fuchs, der von Aogo als Linksverteidiger (hatte zuvor im Mittelfeld gespielt) ersetzt wurde. Ayhan spielte fortan für Neustädter in der Abwehr, während dieser ins defensive Mittelfeld aufrückte.
Auch Zinnbauer reagierte auf den Spielverlauf. Gouaida ließ sich nun vermehrt ins (linke) Halbfeld neben Holtby fallen, während Jiracek nun vermehrt über die linke Außenbahn kam. Ein Schachzug, der sich bemerkbar machte.
Die Gastgeber spielten ihrerseits etwas passiver und wirkten mit zunehmender Spieldauer auch etwas müder. Dem HSV gelang es von Minute zu Minute besser, vor allem im Halbfeld in engen Situationen den Ball zu erobern, bzw. das eigene Spiel mit kontrollierten Pässen schnell(er) zu entwickeln. Außerordentlich gut gefiel mir Gouaida in dieser etwas tieferen Rolle, die er so ähnlich auch schon gegen den VfB gespielt hatte. Er zeigte genau das, was dem HSV viel zu oft bisher noch fehlt: Die Fähigkeit, Drucksituationen konstruktiv-spielerisch aufzulösen. Das hatte beinahe schon Spielmacherqualitäten.
Zunächst aber hatten erneut die Gastgeber über den außerordentlich agilen Choupo-Moting eine weitere Tormöglichkeit, als dieser sich in den Hamburger Strafraum durchspielen konnte. Doch Drobny war einmal mehr auf dem Posten (48.).
Zwei Minuten später hatte der gewohnt fleißige Holtby die Führung für die Hamburger auf dem Fuß, aber Fährmann konnte den gut platzierten Schuss gerade noch aus der Ecke fischen. Neun Minute später war es erneut Holtby, desser guten Eckstoß durch den Schalker Sechzehner segelte und von Freund und „Feind“ verpasst wurde (59.).
In der 77. Minute verpasste Gouaida nach schöner Vorarbeit von Jiracek den Führungstreffer, da er zu wenig Druck auf den halbhohen Ball bekam. Schade, denn die Hamburger zeigten in der zweiten Halbzeit eine klare Leistungssteigerung und dominierten die Schalker phasenweise – wer hätte dies vor der Begegnung für möglich gehalten?! – im eigenen Stadion.
Die letzten Torchancen hatte jedoch der FC Schalke 04. Erst prüfte erneut Choupo-Moting Drobny mit einem Distanzschuss, den Hamburgs Torhüter über die Querlatte lenkte. Und schließlich war es Neustädter, der nach einer Ecke am Pfosten des Hamburger Tores scheiterte (84.). Das Spiel endete daher leistungsgerecht mit einem Unentschieden.
Fazit
Schalke war in der ersten Halbzeit die überlegene Mannschaft, kam jedoch überwiegend nach Standards zu Torgelegenheiten, bei denen die HSV-Abwehr einige Schwächen offenbarte, jedoch auch das nötige Glück (Latte, Pfosten…) auf ihrer Seite hatte. Der HSV wusste in der zweiten Halbzeit zu gefallen und erspielte sich ein Übergewicht, sodass der Punktgewinn keineswegs unverdient wirkt.
Bester Mann auf dem Platz war in meinen Augen der Ex-Hamburger Eric-Maxim Choupo-Moting. Wie man (nicht nur) mit diesem Talent beim HSV umgegangen ist, wird mir wohl immer unverständlich bleiben. Bester Hamburger war m.E. Gouaida, der neben Holtby im Halbfeld dafür verantwortlich war, dass man endlich einige flüssige Spielzüge nach vorne sehen konnte.
Mit 17 Punkten verfehlt der HSV die von mir erhofften 19 Punkte. Der Punktgewinn auf Schalke ist jedoch psychologisch wichtig, da man ein Misserfolgserlebnis zum Ende der Halbserie vermeiden konnte.
Schiedsrichter: Schmidt (Stuttgart). Ohne nennenswerte Fehler. Gut.
So spielte der HSV: Drobny – Götz, Djourou, Cléber, Ostrzolek – Behrami – Holtby, Jiracek , N. Müller, Gouaida – Rudnevs