Luhukay

Der HSV unterliegt auswärts bei Hertha BSC verdient mit 3:0 (0:0)

Es hätte ja auch zu schön werden können. Am Freitagabend, so wurde mir via Twitter zugeraunt, trafen sich bereits die angereisten auswärtigen Mitglieder des HSV-Fanclubs, der Sitzkissenfraktion Auswärts, in Friedrichshain, was ich als Charlottenburger, einem seltenen Moment geistiger Klarheit folgend, ignorierte. Ich nahm also abends nicht die transsibirische U-Bahn in den Osten der Stadt, sondern blieb stattdessen brav zu Hause. Schließlich stand bereits am nächsten Morgen ein gemeinsamer Brunch auf dem Plan (Danke für die Einladung!). Am nächsten Morgen bestieg ich daher ausgeruht den Polarexpress, der mich wider Erwarten pünktlich – Berliner kennen ihre S-Bahn und wissen, was ich meine –  in Richtung Prenzlauer Berg beförderte. Der Veranstaltungsort, Treff25, war nicht schwer zu finden, liegt er doch genau gegenüber der Berliner HSV-Fan-Kneipe, dem Dubliner. Vor Ort gab es ein überaus reichhaltiges Büffet, allerdings, so schien es mir, laborierte der eine oder andere zu dieser unchristlich frühen Stunde (11 Uhr) noch an den Nachwirkungen seiner vorangegangenen nächtlichen Streifzüge… Aber die Sitzkissenfraktionäre können eben feiern. Und so soll es ja auch sein.

Gut gestärkt ging es nach dem Brunch für mich geschwind zurück gen Heimat, wo bereits die unerbrittliche MrsCgn nebst Gatten, K1 und zwei weiteren Kindern wartete. Gemeinsam fuhren wir dann optimistisch und gut gelaunt zum Olympiastadion. Der Zugang ins Innere verlief äußerst zügig und reibungslos, allerdings stolperten wir gleich hinter der Eingangskontrolle fast in eine handfeste Auseinandersetzung zweier Herren, die unter Ernährung offensichtlich den übermäßigen Konsum von Gerstensaft verstanden hatten. Ich erwähne dies nur, weil es zu den unschönen Begleitumständen eines Stadionbesuchs zählen kann, gerade wenn man sich in Begleitung von Kindern befindet. Aber dank Ordnungsdienst und Polizei wurde die Rauferei sofort unterbunden. Das darf man bei aller sicher oft angebrachten Kritik im Zusammenhang mit der Thematik Sicherheit in und um die Stadien auch einmal lobend erwähnen, finde ich.

Im Stadion nahmen wir unsere Plätze auf der Tribüne unweit des prall gefüllten Gästeblockes ein. Auch um uns herum saßen weitere „HSVer“, die uns mit versierten Kommentaren erheiterten:

„Wer ist denn die 7 bei uns?“
„Das ist Jansen.“
„Das hätte ich jetzt auch gesagt“.

Es geht doch nichts über profunde Kenntnisse des aktuellen Kaders der eigenen Mannschaft.

HSV-Trainer Zinnbauer überraschte einmal mehr und ließ Holtby zu Beginn auf der Bank. Für ihn spielte eben jene Nummer Sieben. Die Aufstellung las sich daher wie folgt:

Drobny – Götz, Djourou, Westermann, Ostrzolek – Arslan (46. Holtby), Behrami, N. Müller, van der Vaart (66. Green), Jansen – Lasogga (74. Nafiu)

Der HSV kam zunächst gut ins Spiel. Die ersten 15 Minuten gehörten eindeutig der Auswärtsmannschaft. Leider war es dann bereits vorbei mit jeder Herrlichkeit aus Sicht des HSV-Anhangs. Zunehmend übernahm Hertha die Spielkontrolle, bei der bereits in der ersten, noch torlosen Halbzeit der auch in Hamburg bekannte Änis Ben-Hatira zu gefallen wusste.

Die Berliner variierten geschickt zwischen Mittelfeld- und Offensivpressing und kamen zu zahlreichen Balleroberungen. Vor allem in der ersten Halbzeit meinte ich zu sehen, dass sie ihr Spiel meist über ihre rechte Seite entwickelten, wo Ostrzolek des Öfteren seine liebe Müh‘ und Not zu haben schien, um die Berliner Angriffe über seine Seite zu stoppen. Ich hatte allerdings den Eindruck, dass er auch durch seine Kollegen (hier vor allem Jansen und Arslan) nur unzureichend unterstützt und abgesichert wurde.

Der HSV seinerseits verfiel bei eigenem Ballbesitz in ein leider bekanntes Muster: Die Angreifer bewegten sich vorne zu wenig und verharrten viel zu häufig im Deckungsschatten der Berliner Defensive. Die Folgen waren:

1. abgefangene Pässe in der Vorwärtsbewegung, die schnelle Gegenstöße des Gegners ermöglichten;
2. Zunehmende Unruhe, Unsicherheit und Ideenlosigkeit spätestens im Übergang ins s.g. letzte Drittel, die sich dann in der zweiten Halbzeit schon auf den Übergang zwischen erstem und zweiten Drittel, also zunehmend in Richtung jener Spielfeldzone ausdehnte, in welcher der Spielaufbau erfolgt;
3. Stetig zunehmender Anteil langer, hoher Bälle von Drobny.

Lasogga konnte kaum hohe Bälle festmachen. Der prinzipiell gefährliche Nicolai Müller wurde durch die taktisch von Luhukay bestens eingestellten Herthaner erfolgreich neutralisiert und trat kaum in Erscheinung. Bei van der Vaart waren in einem Laufduell mit Skjelbred deutliche läuferische Defizite zu bemerken. Auch er wurde von den Herthanern praktisch abgemeldet. Da der HSV meiner Erinnerung nach auch im gesamten Spiel nicht zu einer einzigen, nennenswerten Freistoßchance kam, deren Nutzung ja grundsätzlich als eine Stärke van der Vaarts anzunehmen ist, fehlten für mich angesichts dieser schwachen Leistung van der Vaarts wesentliche Gründe, die seinen Einsatz rechtfertigten. Aber wenn man aus dem Rathaus kommt…

Bereits in der ersten Halbzeit sah man diverse Kopfballstafetten zwischen beiden Mannschaften im Mittelfeld, die am Ende mehrheitlich zugunsten der Hausherren verliefen. Mit anderen Worten: Der HSV spielte zu wenig Fußball. In der zweiten Halbzeit sollte sich dieser negative Trend fortsetzen. Auch der Halbzeitwechsel Zinnbauers von Arslan zu Holtby, eine moderat offensivere Ausrichtung der Mannschaft, sollte daran nichts ändern.

In der 58. Minute prüfte Ndjeng mit einen Distanzschuss die Bruchsicherheit der Querlatte des HSV-Tores. Eine Minute später hatte Jansen aus ca. 10 Metern und halblinker Position die große Chance, den Führungstreffer zu erzielen. Warum ihm dies letztlich misslang, bzw. warum Kraft im Tor der Berliner diese Chance vereiteln konnte, ließ sich aufgrund meiner Entfernung zum Ort des Geschehens (andere Stadionseite) nicht beurteilen. Fast im direkten Gegenzug  wurde der HSV von den Gastgebern klassisch ausgekontert. Nach einer sehenswerten Kombination landete der Ball am Ende beim starken Ben-Hatira, der Drobny keine Abwehrchance ließ. Das 1:0 in der 59. Minute.

Anders noch als zuvor gegen die TSG Hoffenheim fand der HSV dieses Mal keine Mittel, um die Wende herbeizuführen. Zunehmend wirkte das Spiel der Mannschaft auf mich in einer Weise hilflos, wie man es unter Zinnbauer bisher nicht sah. Man bekam keinen Zugriff in den Zweikämpfen, verlor die zweiten Bälle und konnte, wie bereits erwähnt, auch keine Freistoßchancen in Strafraumnähe herausarbeiten. Letzteres belegt ebenfalls die defensiv erstklassige Leistung der Gastgeber.

Die HSV-Abwehr stand hoch, aber da man den Ball in der gegnerischen Hälfte kaum  behaupten konnte, lief man regelmäßig den schnellen Gegenstößen der Hertha hinterher. Nun zeigte sich meines Erachtens auch, warum Zinnbauer vor der Partie dem Hype des Hamburger Boulevards um Götz mit der Bemerkung begegnete, dass für ihn im Normalfall Diekmeier klar vor dem jungen Rechtsverteidiger-Talent stünde. Es wäre gewiss verfehlt, Ashton Götz die Schuld für die Niederlage zu geben, aber man sah doch in einigen Situationen, dass er noch einige Zeit benötigt, um in der ersten Bundesliga vollends anzukommen.

Als Zinnbauer gerade den schwachen van der Vaart für Green auswechseln wollte, drückte Heitinga nach einem konfusen Defensivverhalten der Hamburger Abwehr den Ball zum 2:0 über die Linie (66.). Im Grunde war das Spiel zu diesem Zeitpunkt bereits entschieden, denn dem HSV fehlte weiterhin jegliche Mittel.

Ins Bild passte, dass Zinnbauer Lasogga ausgerechnet in Berlin vorzeitig vom Feld holte, ohne dass eine Verletzung dies erzwang. Für Hamburgs Wandstürmer kam der junge Nafiu zu seinem Bundesligadebüt. Ich interpretiere dies als Versuchs Zinnbauers, dem schnellen Nicolai Müller zwei weitere, schnelle und  bewegliche Leute an die Seite zu stellen, um so die sicher wirkende Abwehr der Herthaner vielleicht doch noch zu überlisten. Ich gestehe, wäre ich an Zinnbauers Stelle gewesen, ich hätte stattdessen mit Nafiu gegen Müller eins zu eins gewechselt, denn von Müller war außer der Anfangsphase praktisch nichts zu sehen. Aber damit will ich keineswegs Zinnbauers Entscheidung kritisieren, sondern nur meine andere Bewertung zum Ausdruck bringen.

Der Treffer zum 3:0 (erneut durch Ben-Hatira) in der 85. Minute ist aufgrund der taktischen Ausgangslage, bzw. der geringen verbleibenden Restspielzeit nur noch ein Fall für die Statistik.

Fazit: Am Ende verlor der HSV auch in der Höhe mehr als verdient. Aus meiner Sicht war das der erste, eindeutige Rückschritt unter Leitung des neuen Cheftrainers. Das muss man nicht dramatisieren, ist gleichwohl aber eben exakt so zu benennen.

Schiedsrichter: Kinhöfer (Herne). Hatte einige enge Entscheidungen zu treffen. Aufgrund meiner meist (zu) großen Entfernung zum Ort des Geschehens werde ich mich jedoch hüten, ihm Fehlentscheidungen zu unterstellen, zumal ich bisher keine Fernsehbilder der Partie sehen konnte. An der Niederlage war er gewiss nicht schuld.

Nach dem Spiel fuhr ich gemeinsam mit meiner Begleitung zurück nach Hause, wo sich dann unsere Wege trennten. Ich machte mich dann erneut auf den Weg, um gemeinsam mit den Sitzkissenfraktionären die Wunden zu lecken. Denn in diesem Fall galt tatsächlich: geteiltes Leid, ist halbes Leid. Am Ende wurde die Nacht lang, feucht und sogar ein wenig fröhlich. Der Tag nahm also ein versöhnliches Ende, auch wenn das Fernbleiben des Sitzkissenfraktionärs und Quoten-Krefelders unter den Lesern dieses Blogs,  Cosmo aka GroteRuetze (Twitter), schärfstens zu missbilligen bleibt.

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Lasogga/Calhanoglu – ein Kommentar

Was die Spatzen seit Tage von den Dächern pfiffen, ist ab heute fix: Der Hamburger Sportverein verpflichtet Pierre-Michel Lasogga von Hertha BSC und lässt im Gegenzug Hakan Calhanoglu zu Bayer 04 Leverkusen ziehen. Beide Spieler unterzeichneten bei ihren aufnehmenden Vereinen neue Arbeitsverträge, die jeweils eine Laufzeit von fünf Jahren haben sollen.

Während die Verpflichtung des bis dahin ausgeliehenen Torjägers der vergangenen Saison, Lasogga, in Hamburg mehrheitlich enthusiatisch begrüßt wird, wird man dem abwandernden jungen Türken, immerhin zweitbester Torschütze in derselben Saison, wohl kaum eine Träne nachweinen. Dem „Neuzugang“ wird flugs die „Raute im Herzen“ im Herzen unterstellt, dem Abgewanderten ein „Söldner!“ – bestenfalls – hinterhergerufen.

Ich freue mich, dass es dem HSV gelungen ist, Lasogga langfristig zu binden (Willkommen zurück!), denn ich mag seine leidenschaftliche Art zu spielen. Gleichzeitig bedauere ich grundsätzlich, dass der Verein mit Calhanoglu ein großes Talent und einen hervorragenden Standard-Schützen verliert. Calhanoglus Verhalten in den vergangenen Wochen kann muss man allerdings  scharf kritisieren. Angefangen von seinen noch nicht lange zurückliegenden Treueschwüren bei der vorzeitigen Verlängerung seines Vertrages in Hamburg, über seinen unvermittelt kommunizierten Wunsch, sich sportlich weiterzuentwickeln und CL mit Leverkusen zu spielen, bis zu seiner Krankschreibung aufgrund angeblicher, erheblicher psychischer Beeinträchtigungen als Folge der tatsächlichen oder von ihm befürchteteten Fan-Reaktionen in Hamburg. Angefangen bei seinem naseweisen Fingerzeig auf van der Vaarts damalige „Valencia“-Aktion, über seine auf Facebook geäußerte Bitte, man solle seine sportlich höchsten Ambitionen bitte verstehen, über Fotos, auf denen er während seiner Krankschreibung lachend im Café sitzend zu sehen war – ein einziges selbst verschuldetes Kommunikationsdesaster. Dafür trägt im Wesentlichen er, bzw. sein Berater die volle Verantwortung.

Ein Spieler, der gerade mal eine wenn auch bemerkenswerte Saison als Erstligaspieler vorzuweisen hat, wäre besser beraten gewesen, wenn er seinen Namen nicht schon in einem Atemzug mit den ganz Großen des Weltfußballs genannt hätte. Abgesehen davon, Herr Calhanoglu, kann das Fehlverhalten eines anderen die Legitimität des eigenen Verhaltens nicht begründen. Es mag dahingestellt bleiben, ob die Krankschreibung sachlich-fachlich begründet gewesen ist, oder ob es sich hier nur um einen weiteren Griff in die Trickkiste handelte, der den Vertragspartner HSV an den Verhandlungstisch mit Leverkusen zwingen sollte. Der Imageschaden für den Spieler Calhanoglu dürfte m.E. in jedem Fall beträchtlich sein. Darüberhinaus, das muss einen Profi zwar nicht zwingend interessieren, darüber könnte man jedoch auch einmal nachdenken, hat er das Bild bei den Fans, des letztlich nur auf seinen eigenen (pekuniären) Vorteil bedachten Söldners, nachhaltig befeuert. In Zeiten, in denen Profis  regelmäßig das Emblem des jeweils aktuellen Arbeitgebers küssen, um vermeintliche Verbundenheit und Identifikation zu suggerieren, wird so nachhaltig der Eindruck unterstützt, dass es sich hierbei meist nur um Show, bzw. eine Farce handelt.

Lasogga spielt also zukünftig für den HSV. Interessant fand ich seine Begründung, er habe sich nicht gegen Hertha sondern für den HSV entschieden, weil sich die Hamburger ernsthaft um ihn bemüht hätten,  während er nicht bei allen Vertretern der Hertha den gleichen Eindruck gehabt habe. Das kann man so sehen, oder eben auch nicht. Denn im Grunde wusste in Berlin jeder, dass Herthas Trainer Luhukay grundsätzlich einen anderen Typ Stürmer als Lasogga favorisiert. Daher durfte man  alle Aussagen der Hertha-Verantwortlichen getrost unter dem Gesichtspunkt werten, dass man in den Verhandlungen mit den Hamburgern lediglich eine möglichst hohe Ablösesumme erzielen wollte. Das ist legitim und nachvollziehbar, hat aber mit tatsächlicher Wertschätzung dieses Spielers in Berlin nur bedingt zu tun. Mit anderen Worten: wirklich halten wollte die Hertha Lasogga ganz offensichtlich nicht. Und die Vertragsunterschrift beim HSV wird für Lasogga mit einer deutlichen Gehaltsanhebung verbunden sein, was ihm die Entscheidung für den HSV gewiss nicht erschwert haben dürfte. Ich will Pierre-Michel nichts unterstellen, aber ich sehe seine Äußerungen daher nüchtern. Ob er nun wirklich die (zu häufig) zitierte „Raute im Herzen“ hat, weil er sich für den HSV entschieden hat, wie manche zu glauben scheinen, das darf man aber wohl bezweifeln. Das ist für mich aber auch nicht entscheidend. Ich freue mich einfach, dass er als stets einsatzfreudiger und treffsicherer Stürmer wohl  zumindest die nächsten zwei, drei Jahre für den HSV auf Torejagd gehen wird.

In diesem Zusammenhang finde ich es richtig, dass sich der HSV von Calhanoglu trennt, um die Verpflichtung Lasoggas aus eigenen Mitteln stemmen zu können. Alle anderen diskutierten Modelle, etwa ein Kredit von Herrn Kühne, der später, wie man hörte, nach dessen Vorstellungen in Anteile an der HSV-AG umgewandelt werden sollte, sah ich zunehmend kritisch. Zu groß erscheint derzeit der Flurschaden, den Herr Kühne durch seine Interviews bei Mitgliedern und Anhängern des Vereins, insbesondere bei denen, die die Ausgliederung ablehnten, angerichtet hat. Dem aufkommenden Eindruck, dass die HSV-AG am Gängelband eines einzelnen Herrn hängt, wurde zumindest entgegengewirkt.

Dem Spieler Calhanoglu kann man nur erneut dringend raten, den Berater zu wechseln und kritisch sein eigenes Verhalten zu reflektieren. Wanderer soll man nicht aufhalten, heißt es. Daher sage ich als Hamburger  einfach: Und tschüß.