Fink

Der König ist tot, lang lebe der König!

Wieder wurde ein Trainer entlassen und wieder wird alles besser. Der neue Mann, beim HSV heißt er gerade Zinnbauer, bringt frischen Wind. Er trainiert besser, ist akribisch(er), führt viele Gespräche und, seit einigen Jahren ist das in der Bundesliga en vogue, er hat endlich ein „Konzept“. Und wo ein s.g. „Konzepttrainer“ arbeitet, da ist auch der s.g. „Matchplan“ nicht weit, das weiß man spätestens seit Thomas Tuchel mit diesem Begriff das Vokabular der Fußballfolklore bereicherte. Der HSV, so scheint es, ist endlich angekommen in der Moderne. Es müsste daher schon der Teufel seine Hand im Spiel haben, wenn der Dino nicht schon bald die Liga das Fürchten lehrt. Oder etwa nicht?

Zweifel sind angebracht. Seit ich den HSV bewusst verfolge, habe ich 30(!) Trainer (Interimstrainer eingerechnet) kommen und auch wieder gehen sehen. Fast jeder von ihnen wurde zu Beginn seiner Tätigkeit in Hamburg gelobt; praktisch alle sind, vom legendären Ernst Happel einmal abgesehen, gescheitert. Die einen früher (z.B. Skoblar, Coordes, van Marwijk), die anderen später.

Natürlich, da gab es z.B. Frank Pagelsdorf. Der kam mit der Empfehlung, zuvor beim FC Union Berlin und Hansa Rostock überaus erfolgreich gearbeitet zu haben und schien, darin Zinnbauer aktuell nicht unähnlich, den Erfolg gepachtet zu haben. Nach der Fertigstellung des Stadionneubaus und dem legendären 4:4 gegen Juventus Turin in der Championsleague schienen goldene Zeiten anzubrechen. Es kam bekanntlich anders.

Oder nehmen wir Thomas Doll. Der kam mit dem Bonus des ehemaligen Publikumslieblings aus seiner Zeit als Spieler und qualifizierte sich mit der Mannschaft am Ende der Saison 2005/06 erneut für die Championsleague. Heute arbeitet er in der drittklassigen ungarischen Liga.

Nicht zu vergessen: Bruno Labbadia. Der wurde ebenfalls als außerordentlich akribischer Arbeiter gelobt. Niemand, so wurde zunächst positiv vermerkt, würde u.a. derart intensiv mit seinen Spieler sprechen. Tatsächlich spielte der HSV zu Beginn seiner Amtszeit sehenswerten und erfolgreichen Fußball. Exakt für acht Spiele. Danach ging es kontinuierlich bergab. Am Ende galt er als Labersack, dem keiner mehr so recht zuhören wollte.

Veh kam immerhin mit der Empfehlung des ehemaligen Meistertrainers. Hamburg sollte nach seinen eigenen Worten seine letzte Station als Trainer in der Bundesliga sein. Nachdem er selbiges nachfolgend auch in Frankfurt angekündigt hatte, ist seine derzeit angeblich letzte Station aktuell gerade der VfB Stuttgart.

Schließlich Thorsten Fink. Hatte als ehemaliger Spieler des FC Bayern München vor allem eins: das sagenumwobene „Sieger-Gen“. Fink rettete zunächst auftragsgemäß die Mannschaft vor dem Abstieg und erreichte auch in der Folgesaison das vom Verein ausgegebene Saisonziel, einen Platz im Mittelfeld der Tabelle. Fink hatte tatsächlich eine (für den HSV) neue Spielidee, die an den durch van Gaal bei Bayern zuvor in der Bundesliga zur Mode gewordenen Ballbesitz-Fußball erinnerte. Im Rückblick dürfte Fink vielen beim HSV als ein Trainer gelten, der bei aller ambitioniert-taktischen Finesse die Grundlagen des Sports sträflich vernachlässigte, die konditionelle Arbeit.

Womit ich bei der  Statistik zur Laufleistung wäre. Auch so eine Mode. Jeder intellektuelle Helm-Träger von heute meint zu wissen, dass die Mannschaft unzweifelhaft verlieren muss, die weniger als ihr jeweiliger Gegner läuft. Tatsächlich korrelieren Ergebnis und Laufleistung. Eine Korrelation aber deutet nur auf einen wie auch immer(!) gearteten Zusammenhang hin. Ein kausaler Zusammenhang aber, wie leider viel zu oft fälschlich unterstellt, lässt sich daraus nicht ableiten. Aber schön, dass wir alle mal darüber gesprochen haben…

Um zum aktuellen Situation zurückzukehren: Was soll das sein, ein „Konzepttrainer“? Glaubt eigentlich jemand, dass es Trainer gibt, die KEINE Vorstellung davon haben, wie ihre Mannschaft idealerweise spielen sollte?

„Matchplan“ ist auch nur die neudeutsche Bezeichnung für taktische Überlegungen des Trainers im Vorfeld eine Partie. Glaubt eigentlich jemand, dass es Trainer gibt, die sich nicht schon vor dem Spiel Gedanken machen, wie sie auf etwaige Eventualitäten im Spielverlauf reagieren können? Frei nach dem Motto: Huch, wir liegen zurück!, was mach ich denn jetzt?! Das dürfte es, wenn überhaupt, im Amateurfußball geben, nicht im bezahlten Fußball.

Nun also Zinnbauer. Ja, er wirkt auch auf mich sympathisch, eloquent, konsequent und zielgerichtet. Und natürlich wünsche ich ihm Erfolg. Aber den habe ich auch all seinen Vorgängern gewünscht. Am Ende werden aber allein die Fakten, die Ergebnisse zeigen, ob die Mannschaft unter ihm nachhaltig zurück in die Erfolgsspur findet.

Um noch kurz auf das anstehende Spiel einzugehen: Mich würde es nicht wundern, wenn Zinnbauer kurzfristig gegen den derzeit übermächtig erscheinenden FC Bayern München auf ein 4-2-3-1 oder gar ein 4-3-2-1 setzen würde, auch wenn er, wie er in seiner Antritts-PK äußerte, grundsätzlich offensiven Fußball favorisiert. Aber zum jetzigen Zeitpunkt sind alle Aussagen hierzu wie zu seiner Mannschaftsaufstellung reine Spekulation. Lassen wir uns also überraschen und drücken ihm und der Mannschaft die Daumen!

Nachsatz: Sollte es mit Zinnbauer nicht funktionieren, wird unweigerlich nach seiner gestrigen Entlassung bei Fulham FC der Name Magath ins Spiel kommen. Dafür wird schon der Hamburger Boulevard sorgen, garantiert. Ich kann mir allerdings beim besten Willen nicht vorstellen, dass der Alleinherrscher Magath bei der gegenwärtigen personellen Konstellation im HSV mit Beiersdorfer, Peters und Knäbel tatsächlich ein ernstzunehmendes Thema wird.

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Am Ende haben fast alle verloren – Der HSV entlässt Mirko Slomka

Der Hamburger Sportverein hat am gestrigen Abend seinen Trainer, Mirko Slomka, mit sofortiger Wirkung entlassen. Diese Meldung wurde vom Mediendirektor des Vereins, Jörn Wolf, bestätigt.  Angeblich sollen auch die beiden Assistenten Slomkas, Bajramovic und El Maestro, den Dino verlassen.

Aus sportlicher Sicht betrachtet lassen sich durchaus Argumente für diese Entscheidung der Verantwortlichen finden.

Zunächst sind es die nackten Zahlen, die gegen eine Weiterbeschäftigung Slomkas sprachen. Schließlich fällt seine Bilanz mit nur 12 Punkten aus 16 Bundeligaspielen (3 Siege, 3 Unentschieden und 10 Niederlagen entsprechen 0,75 Punkte je Partie) äußerst bescheiden aus. Auch in der letztlich erfolgreich überstandenen Relegation gegen den Zweitligisten Fürth gelang dem Team unter seiner Führung kein Sieg, sodass der Klassenerhalt denkbar knapp und nur dank der Auswärtstor-Regel (0:0. in Hamburg; 1:1 in Fürth) gesichert werden konnte.

40 Punkte, so heißt es, benötige eine Mannschaft, um nicht abzusteigen. Bei 34 Spieltagen einer Saison folgt daraus, dass der Arbeitsplatz jedes Trainers, dessen Mannschaft je Spiel im Durchschnitt nur einen Punkt erreicht, gefährdet ist. Denn 34 Punkte können zwar u.U. zum Klassenerhalt reichen, verfehlen aber bereits deutlich jene als abstiegssicher geltende Zone der Tabelle jenseits der magischen 40-Punkte-Marke. Trainer aber wie Slomka (oder dessen Vorgänger van Marwijk), deren durchschnittliche Punkteausbeute sogar deutlich unterhalb des prinzipiell bereits ungenügenden einen Punktes je Spiel liegt, müssen grundsätzlich jederzeit mit ihrer Freistellung rechnen. So gesehen erscheint die gestrige Entscheidung des HSV zunächst unzweifelhaft richtig.

Zweifel sind in diesem Zusammenhang jedoch angebracht. Denn fraglich muss bereits erscheinen, ob ein anderer Trainer mit demselben Kader (der letzten Saison, die in die Berechnung maßgeblich einfließt) einen besseren Quotienten erreicht hätte. Tatsache ist, dass sich bereits vor Slomka die Trainer Fink (zu Beginn der vergangenen Spielzeit) und van Marwijk ähnlich erfolglos bemühten, den Club zurück in die Erfolgsspur zu führen. Dass hier möglicherweise auch fehlende Qualität des Personals eine ganz gewichtige Rolle gespielt hatte, zu dieser Schlussfolgerung war man offenbar auch in der Chefetage der Hamburger gekommen. Folgerichtig wurde die Zusammenstellung der Mannschaft durch zahlreiche Transfers in der diesjährigen Sommerpause tiefgreifend verändert.

Unbestreitbar dürfte ebenfalls sein, dass es Slomka gelungen ist, jene konditionellen Defizite des Hamburger Personals aufzuarbeiten, die zu den vielen Problemen der letzten Spielzeit zählten, die er nicht zu verantworten, gleichwohl aber auszubaden hatte.

Zu belegen ist ebenfalls, dass Slomka zu Saisonbeginn wichtige Spieler für ein neues Spielkonzept, z.B. Holtby und Nicolai Müller, gar nicht zur Verfügung standen. Holtby wurde bekanntlich erst nach dem zweiten Spieltag mit Ablauf der Transferperiode verpflichtet, Müller kam verletzt nach Hamburg und konnte bis zum Spiel gegen Hannover 96 kaum mit seinen neuen Kollegen trainieren. Wenn  man dann noch andere verletzungsbedingte Ausfälle mit ins Kalkül zieht (Jansen, Ilicevic – schon wieder! – und van der Vaart), erscheint höchst zweifelhaft, ob irgend ein Trainer in der Lage gewesen wäre, gegen Hannover zu punkten.

Ein Trainer ist immer nur so stark, wie der Rückhalt, den er bei seiner Clubführung genießt. Das weiß jeder, der einmal als Trainer in Vereinen gearbeitet hat, und das belegen auch zahlreiche Aussagen etablierter Bundesligatrainer. Slomka muss daher auch zugute gehalten werden, dass seine Autorität bereits vor Wochen (ohne jede Not!) durch ein Interview von Klaus-Michael Kühne im Hamburger Abendblatt in aller Öffentlichkeit untergraben wurde. Da passte es ins Bild, dass sich plötzlich auch  ein einfaches Mitglied des neu gebildeten Aufsichtsrates (Nogly) bemüßigt fühlte, die Trainingsmethoden Slomkas öffentlich in Frage zu stellen. Da muss man sich nicht wundern, wenn das kickende Personal derartige Steilvorlagen nutzt, um ebenfalls medienwirksam angebliche Fehler des Trainers zu lancieren., bzw. ureigenste Interessen zu verfolgen.

Natürlich hat auch Slomka Fehler gemacht. So erscheint, ich habe dies hier schon ausführlich thematisiert, der unvermittelte Torwartwechsel von Adler zu Drobny nicht plausibel. Fragwürdig erscheint auch, dass er durch den kurzfristigen Einsatz von Cléber, der bislang kaum Zeit hatte, sich an Land, Leute und Liga zu gewöhnen, das Risiko in Kauf nahm, die ohnehin wackelige HSV-Defensive ggf. weiter zu destabilisieren. Unverständlich auch, dass Müller, der erst am Freitag vor dem Spiel mit der Mannschaft erstmalig trainieren konnte, von Beginn an auflaufen durfte. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Müller bis zum Schlusspfiff durchhielt. Insgesamt wirkte Slomkas Aufstellung gegen Hannover 96 auf mich wie ein überschießendes, trotziges Statement zu entsprechenden Äußerungen aus der Clubführung: Ihr wollt jetzt die neuen Leute sehen??! – LMAA, hier habt ihr sie! – Aber das ist nur mein subjektiver Eindruck.

Durchaus bemerkenswert ist, dass sich Aufsichtsratschef  und  Kühne-Vertrauter Gernandt nach der Niederlage gegen Hannover öffentlich mit der Aussage zitieren ließ, man werde nun zu 120 Prozent keinen kurzfristigen Trainerwechsel vornehmen. Das scheint mir dreierlei zu zeigen: erstens ist offensichtlich nicht alles verlässlich, was Herr Gernandt äußert; zweitens war dieses Statement offenbar nicht mit Dietmar Beiersdorfer abgesprochen; drittens scheint Gernandt immer noch nicht verstanden zu haben, wie das Geschäft Profifußball funktioniert.

Ebenfalls bemerkenswert: Grundsätzlich mag es als harmlose, zu vernachlässigende Petitesse erscheinen, für die rein praktische Gründe sprechen, aber dass man über den „Kopf“ des Trainers in den Büroräumen von Kühne&Nagel konferiert, wirkt vor dem Hintergrund des bereits angesprochenen Kühne-Interviews zu Slomka und den mindestens wiederholt als unglücklich zu bewertenden öffentlichen Äußerungen Gernandts so, als bewege sich der HSV am Gängelband seines wichtigsten Geldgebers und sei tatsächlich nicht wirklich frei in seinen Entscheidungen. Das mag sachlich nicht richtig sein, jedoch wirkt es so. Allein das ist schon fatal, denn es gießt weiter Wasser auf die Mühlen derjenigen, die exakt diese Gefahr erkannt zu haben glaubten.

Äußerst fragwürdig ist ohnehin der Zeitpunkt der Entscheidung. Wenn man aufgrund der letzten Saison Zweifel an Slomkas Arbeit hatte, dann hätte man diesen bereits zusammen mit Kreuzer entlassen können, um einen unbelasteten Neubeginn zu forcieren. Spätestens aber nach dem ernüchternden Spiel gegen Paderborn aber, auf das die zweiwöchige Länderspielpause folgte, hätte es die Möglichkeit gegeben, einen neuen Trainer zu installieren, der dann auch etwas Zeit zur Umsetzung seiner eigenen Ideen gehabt hätte. Diese hat der jetzt kommende Trainer nun nicht. Im Gegenteil! Der Neue hat das zweifelhafte Vergnügen nun mit einer gleich im mehrfachen Sinne neuen Mannschaft gegen die Bayern und dann gegen M’Gladbach anzutreten…

Die gestrige Entscheidung mag grundsätzlich begründet erscheinen, tatsächlich aber beschädigt sie fast alle:

1). Slomka gilt nach seinem letzten, ebenfalls erfolglosen Jahr in Hannover nun als ein Trainer, der innerhalb weniger Monate auch in Hamburg gescheitert ist;
2.) Die Glaubwürdigkeit des AR-Vorsitzenden Gernandt ist nachhaltig beschädigt;
3.) Beiersdorfer mag durch die Entscheidung demonstriert haben, dass am Ende er (und nicht Gernandt oder Kühne) das Sagen hat, muss sich aber fragen lassen, ob er seinen „Laden“  tatsächlich im Griff hat;
4.) Kühne wirkt zunehmend wie ein Edel-Fan, der sich dank seines Geldes das Privileg erkauft zu haben scheint, „seinem“ Club jederzeit ins operative Geschäft hineinzupfuschen;
5.) Der Charakter derjenigen Spieler im Kader (offenbar sind darunter einige der verbliebenen „Leistungsträger“), die jetzt selbstgerecht den Trainer kritisierten und Interna nach außen durchsteckten, ist nachhaltig in Zweifel zu ziehen.

Einmal mehr verliert jedoch der HSV, der seinen Ruf zementiert, dass seine Trainer auf dem Schleudersessel sitzen.

Man kann den Verantwortlichen jetzt nur ein glückliches Händchen bei der Auswahl des nächsten Trainers wünschen. Schon im eigenen Interesse. Die 86,9 Prozent Zustimmung zur Ausgliederung waren nicht nur ein überwältigender Vertrauensvorschuss, sie definieren zugleich auch eine enorme Fallhöhe…