Financial Fairplay

Über Olic und andere Rückkehrer

Um es gleich zu sagen: Ich bin generell kein Freund von Rückhol-Aktionen, sofern es ehemalige Spiele des Vereins betrifft. Gerade als Anhänger des HSV hätte man in der Vergangenheit lernen können, dass nicht jeder, der den Verein einst als Leistungsträger verließ, die mit seiner Rückkehr verbundenen großen Erwartungen tatsächlich auch erfüllen konnte.

Jörg  „the hammer“ Albertz entpuppte sich seinerzeit bei seiner Rückkehr innerhalb kürzester Zeit als ganz großes Missverständnis und enttäuschte; Aktuell dürfte es nicht wenige geben, die sich von van der Vaart bei seinem zweiten Gastspiel deutlich mehr erhofft haben.

Nun kehrt mit Ivica Olic ein weiterer verlorener Sohn zum HSV zurück. Und auch wenn dieser Transfer wohl überwiegend bejubelt wird, habe ich durchaus auch Verständnis für diejenigen, die sich eine andere Lösung erhofft haben.

Kein Verständnis habe ich aber, wenn man im Falle Olic zusätzlich zur kolportierten Ablöse von 2 Millionen Euro sein mutmaßliches Gehalt von 3 Millionen (für 1, 5  Jahre) addiert, um hernach mit dem Gesamtpaket von 5 Millionen Stimmung zu schüren. Frei nach dem Motto: 5 Millionen Euro für ein 35jähriges Auslaufmodell – da sieht man wieder die Unfähigkeit des HSV. Ich habe deswegen kein Verständnis, weil:

  1. die gleichen Medien den Schürrle-Transfer, für den der VfL Wolfsburg allein an Ablöse angeblich rund 30 Millionen Euro berappt, kritiklos bejubeln. Bislang habe ich hier noch nichts von einem Gesamtpaket gelesen, in welchem das Gehalt des Spielers von angeblich 6 Millionen Euro je Jahr bis 2019 eingerechnet und kritisch hinterfragt wurde. Dabei wäre Kritik hier durchaus angebracht. Denn das Gesamtpaket dieses Transfers dürfte damit deutlich jenseits der 50 Millionen-Euro-Marke liegen. Für einen zweifellos hochbegabten 24jährigen Nationalspieler, der aber weder in der Nationalmannschaft noch gar bei seinem letzten Verein unumstrittener Stammspieler gewesen ist. Und doch schien den Verantwortlichen des VfL Wolfsburg der Preis für das „Gesamtpaket Schürrle“ offensichtlich angemessen. Völlig losgelöst von der Person Schürrles – eine in meinen Augen bizarre Summe.
    Auch hinterfragte bisher kaum jemand kritisch, wie sich ein Transfer dieser Größenordnung mit den Regeln des Financial Fairplays beim VfL vereinbaren lässt. Ist aber auch egal, weil im Zweifel  verstoßen in Deutschland immer nur die anderen gegen die Regeln.
  2. Entweder vergleicht man allein Ablösesummen miteinander, oder man vergleicht eben Gesamtvolumina miteinander. Wer aber in dem einen Fall das Gesamtpaket bemüht, im anderen jedoch das Gehalt unterschlägt, der vergleicht am Ende Äpfel mit Birnen.

Doch zurück zum HSV und damit zur Rückkehr von Olic. Die Kritiker werden einwenden, dass man mit Olic eine Art Rudnevs 2.0 verpflichtet habe. Beide sind kampf- und lauffreudige Stürmer, wobei Olic in Sachen Technik und Erfahrung Vorteile besitzt. Die von mir hier vor Wochen angedachte optimale Ergänzung zu Lasogga scheint mir auch ein Olic nicht zu sein. Dennoch hat Olic (beim VfL) nachgewiesen, dass er als alleinige Spitze in einem 4-1-4-1 funktioniert, Rudnevs nicht. Und eben dieses 4-1-4-1, bzw. ein Hybrid-System aus 4-2-3-1/4-1-4-1 ist allem Anschein nach das System, das Joe Zinnbauer für die Rückrunde favorisiert.

Unbestreitbar neigt sich Olic aktive Laufbahn dem Ende entgegen. Er hat jedoch in der Hinrunde nachgewiesen, dass er kurz- und mittelfristig absolut wettbewerbsfähig ist. Sein Alter und damit seine Erfahrung sehe ich in der speziellen Situation des HSV sogar als Vorteil. Denn unverändert gehe ich davon aus, dies wurde erst jüngst durch die Aussagen des letztlich zum FC Arsenal gewechselten polnischen Talents, Bielik, über seine Gespräche mit den HSV-Verantwortlichen untermauert, dass die Hamburger Mannschaft im kommenden Sommer weiter deutlich verjüngt werden wird. Dies ergibt sich schon daraus, dass bei einigen „Ladenhütern“ des Hamburger Kaders dann die Verträge auslaufen. Man darf aber nicht nur erleichtert auf die damit verbundene Chance, den Etat zu reduzieren, schauen und gleichzeitig völlig ignorieren, dass die Mannschaft damit auch viel Erfahrung verliert. Allein durch den von mir unverändert erwarteten Abgang von Kacar, Ilicevic, Jansen, van der Vaart, eventuell sogar noch von Adler und Westermann geht die Erfahrung von mehreren hundert Bundesligaspielen, völlig ungeachtet der Frage, für wie verzichtbar man jeden einzelnen dieser Spieler hält, verloren. Zu glauben, man könne dies allein mit eigenem Nachwuchs, sei dieser auch noch so talentiert wie z.B. Tah und Demirbay, auffangen, ist in meinen Augen eine gefährliche, romantisierende Fehleinschätzung. Gerade für die gegenwärtige Übergangsphase kann ein Olic als Vorbild für die jüngeren Spieler dienen. Vorbild deswegen, weil seine Arbeitseinstellung als absolut tadellos einzuschätzen ist. Vorbild auch, weil gerade seine Karriere zeigt, wie weit man es trotz unbestreitbarer Defizite bringen kann, wenn man konsequent an seinem persönlichen Optimum feilt.

Sicher, auch ich hätte mir etwa einen Drmic gewünscht. Aber wenn der Markt den im Winter nicht hergibt, dann muss man eben umdenken. Deswegen auf eine Verstärkung der Offensive gänzlich zu verzichten, hätte ich als grob fahrlässig bewertet. Lasogga startet bekanntlich zum vierten Mal in Folge ohne optimale Vorbereitung. Der lauffreudige Holtby fällt bis Mitte der Rückrunde verletzt aus. Mit Nicolai Müller war ein weiterer sprintstarker Spieler während der Winterpause angeschlagen, und Maxi Beister wird allen guten Ansätzen zum Trotz noch Monate brauchen, um wirklich wieder seine Topform zu erreichen. Die Attribute Torgefahr, Kampf und Lauffreudigkeit im Kader zu stärken, erscheint mir daher sinnvoll.

Stand heute, also noch vor Schließung des Transferfensters, fehlt der Hamburger Mannschaft unverändert ein pass-/spielstarker zentraler Mittelfeldspieler. Denn die inzwischen vielfach kritisierte, mangelhafte Torausbeute ist nur zum Teil dem bisherigen Offensivpersonal geschuldet. Oft genug erreichte man bei Ballbesitz gar nicht die vordersten Reihen, sondern verschenkte seine Möglichkeiten im Übergang von mittleren ins Angriffsdrittel. Teils durch unsauberes Passspiel oder falsche Laufwege, teils durch mangelhafte Übersicht und fehlende Handlungsschnelligkeit. Ob der Club hier noch nachbessern kann, wird man abwarten müssen. Sollte dies nicht gelingen, dann könnte durch die Rückkehr von Ivica Olic wenigstens der Schulterschluss zwischen Mannschaft und Publikum gestärkt werden, auf den man im Kampf gegen den Abstieg, und nur darum geht es unverändert sportlich!, noch dringend angewiesen sein könnte.

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