Arnesen

Heute Heilsbringer beim HSV, gestern als angeblich bundesligauntauglich aussortiert…

Das ging ja wieder schnell: Gestern Rajkovic, heute Mancienne (und morgen Tesche?) – aussortiert, verfemt und als angeblich bundesligauntauglich längst abgeschrieben, sind sie plötzlich unverzichtbar. Vom kommenden (Super-)Star zum Aussetzigen und retour. Dazu gesellen sich u.a. Rudnevs, Skjelbred und Berg – in Hamburg durchgefallen, fanden sie allem Anschein nach andernorts ihr Glück. Man könnte es sich einfach machen und mit der Behauptung, so sei eben Fußball, manchmal passe es und manchmal eben nicht, den Artikel sogleich beenden. Ich glaube dennoch, dass es lohnen könnte, sich mit einigen grundsätzlichen Fragen zu beschäftigen.

Betrachten wir zunächst die s.g. Chelsea-Boys (Mancienne, Rajkovic, Bruma, Töre). Ich behaupte, dass diese in Hamburg zunächst unter zwei Nachteilen zu leiden hatten:

1. Sie waren jung, kamen aus einer fremden Liga, hatten dort teilweise überwiegend im Nachwuchs gespielt, d.h. wenig PL-Erfahrung auf höchstem Niveau gesammelt und kannten den speziellen Stil der (Ersten) Bundesliga nicht;

2. Als angebliche Belege für fehlgeschlagene Arnesens Tranfers wurden sie in Hamburg von interessierter Seite dazu benutzt, um die Demission des damaligen Sportdirektors zu betreiben, bzw. nachträglich zu rechtfertigen.

Göhan Töre wurde nach nur einer Saison noch unter Frank Arnesen mit Gewinn an Rubin Kasan  abgegeben und ist derzeit bei Besiktas Istanbul unter Vertrag. Der hochveranlagte Bruma wechselte vor dieser Saison in die Ehrendivisie zum PSV Eindhoven zurück. Bleiben also noch Michael Mancienne und der leider unlängst schwer verletzte Rajkovic. Ist man in Hamburg nunmehr gewillt, beiden Spielern Bundesligatauglichkeit zu bescheinigen, so kann man kaum umhin kommen, in diesem Zusammenhang Arnesen eine Trefferquote von drei aus ursprünglich vieren zu attestieren. Nicht schlecht, wenn man in Rechnung stellt, dass jeder Transfer gewisse Unwägbarkeiten beinhaltet und man gerade bei jungen Spielern stets damit rechnen muss, dass nicht jedes Nachwuchstalent auch im Seniorenbereich die Erwartungen einlöst. Eigentlich sollte man das beim HSV längst wissen. Copado, Wuttke und Schatzschneider, um nur einige Fälle zu nennen, lassen grüßen.

Aus meinem ersten Punkt wäre abzuleiten gewesen, dass man von Seiten des Vereins Geduld und grundsätzliches Verständnis hätte aufbringen müssen. Aber Rajkovic wurde, nachdem er sich eine Rangelei beim Training mit dem Südkoreaner Son geliefert hatte, als alleiniger Sündenbock ausgeguckt, während Werbeträger Son, der „Transmissionsriemen“ [Anm: Insider-Scherz] des HSV zum asiatischen Markt…, unverständlicherweise straffrei ausging. Damit soll das Vergehen Rajkovic keineswegs nachträglich entschuldigt werden, jedoch mit Nachdruck nochmals auf eine in der Sache nicht nachvollziehbare Ungleichbehandlung hingewiesen werden. Es folgte, was zwar nicht zwingend aber aus Sicht des Spielers doch durchaus verständlich war: Rajkovic ging in einem törichten Interview seinen damaligen Trainer Fink frontal an, womit er endgültig sein Schicksal in Hamburg besigelt zu haben schien. Slobodan, der Prügler des Sunnboys und Medienlieblings Son, ohnehin gehandicapt als Transfer des angeblich unfähigen Arnesen und dann noch den Vorgesetzten öffentlich angehen – zwischenzeitlich gewann man aufgrund der Berichterstattung den Eindruck, ein talentfreier,  charakterloser Schwerstkrimineller stünde am Pranger. Da half dem Spieler auch nicht, dass er nach einiger Zeit sein Fehlverhalten einsah, sich öffentlich entschuldigte und nachdrücklich Besserung gelobte. Der Verein, als Arbeitgeber moralisch in einer Fürsorgepflicht und aus Eigennutz ansich mit dem Interesse, Marktwerte der Spieler zu erhalten, bzw. wenn möglich deutlich zu steigern, erklärte Rajkovic mit einer ganze Reihe anderer, gleichfalls aussortierter Spieler zur Persona non grata.

Mancienne, der den urprünglich höher eingeschätzten Bruma als Innenverteidiger ausgestochen hatte und bis zu einer schweren Verletzung Bänderverletzung im Sprunggelenk, die ihn zu rund zwei Monaten Pause zwang, ordentlich gespielt hatte, fand sich nach seiner Rückkehr überraschenderweise ebenfalls im Kreis derjenigen wieder, die der Verein in Person des neuen Sportdirektors Kreuzer mit Macht vom Hof jagen wollte. Es verging praktisch keine Woche, ohne dass Kreuzer via Boulevard trompetete, dass es für keinen der Aussortierten jemals mehr ein Zurück ins HSV-Trikot geben würde. Fairerweise sei zu Kreuzers Gunsten allerdings angeführt, dass die finanzielle Lage des Vereins zu der Vorgabe des Vorstandes führte, den Personaletat deutlich zu senken. Eine Vorgabe, die er bisher übrigens klar verfehlt haben dürfte, obwohl ihm, im Gegensatz zu Arnesen, angeblich ein Millionenbetrag zur Verfügung gestellt wurde, der abwanderungswilligen Spielern den Ausstieg aus ihren Verträgen schmackhaft machen sollte.

Rudnevs, trotz ätzender Fehlurteile des Boulevards, mit 12 Toren in seiner ersten Saison durchaus als Stürmer in Hamburg erfolgreich, wurde dem Vernehmen nach zu lächerlichen Konditionen an 96 abgeben, wo er prompt das Vertrauen erneut mit Toren zurückzahlte; Berg, einer seiner Vorgänger, in Hamburg nie wirklich angekommen und akzeptiert, wechselte nach Griechenland zu Panathinaikos Athen und steht in der laufenden Saison bei 13 Toren und 7 Vorlagen. Und schließlich Skjelbred, ein weiterer Beleg für die angebliche Unfähigkeit Arnesens: Er ist inzwischen bei Hertha BSC unumstritten und außerordentlich beliebt. Er darf dort aber aus der Zentrale, wo eindeutig seine Stärken liegen, das Spiel lenken, anstatt als Notnagel nur sporadisch auf den Halbpositionen oder der für ihn noch ungeeigneteren Außenbahn zu verhungern.

Auf der Gegenseite zu den zuvor Genannten stehen Namen wie Rost, Mathijsen, Jarolim aber auch Trochowski. Spieler, die einmal in Hamburg etabliert und mit den üblichen Claqueuren des Boulevards verbandelt, unter Artenschutz standen. Um nicht falsch verstanden zu werden: alle diese Spieler haben unbestreitbare Qualitäten und Verdienste. Ihre jahrelange Unumstrittenheit ist zunächst daher vollkommen verständlich. Dennoch, so meine ich, hätte man viel früher beim HSV realisieren müssen, dass sich der Fußball mindestens in der Budesliga speziell in den letzten Jahren stark verändert hat. Kennzeichnend scheint mir hier die stetige Beschleunigung der Spielgeschwindigkeit, das inzwischen oft zitierte vertikale Spiel, Häufigkeit und Bedeutung des (Offensiv-)Pressings und damit auch die wachsende Bedeutung der Rolle von Torhütern und Verteidigern in Sachen Spielaufbau. Ich behaupte also: Hätte der HSV kontinuierlich einen qualifizierten Sportdirektor beschäftigt, statt sich den prinzipiell unverzeihlichen Fehler zu erlauben, diese Position im Grunde zwei Jahre unbesetzt zu lassen, dann wären zwei Grundfehler unwahrscheinlicher geworden: Man hätte durch das überlange Festhalten an etablierten Platzhirschen nicht den Anschluss auch an das Spiel ansich verloren, und man hätte geduldiger und verständiger den Neuaufbau der Mannschaft betreiben können. Das hätte helfen können, Geld zu sparen. Vor allem wäre aber mancher heftiger Kollateralschaden, auch menschlich, vermeidbar gewesen.

Beim HSV addieren sich, so sehe ich es jedenfalls, Fehler und Versäumnisse. Für den sportlichen wie finanziellen Niedergang des Dinos ist nicht einer allein (auch kein Kreuzer), sondern sind viele verantwortlich  (Ich klammere das sattsam bekannte Ärgernis namens AR hier aus Zeitgründen bewusst aus): ich beginne mit einem Vorstandsvorsitzenden Jarchow, der, offenbar unfähig die sportliche Entwicklung der Mannschaft angemessen zu bewerten, bis in den Spätherbst an seinem zu Saisonbeginn fabulierten sechsten Platz als zu erreichendes sportliches Ziel festhält und damit schon gleich zu Beginn die Zündschnur für die Entlassung Finks legte. Denn den erheblichen öffentlichen Druck, der dann kurz darauf eilfertig als Begründung für die Trennung von Fink herhalten musste, den hat Jarchow durch seine irrlichternden Fehleinschätzungen („auf Augenhöhe mit Schalke“) maßgeblich selbst befördert. Es geht weiter über die Auswirkungen eines jahrelangen konzeptionellen Planungs- und Entwicklungsstaus (Fehlender Sportdirektor) und die vereinspolitischen Intrigen gegen Arnesen. Es folgte die Bestellung eines neuen Sportdirektors, der mindestens zu Beginn seiner Tätigkeit in Hamburg vollkommen überfordert wirkte und der Einsparungsvorgaben offenbar fast um jeden Preis exekutieren sollte. Und es wird flankiert von der gewohnt unsachkundigen, fast allein auf reißerische Sensationsmache ausgelegten Berichterstattung, die selbstverständlich die öffentliche Meinungsbildung und damit auch die Erwartungshaltung des Publikums beeinflusst und von der sich der Verein beinahe traditionell treiben lässt. Und natürlich nicht zu vergessen ist, dass eine Vielzahl von unterschiedlichen Trainern mit unterschiedlichsten Personalwünschen und Systemvorstellungen eine klare Spielanlage bis ins Groteske, fast vollkommen Unkenntliche verwässert hatten.

Aus den neuesten Wendungen, aus den angesprochenen veränderten Leistungsbildern sollte der Verein, sollten aber auch seine Anhänger u.a. lernen, dass Spieler und Trainer ein geeignetes Umfeld brauchen. Dazu gehört in meinen Augen grundsätzlich ein leistungsförderndes, statt leistungshemmendes Arbeitsklima. Dazu gehört, dass man eine zum Personal passende Spielidee entwickelt, bzw.  geeignete Spieler für die eigene Spielidee verpflichtet. Stürmer wie Rudnevs und Berg etwas hätte man mit Anspielen in die Gasse oder in einem auf Konter basierenden Stil durchaus gebrauchen können. Ein Skjelbred ist nicht am Mysterium Hamburg oder mangelhaftem Talent sondern daran „gescheitert“, dass man ihn falsch eingesetzt hat. Und Rajkovic, Mancienne, Zoua aber auch aktuell van der Vaart gemahnen, die Dinge im Zusammenhang zu sehen, nicht vorschnell zu personalisieren und/oder zu urteilen. Wer den Neuaufbau will, wer notorisch nach Talenten fragt, der muss auch bereit sein, die nötige Geduld zu investieren. Der muss verstehen, dass Talent Voraussetzung ist, aber keine Garantie (für den Durchbruch) bietet. Der muss die damit also einhergehende Unwägbarkeiten mit ins Kalkül ziehen.

Wenn wir diese Saison noch etwas Gutes abgewinnen können wollen, dann müssen die Beteiligten, allen voran Jarchow und Kreuzer, endlich die überfälligen Lehren für die Zukunft ziehen. Mit einem glaubwürdig kommunizierten sportlichen Konzept ließe sich m.E. sehr wohl die Bereitschaft des Publikums fördern, einen Weg über mehrere Jahre gemeinsam mit dem Verein zu gehen und eigene Ansprüche auf ein gesundes Maß zurückzuschrauben. Gleichzeitig gewänne der Verein etwas, was bekanntlich in der Liga äußerst knapp bemessen scheint und im Umgang mit Talenten dennoch unverzichtbar bleibt: Zeit.

Und noch ein Bauernopfer – Kommentar zur Entlassung Bert van Marwijks

Die Liste derer, die man beim Hamburger SV in den letzten Jahren verschlissen hat, gleich ob als Trainer oder Spieler, ist lang. Der Verein, einst am noblen Rothenbaum beheimatet, schreibt unbeirr- und offenbar unbelehrbar seine ganz eigene Version des großen Brockhauses. 16 Trainer durften sich seit dem Jahr 2000 auf der Trainerbank im Volkspark versuchen. Sechzehn verschiedene Trainer in nicht eimal vierzehn Jahren, und Nummer Siebzehn steht vor der Tür! Ungezählt die Spieler, die hoch gelobt nach Hamburg kamen, um dann als angeblich untauglich den stets hohen Ansprüchen des Vereins zu genügen, ebenfalls wieder vom Hof gejagt zu werden. Wobei das eine (immer neue Trainer) das andere (neue Spielerwünsche) zum Teil bedingt.

Von Kontinuität wird seit Jahren beim HSV nur gesprochen, dabei gibt es sie längst. Es ist u.a. die Kontinuität der Kapitalvernichtung.  Und es ist auch die Kontinuität des eklatanten sportlichen Kompetenzmangels im Verein. Nicht zu letzt ist es auch die Kontinuität hartleibiger Selbstüberschätzung eines Großstadtvereins mit Tradition.

Dieser Verein wird seit Jahren abgewirtschaftet. Dieser Verein hat auch stets eine gehörige Portion Glück gehabt, dass man sich immer noch berechtigt Dino nennen durfte, dass die Uhr im Stadion noch immer die Zeit zählt, die man der ersten Bundesliga angehört. Die Uhr gibt es noch, aber inzwischen, so macht es den Eindruck, läuft dort ein Countdown. Das Glück scheint restlos aufgebraucht.

Seit fünfundzwanzig, bald sechsundzwanzig Jahren rennt man erfolglos einem absoluten Erfolg hinterher. Von einem bemerkenswerten Zwischenhoch des Vereins unter der Führungstroika Bernd Hoffmann, Katja Kraus und Didi Beiersdorfer, das nicht nur zu einer namhaften Mannschaft führte, sondern mit drei Halfinalteilnahmen in zwei Wettbewerben war man mal kurzfristig dran an dem, was man rund um den Volkspark als einzig angemessen für den Verein hält: Titel. Nach der Demission Beiersdorfers begann erneut der schleichende Niedergang. Hoffmann, der offen bekannte,  dass er zwar Wirtschaft aber nicht Fußball könne, wurde vom damaligen Aufsichtsrat fast zwei Jahre im Regen stehen gelassen. Denn nur dieser Rat wäre laut Satzung zur Berufung eines neuen Sportdirektors legitimiert gewesen. Auch so eine hamburger Besonderheit: ein aufgeblähtes Gremium, in dem eigentlich immer die Schlüsselkompetenz für einen Profifußballverein, die sportliche Kompetenz, gänzlich fehlte oder sich in absoluter Minderheit unter Wirtschaftsfachleuten, Juristen, Journalisten, Ex-Präsidenten befand, entscheidet über das Wann und Wer bei der eminent bedeutsamen Position des Sportdirektor. Dass dem Gremium auch ein Ex-Stadionsprecher, ein Schauspieler angehört, der, so war zu vernehmen, beständig mit seinem Rücktritt kokettiert, ist da nur noch eine bezeichnende Petitesse am Rande. So kam, was fast folgerichtig erscheint: Zwei Jahre ohne dem jeweiligen Trainer übergeordnete, konzeptionelle Planung und Entwicklung der Mannschaft durch einen Sportdirektor. Dafür kam, nur als ein Beispiel, Labbadia als Trainer und machte sich für die Verpflichtung Tesches stark. Ein Spieler, der nie den Durchbruch in Hamburg schaffen sollte, der aber unverändert das Gehaltskonto des Vereins belastet.

Labbadia, um bei diesem Beispiel zu bleiben, wurde zu Beginn seiner Amtszeit gehypt. Die ersten acht Spiele spielte die Mannschaft traumhaften Fußball und man wähnte sich (mal wieder) auf dem richtigen Weg. Dann schlug der Verletzungsteufel zu und in der Folge entstand ein negativer Lauf. Plötzlich schrieben diejenigen, die den neuen Mann an der Außenlinie vor Wochen erst für seine intensiven Gespräche mit Einzelspielern und Mannschaft hoch gelobt hatten, der Trainer sei ein ahnungsloser Schwätzer. Einer, der vollkommen unbelehrbar sei. Und verantwortungslos sei er zudem auch, denn die Spieler könnten sich bei seinen überlangen Ansprachen verkühlen. Auch das hat Kontinuität: man weint sich beim Boulevard aus, bzw. steckt Interna durch. Und jeder, absolut jeder!, meint mitreden und am Besten auch mitentscheiden zu müssen, und sei es auch, dass seine leistungssportliche Kompetenz allein auf dem regelmäßigen Betrachten der Spiele von VIP- oder Presseplätzen  beruht.

Trotz anhaltender Titellosigkeit entwickelte sich der Verein antizyklisch. Die Zahl der Mitglieder wuchs kontinuierlich. Und so enstand der Supporters Club (SC). Bei der einst als Interessenvertretung aller (sic!) Mitglieder gedachten und sogar mit Sitz im Vorstand bedachten größten Abteilung innerhalb des Vereins sicherte sich eine gut organisierte Minderheit entscheidende Pöstchen, um sozialromantischen Idealen vom angeblich „ehrlichen“, nicht gänzlich durchkommerzialisierten Profifußball nachzujagen. Das ist, um nicht missverstanden zu werden, legitim, aber seit der letzten Mitgliederversammlung des Vereins ist für jeden offensichtlich und gänzlich unbestreitbar: Die überwältigende Mehrheit der Mitglieder will einen anderen Kurs setzen. Die Abteilungsleitung des SCs hat, auch das hat beim HSV Kontinuität, ihre eigentliche Aufgabe verfehlt, denn sie hat eine eindeutige Klientelpolitik zugunsten einer Minderheit gemacht. Sie ist kein Korrektiv sondern einer der Bremsklötze, die den Verein beständig in unterschiedliche Richtungen zerren. Zu denen gehören auch Teile des Vereinsestablishments, all die Seelers, Bähres und Hunkes etwa, die sofort medienwirksam öffentlich aufheulen, wenn es mal nicht nach ihrem Willen geht. Dabei ist nicht das Problem, dass sie ggf. eine andere, eigene Auffassung vertreten, sondern allein die Tatsache, dass sie dies allzugern und oft über die Medien verkünden und damit in die Arbeit der jeweiligen sportlichen Leitung mittelbar eingreifen, anstatt intern für ihre Überzeugungen zu werben.

„Ein schöner Verein zerstört sich selbst“ äußerte van Marwijk. Und er verkniff sich, Ross und Reiter zu nennen. Etwas, was er übrigens mit den längst geschassten ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Hoffmann und Ex-Sportdirektor Arnesen gemeinsam hat. Alle drei haben rund um ihren jeweiligen Abgang mehr hanseatischen Stil, mehr Klasse im kleinen Finger nachgewiesen, als all jene in und rund um den Verein, die ihnen z.T. bis heute meinen, Dreck nachschleudern zu müssen. Von allen Dreien las und hörte man bis heute kein böses Wort, obwohl es ihnen bestimmt dann und wann auf der Zunge lag.

Van Marwijk hat, wie im Grunde alle seine Vorgänger auch,  unbeirrbar an seiner Art des Arbeitens festgehalten. Und das ist schon allein aufgrund der Inkompetenz sowohl der Gremien als auch des Boulevards vollkommen richtig gewesen. Ohne Zweifel trägt er seinen Teil der Verantwortung für den sportlichen Niedergang. Jedoch ließen seine Äußerungen stets erkennen, dass da einer weiß, was er macht. Etwas, was sich gewiss die Wenigsten beim HSV auf die Fahne schreiben dürfen.

Das negative Eigenkapital innerhalb weniger Jahre um gleich mehrere hunderte Prozent auf bedenkliche rund 20 Millionen gesteigert, die Liquidität angespannt – da blieb im Winter kein Geld für namhafte Verstärkungen. Frage: ist der Trainer daran schuld? Ist der Trainer dafür verantwortlich, dass man meinte, nur Spieler kostengünstig ausleihen zu können? Ist der Trainer dafür verantwortlich, dass Spieler, die unter diesen Umständen von ihren abgebenden Vereinen „geparkt“ werden, Defizite (mangelnde Spielpraxis nach längerer Verletzung) aufweisen? Ist nur der Trainer daran schuld, dass diese Mannschaft bis heute ein von unterschiedlich(st)en Leuten zusammengestelltes Sammelsurium ist?

Zur Erinnerung: Beister hatte sich schwer verletzt und fällt mindestens für den Rest der Saison aus. Dass Handlungsbedarf im Offensiv- und Geschwindigkeitsbereich bestand, steht für mich außer Frage. Also holte man Ola John. Dass dieser junge Spieler in einer fremden Liga und bei einem Verein, der dem Abstieg entgegentaumelt, nicht die alles entscheidende Sofortverstärkung ist, das ist normal. Das entspricht dem Regelfall. Alles andere wäre eine Überraschung gewesen, auf die nur ahnungslose Täumer gewettet hätten. Ebenfalls grundsätzlich nachvollziehbar erscheint die Leihe Bouys, auch wenn er bisher wohl nur für Fachleute erkennbare Klasse andeuten konnte. Denn unabhängig von der konkreten Personalie dürfte inzwischen hoffentlich unstrittig sein, dass die Bindung zwischen Defensive und Offensive der Mannschaft dringend verbessert werden muss. Es gehört zum Hamburger Aberwitz, dass angesichts der Anlaufschwierigkeiten Bouys jetzt ausgerechnet jene seinen Konkurrenten Rincon fast schon zum Heilsbringer stilisieren. Jenen Rincon, dem sie einst bescheinigten, er sei (auch) nicht bundesligatauglich, da angeblich stets gelb-rot oder rot gefährdet (Tipp: man schlage mal nach, wie oft Rincon tatsächlich vom Platz flog, um die Güte der damaligen Einschätzung selbsternannter Experten zu überprüfen). Diese eklatanten Fehleinschätzungen haben auch längst Kontinuität gewonnen. Wer erinnerte sich nicht daran, dass Rudnevs bereits vor seinem ersten Pflichtspieleinsatz jegliche Tauglichkeit abgesprochen wurde (Güte der „Expertise“: Rudnevs schoss bekanntlich 12 Tore in seiner ersten Saison für den HSV und schießt inzwischen Tore für Hannover 96)?!

Dem Hamburger SV wäre Demut zu wünschen. Man muss endlich zu einer realistischen, tatsächlich angemessenen Selbsteinschätzung finden. Der Verein braucht dringend, das ist evident, sportliche Kompetenz auf allen Ebenen. Und der Verein, das gehört für mich dazu, muss endlich damit aufhören, sich vom örtlichen Boulevard in seine Planungen hineinreden zu lassen. Ein entschiedenes Krisenmanagement, auch durch die Presse- und Medienabteilung, nach bayerischem oder dortmunder Vorbild etwa, erscheint in einer Medienstadt wie Hamburg absolut unverzichtbar. Beim HSV jedoch, da reden im Zweifel Viele und oft nicht mit einer Zunge. Auch das hat leider Kontinuität gewonnen.

Der Hamburger SV im Februar 2014 – nur noch ein Torso. Trainer gefeuert, der Vorstand insbesondere der Sportdirektor offenbar vollkommen überfordert und in der öffentlichen Wahrnehmung maximal beschädigt. Der Aufsichtsrat ein Tollhaus, indem sich einige offen oder verdeckt anmaßen, satzungswidrig ins operative Geschäft einzugreifen. Man darf vom erneut neuen Trainer, egal wer es werden wird, unter diesen widrigen Umständen keine Wunder erwarten (auch wenn man als Anhänger selbstverständlich weiter hoffen darf). Dieser grundsätzlich schöne Verein hat alles unternommen, um jenen singulären Ast abzusägen, auf dem er wenigstens bis zum Ende dieser Saison noch sitzt. Der Abstieg wäre selbstverschuldete Konsequenz inkomptenten Handelns auf allen Ebenen. Wirtschaftlich wie sportlich eine katastrophaler Offenbarungseid. Das einzig positive daran wäre, dass ein hoch verdientes Fegefeuer durch alle Ebenen und Gremien des Vereins zöge, dass hoffentlich zu einer gänzlich anderen, kompetenzgetragenen Besetzung führte. Der Verein muss sich ohnehin neu erfinden. Er muss beantworten, ob er sich auch zukünftig von seinen hanseatischen Wurzeln so weit entfernen möchte, wie es derzeit Russland von wirklicher Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit ist. Wer aber im Abstieg vollkommen naiv nur eine Chance sehen möchte, der sei auf das anstehende Lizenzierungsverfahren hingewiesen. So weit ist es mit diesem Verein gekommen: man muss u.U. sogar um die Lizenz für die zweite Bundesliga bangen.

Van Marwijk entlassen – alle anderen Verantwortlichen bleiben aber unbeirrt zunächst im Amt. Auch das hat  Kontinuität und Tradition beim Hamburger SV. Leider! Stolz sein sollte man auch darauf nicht.

+++ EIL angeblich wollen gleich mehrere Mitglieder des Aufsichtsrates zurücktreten +++

+++EIL mehrere Quellen vermelden übereinstimmend, die Verpflichtung von Mirko Slomka als neuer Trainer des HSVs sei perfekt. Klüver ist als erstes Mitglied des aktuellen ARs zurückgetreten. Weitere Rücktritte sollen im Laufe des Tages folgen. +++