van der Vaart

wer aufgibt, der ist bereits abgestiegen

Der HSV hat wieder verloren. Das ist bedauerlich. Dass man zu Hause gegen die Hertha mit 0:1 das Nachsehen hatte, also gegen einen unmittelbaren Konkurrenten ein s.g. Sechs-Punkte-Spiel abgab, macht die Aufgabe, Vermeidung des Abstiegs, gewiss nicht einfacher.

Machen wir uns nichts vor, die sportliche Lage ist ernst und im höchsten Maße besorgniserregend. Es werden immer weniger Spiele, in denen man – theoretisch – punkten könnte. Und unverändert sind eklatante spielerische Defizite zu beobachten. Festzustellen bleibt auch, dass es der Mannschaft bisher kaum gelingt, tatsächlich zwingende, eigene Torchancen herauszuspielen. Unter derartigen Umständen genügen ein, zwei Fehler im eigenen Abwehrverhalten, schon geht man als Verlierer vom Platz. Insbesondere dann, wenn man sich regelmäßig durch Feldverweise selbst dezimiert.

Ich habe einen feldüberlegenen HSV gesehen, der sich einige  Halbchancen herausspielte, der aber auch kurz vor der Pause beinahe schon in Rückstand geraten wäre. Dass Adler lange Zeit Mühe hatte, sich mangels Beschäftigung warm zu halten, sagt bereits vieles über das Spiel. Aus Sicht der Hamburger gelingt es unverändert einfach zu selten, tatsächliche Vorteile aus dem Ballbesitz zu ziehen.

Der Verein müsse nun reagieren, las ich beiläufig. Gemeint war, ein anderer Trainer solle die Aufgabe Nichtabstieg für die verbleibenden Spiele übernehmen. Mit Verlaub, die Behauptung eines nun zwangsläufigen Trainerrauswurfs ist für mich eine Konstruktion in den Köpfen der Verfasser und gibt Auskunft über deren Ängste. Mehr nicht.

So verständlich und nachvollziehbar die zunehmende Abstiegsangst des Hamburger Anhangs auch ist – Angst und Aktionismus sind im Sport keine guten Ratgeber. Dies gilt gerade für prekäre Situationen. Eigentlich sollte man dies gerade in Hamburg inzwischen gelernt haben.

Wer Zinnbauer ablösen und durch einen neuen Trainer ersetzen will, der sollte zunächst mal eine Alternative vorlegen. Die sehe ich weit und breit nicht. Der gerade in Hamburg gerne als vermeintlicher Wundertrainer gepriesene Felix Magath passt m.E. weder in die neuen Strukturen, noch kann er tatsächlich Wunder bewirken, wie sich erst unlängst beim Fulham FC eindrucksvoll erwies.

Dass mit Lasogga, Holtby, Behrami und Diaz gleich mehrere gedachte Stützen der Mannschaft lange Zeit verletzt ausfielen und z.T. weiterhin nicht zur Verfügung stehen, dies kann man Zinnbauer nicht ankreiden. Dass er versucht, sie schnellstmöglich in die Mannschaft einzubauen, auch nicht. Davon abgesehen: Für die angesichts der letzten Jahre beinahe schon notorisch zu nennende, unsachkundige Zusammenstellung des Kaders trägt Zinnbauer aus meiner Sicht noch die geringste Verantwortung. Nur sie ausbaden, das darf er.

Selbstverständlich hat Zinnbauer auch Fehler gemacht. Die Idee aber, man müsse nur irgendeinen Wundertrainer holen, der dann absolut fehlerlos arbeiten und den Erhalt der Liga garantieren würde, ist eine ans Wahnhafte grenzende Erlösungsfantasie. Wie weit so etwas trägt, lässt sich gerade auch beim ebenfalls akut abstiegsgefährdeten VfB Stuttgart besichtigen, wo bekanntlich der vergleichsweise zu Zinnbauer erfahrenere Huub Stevens als Trainer ebenfalls in der Kritik steht.

Da sich die Saison dem Ende entgegen neigt muss jeder Trainer, egal ob er nun weiterhin Zinnbauer heißt oder nicht, punkten. Das bleibt unbestreitbar. Dabei helfen könnte, dass mit jedem Training  gedachte, aber bisher leider verletzt ausgefallene Leistungsträger wieder in Form kommen dürften. Die unbestreitbaren spielerischen Defizite sind für mich mindestens zu einem erheblichen Teil auch Folge dieser erzwungenen permanenten personellen Umstellungen.

Natürlich könnte es auch einen Punkt geben, an dem man sich auch von Zinnbauer trennen müsste. Nämlich dann, wenn man den Eindruck hätte, er würde die Mannschaft mit seiner Art, seinen Methoden nicht mehr erreichen. Dafür sehe ich jedoch bisher keine Anhaltspunkte.

Eins bleibt für mich daher sonnenklar: Wer den HSV jetzt schon abschreibt, der ist im Kopf bereits abgestiegen. Der HSV ist es auch nach diesem enttäuschenden Ergebnis nicht.

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Punktgewinn gegen Dortmund. HSV – BvB 0:0 (0:0)

Ursprünglich wollte ich  hier gestern, also noch relativ zeitnah zum Spiele gegen den BvB, meinen Artikel zum Spiel veröffentlichen. So war der Plan. Aber die berufliche Belastung seit Ende Februar fordert nun einmal ihren Tribut, sodass ich leider erst heute zum schreiben komme. Ich werde daher von der von mir gewohnten Form des ausführlichen Spielberichts abweichen, zumal es taktisch beim HSV in dem Spiel gegen die Dortmunder ohnehin nicht sonderlich viel neues zu entdecken gab und mich auf ein knappes Resümee beschränken, bevor ich mich dann den Themen widme, die derzeit unter den HSV’ern kontrovers diskutiert werden.

Hamburger SV – BvB: 0:0 (0:0)

Was die Mannschaftsaufstellung betraf, so waren drei wesentliche Veränderungen festzustellen:

Drobny – Diekmeier, Djourou (18. Marcos), Cléber, Westermann – N. Müller, Behrami (60. Kacar), Jiracek, Gouaida (82. van der Vaart) – Stieber – Olic

Cléber ersetzte den leider wieder verletzten Pechvogel des HSV, Rajkovic, und Westermann, erneut auf einer anderen Position!, erhielt als Linksverteidiger den Vorzug vor Marcos. Zudem kehrte Behrami zurück ins Team und verdrängte Kacar.

Spielwertung: Taktisch agierte der HSV gegen den Ball im bereits gewohnten 4-4-2, wobei die Mittellinie als loser Orientierungspunkt für die vordere Viererkette diente. Mit anderen Worten: Die Mannschaft war bestrebt, vor allem in der eigenen Hälfte die Räume zu verengen, um dann dort durch punktuelle personelle Überzahl zu Ballgewinnen zu kommen, die dann zum kontern genutzt werden sollten. Oder anders ausgedrückt: Der HSV spielte, die Realitäten im Blick, zu Hause im Stil einer Auswärtsmannschaft gegen einen sportlich überlegenen Gegner. Spielerisch sah man aus Sicht der Hamburger einige gute Ansätze, die aber unverändert zu oft im Angriffsdrittel verschenkt wurden.
Am Ende erkämpfte sich der HSV einen Punkt gegen die wieder erstarkten und klar im Aufwind befindliche Dortmunder. Für mich ist das weniger als erhofft, aber angesichts des klaren Aufwärtstrends des BvB ein Punktgewinn, mit dem man leben können sollte.

Schiedsrichter: Gagelmann (Bremen). Ob der Ellbogeneinsatz Behramis in der 2. Minute gegen Mkhitaryan einen Platzverweis nachsichziehen muss, finde ich diskutabel. Gelbwürdig war er aber in jedem Fall! Verzichtete auch später bei Behrami nach Foul an Bender auf die spätestens dann fällige,  zweite gelbe Karte. Glück für den Schweizer in Diensten des HSV, schwach von Gagelmann. Je länger das Spiel andauerte, desto häufiger waren seine Entscheidungen nicht mehr nachvollziehbar.

Aggressiv Leader

Womit ich bei Behrami wäre. Dass Joe Zinnbauer den kaum genesenen Schweizer wieder in Team beförderte, kann ich aus seiner Sicht nachvollziehen. Er opferte aus dem Duo Jiracek/Kacar damit den spielerisch für mich besseren Spieler zugunsten des laufstärkeren. Damit war die Richtung vorgegeben: Den Spielfluss der Borussia unterbrechen und ihr keine Räume anbieten.

Aus dem Rathaus kommend muss man aber bilanzieren, dass Behrami normalerweise vom Platz geflogen wäre. Insofern ist die Nominierung Behramis nur durch eine schwache Schiedsrichterleistung nicht bestraft worden. Dass dem Schweizer aufgrund seiner Verletzungspause noch das Timing fehlte, wie Zinnbauer nach dem Spiel entschuldigend anführen wollte, mag zwar sein, aber schließlich hat er  ihn selbst nominiert. Ergo muss er auch mindestens zum Teil diesen überharten Auftritt seines Spielers mitverantworten.

Behrami ist ein unbequemer, durchweg aggressiv und nickelig spielender Gegenspieler. Er ist in meinen Augen eine klare Verstärkung, wandelt jedoch mit seiner Spielweise auf einem schmalen Grat. Insofern hätte es meines Erachtens gleich mehrere Argumente gegeben, um mit Jiracek/Kacar zu beginnen und Behrami erst später zu bringen.

Bester Mann Westermann – „HW4“ oder „Vollpflaume“?

Am Heiko scheiden sich die Geister des HSV-Anhangs. Ich habe hier zuletzt mehrfach sachlich begründet, warum ich ggf. eine Vertragsverlängerung mit Heiko Westermann kritisch sehe. Äußerst ärgerlich und absolut inakzeptabel finde ich jedoch, dass hier ein Spieler, der sich immer vorbildhaft in den Dienst der Mannschaft stellt, von Teilen des Anhangs derart geschmäht wird. Das hat er eindeutig nicht verdient.

Gegen den BvB spielte HW4 wieder einmal auf einer anderen Position. Wer mal selbst gegen den Ball getreten hat, der wird/sollte wissen, dass diese permanenten Umstellungen auch für einen erfahrenen Spieler nicht ganz einfach sind. Und neben der wieder sehr erfreulichen Leistung Clébers, war für mich der absolut tadellose Auftritt Westermanns bemerkenswert. Zumal er im laufenden Spiel kurzfristig dann den Platz des verletzten Djourous einnehmen musste. Wer hier argumentiert, dies sei nun nicht weiter erwähnenswert, da Westermann schließlich gelernter Innenverteidiger sei, dem halte ich entgegen, dass es z.B. bei Djourou einen gewaltigen Unterschied macht, ob er als rechter (gut) oder linker Innenverteidiger (problematisch) spielt. Daher ein großes Kompliment an HW4 für diese Leistung.

Heiko Westermann, niemand wird dies bestreiten, hat immer wieder kapitale „Klöpse“ in seinem Spiel. So gesehen  ist er anscheinend inzwischen die ideale Projektionsfläche für all diejenigen, die das Gerede vom Umbruch in der Mannschaft nicht mehr hören können oder wollen.

Leider hat der HSV in der Vergangenheit viel zu lange und viel zu oft mit leeren Ankündigungen operiert. Zur Tradition des HSV der letzten drei Jahrzehnte gehört für mich, dass man sich selbst notorisch überschätzt, seine Kompetenz-Defizite ignoriert und die sportlichen Ziele zu hoch gesteckt hat. Man hat beständig Erwartungen, auch die vom Umbruch!, geschürt, die man dann nachfolgend kaum je einlösen konnte. Das ist aber in erster Linie ein Problem des Vereins und seines in Teilen offenbar unzufriedenen Anhangs, nicht des Spielers. Wer Heiko Westermanns Fehler kritisiert, der sollte mindestens anerkennend loben, dass er auch sehr, sehr starke Spiele wie eben gegen den BvB abliefert und sich immer – immer! – für das Team aufopfert. Ich möchte nicht wissen, wieviele Vorgesetzte des pfeifenden Anhangs dies von ihren Mitarbeitern sagen würden…

Dass der vielfach angekündigte Umbruch länger dauert, als dies offenbar viele inzwischen zu akzeptieren bereit sind, ist auch Folge der Tatsache, dass man sich trotz mehrfacher Versuche von einigen Spielern nicht trennen konnte. So gesehen liegen die Gründe dafür zu einem erheblichen Teil in der Vergangenheit. Wer mit der derzeitigen Situation hadert, der muss sich fragen lassen, wessen Lied er denn gesungen hat, als die Führungsgremien von Maulwürfen durchseucht beständig sportliche Luftblasen produzierten. Ich finde es beschämend und ärgerlich, wie sich hier einige einen Spieler als Sündenbock herausgepickt haben, um sich selbst aus der Verantwortung zu stehlen.

Fazit: Ich betrachte den Punkt gegen den BvB als eindeutigen Punktgewinn. Klar ist, dass das Spiel des HSV nach vorne weiter verbesserungswürdig bleibt. Für eine in Ansätzen schwelende Trainerdiskussion fehlt mir jedoch jedes Verständnis. Absolut jedes Verständnis.