Müller

Der HSV straft die meisten Prognosen und Kritiker Lügen und gewinnt in Dortmund mit 0:1 (0:1)

Als ich am Donnerstag in der Bundesliga-Vorschau auf meinsportradio.de auf das zu erwartende Ergebnis des HSV in Dortmund angesprochen wurde, habe ich optimistisch auf ein 2:2 und damit einen Punkt für die Hamburger getippt. Co-Moderator und BvB-Experte Sascha meinte hingegen, der BvB würde dem HSV klar mit 4:1 die Grenzen aufzeigen. In der Tat sprachen beinahe alle Vorzeichen für einen klaren Erfolg der Gastgeber. Warum also hielt ich vor dem Spiel mindestens einen Teilerfolg für die sieglosen Hamburger für absolut möglich?

Der Einfluss des Zufalls

Es ist für mich unbestreitbar: der BvB hat derzeit im direkten Vergleich den eindeutig besseren Kader und verfügt zudem über ein Spiel-System, das Jürgen Klopp mit seiner Mannschaft inzwischen über mehrere Jahre trainieren und perfektionieren konnte. Die grundsätzlich bessere Qualität des Dortmunder Kaders führt mich jedoch nur zu der Erwartung, dass sich die Dortmunder in der Abschlusstabelle dieser Saison deutlich, hier dem von Sascha getippten 4:1 durchaus entsprechend, vor dem HSV platzieren werden. Für ein einzelnes Spiel gilt m.E. jedoch anderes.

„Glück und Pech gleichen sich im Laufe einer Saison für alle Mannschaften aus.“ – diese Behauptung habe auch ich lange vertreten, sie ist dennoch falsch. Es handelt sich um einen Irrglauben, weil die Stichprobe bei 18 Mannschaften in einer Liga, die je 34 Spiele untereinander bestreiten, zu klein ist, damit sich alle Zufälle tatsächlich aufheben, bzw. über alle Mannschaften gleich verteilen. Der Einfluss zufälliger Faktoren reduziert sich auf eine ganze Saison gerechnet erheblich. Aus diesem Grund wird am Ende der Saison nicht irgendwer zufällig Deutscher Meister, sondern der mutmaßlich am besten aufgestellte Club, der FC Bayern. Dennoch erscheint gut möglich, dass zufällige Faktoren sogar die Position in der Abschluss-Tabelle um gleich mehrere Plätze nach oben oder unten beeinflussen können. Um also tatsächlich zutreffende Aussagen über Team- und Trainerleistung während einer Saison treffen zu können, muss man sogar nach einer ganzen Saison tiefer in die Analyse einsteigen, als nur einen Blick auf die Tabelle zu werfen.

Der Ausgang eines einzelnen Spiels aber, dies unterstellte ich daher auch für den Auftritt des HSV in Dortmund, kann ggf. ganz erheblich von der jeweiligen Tagesform und von Zufällen bestimmt werden. Ein unhaltbar abgefälschter Schuss, eine günstige (Fehl-)Entscheidung des Schiedsrichters und ein einziger, individueller Fehler des Gegners während der 90 Minuten – schon liegt man u.U. mit 0:2 in Führung (oder zurück). Es ändert sich sowohl die taktische Ausgangslage als auch die nervlich-emotionale Verfassung der Spieler. Wer nun meint, bei meinem Tipp habe es sich ja wohl um Wunschdenken gehandelt – das stimmt! Natürlich wünschte ich dem HSV ein Erfolgserlebnis, aber widerlegt dies meine grundsätzliche Argumentation? Wer hätte denn bspw. vor wenigen Spieltagen dem HSV zugetraut, dass er dem übermächtig erscheinenden Deutschen Meister aus München ein torloses Remis abringt? Und doch haben wir genau dies erlebt. [Anm: Diesen Teil schrieb ich übrigens vor dem Spiel]

Joe Zinnbauer, der sich vor dem Spiel vom Auftritt der Borussia in der CL durchaus beeindruckt zeigte, schenkte jedenfalls der folgenden Mannschaftsaufstellung sein Vertrauen:

Drobny – Diekmeier (66. Stieber), Djourou, Westermann, Ostrzolek – Behrami, Arslan,  Müller (87. Rudnevs), Holtby, Jansen – Lasogga (83. Jiracek);
Bank: Zöllner, van der Vaart, Stieber, Cléber, Rudnevs, Kacar, Jiracek.

Das Spiel:  Wie würde Zinnbauer seine Mannschaft gegen die Dortmunder taktisch einstellen, das war die Frage vor der Partie. Um es kurz und leicht verständlich zu halten: Zinnbauer kopierte die gewohnte taktische Ausrichtung des BvB. Natürlich nicht eins zu eins, sondern abgewandelt und angepasst an die Möglichkeiten seiner Mannschaft. Mit anderen Worten: Die Hamburger begegneten dem bekannt aggressiven Offensivpressing der Dortmunder, indem sie ebenfalls jedem Ball hinterherjagten und versuchten, ihrerseits Druck auf die ballführenden Spieler der Gastgeber auszuüben. In der Folge entwickelte sich eine leidenschaftlich von beiden Seiten geführte Partie, die von zahlreichen, zum Teil hitzig und nicklig geführten Zweikämpfen geprägt war.

Der BvB entwickelte sein Spiel meist über seine rechte Seite, allerdings nur bis ins s.g. zweite Drittel des Spielfelds. Dann folgte, da Jansen (LM) und Ostrzolek (LV) ihren Flügel gut schlossen, der schnelle Seitenwechsel auf Schmelzer. Aber da auch Diekmeier und Müller dort meist rechtzeitig zur Stelle waren, konnte sich der BvB während der ersten Halbzeit keine klare Torchance erspielen – wer hätte das zuvor erwartet?!

Anders der HSV. Einen leichtfertigen Querpass von Ramos konnte Jansen mühelos abfangen. Der spielte seinerseits ins zentrale Mittelfeld. Beide Dortmunder Innenverteidiger, Sokratis und Hummels, orientierten sich in Richtung des dort positionierten Holtby. Der in unmittelbarer Nähe stehende Müller spritzte dazwischen, spitzelte den Ball an den Verteidigern vorbei und hatte plötzlich freie Bahn in Richtung des Dortmunder Tores. Der schnelle Durm kam noch heran, zupfte kurz an Müllers Trikot, musste aber loslassen, da er ansonsten wohl mit Rot vom Platz geflogen wäre. Weidenfeller verkürzte in Erwartung eines Torschusses von Müller den Winkel, dieser aber legte lehrbuchreif quer auf den mitgelaufenen Lasogga, der sich dann sogar den Luxus erlauben konnte, den Ball erst zu stoppen, bevor er ihn letztlich mühelos im Tor unterbrachte. Das 0:1 in der 35. Minute für den HSV entsprach dem Spielverlauf und war durchaus verdient.

Dass der HSV auswärts bei Dortmund zur Halbzeit in Führung liegt – allein dies war schon eine faustdicke Überraschung. Der HSV rannte, spielte und kämpfte, als ginge es bereits in dieser frühen Phase der Saison um das nackte Überleben. Das ließ sich sehen. Allerdings fragte ich mich mit zunehmender Spielzeit etwas besorgt, ob die Kraft der Mannschaft reichen würde, um den gleichen Aufwand auch in der zweiten Halbzeit und damit bis zum Spielende zu betreiben.

Auch in der zweiten Halbzeit war es zunächst ein ausgeglichenes Spiel. Natürlich verstärkte die Borussia ihre Angriffsbemühungen, aber der HSV setzte immer wieder Nadelstiche. So sah man nun Chancen auf beiden Seiten.

In der 66. Minute musste der gute Diekmeier nach einem s.g. Pferdekuss in der Kniekehle vom Feld. Zinnbauer brachte Stieber, der Jansens Part auf der linken offensiven Außenbahn einnahm. Jansen rückte eine Position zurück (LV), und Ostrzolek wechselte auf die gegenüberliegende Position (RV).  Dies wirkte sich jedoch nicht nennenswert negativ auf die defensive Stabilität der Hamburger aus.

Erst in der 72. Minute kam der BvB zu seiner bis dahin besten Torchance. Drobny vereitelte diese Gelegenheit (Schuss von Aubameyang) mit einer tollen Parade. Der HSV hätte seinerseits durch Jansens Drehschuss nach Ecke von Holtby (76.) die Führung ausbauen können, aber der Schuss wurde durch die vielbeinige Dortmunder Abwehr erfolgreich geblockt. Dies hätte sich beinahe postwendend gerächt, denn der eingewechselte Immobile tauchte in der 78. Minute frei vor Drobny auf. Zum Glück für den HSV verfehlte Immobiles Schuss jedoch knapp das Tor des HSV.

Die letzten 20 Minuten des Spiels drückten die Dortmunder mit Macht auf den Ausgleich, aber die Hamburger kämpften defensiv aufopferungsvoll, um die Führung über die Zeit zu retten. Da der BvB immer mehr Risiko gehen musste, eröffneten sich für den HSV einige Konterchancen. So hätte bspw. Holtby, der in der 83. Minute bereits Weidenfeller umspielt hatte, dabei aber nach links abgedrängt worden war, beinahe aus spitzem Winkel das dann wohl entscheidende 0:2 erzielt. Auch der eingewechselte Rudnevs hatte eine Konterchance, die er aber aufgrund technischer Mängel nicht nutzen konnte. So blieb es am Ende beim knappen Auswärtssieg des HSV.

Schiedsrichter: Felix Zwayer (Berlin). Leitete eine hitzig geführte Partie und bot in meinen Augen eine gute Leistung. Verhängte individuelle Strafen, wenn dies geboten schien. Beruhigte die Gemüter mehrfach durch seine persönliche Ansprache an die Spieler. Zweifelhaft erschien mir allerdings die gelbe Karte gegen Ostrzolek, da beide, Ostrzolek und Schmelzer, mit hohem Bein in den Zweikampf gingen.

Fazit: Auch ich habe mit meiner Prognose daneben gelegen. Erfreulicherweise erscheint mir der knappe Sieg des HSV weder unverdient noch rein zufällig. Die Hamburger zeigten im Vergleich mit ihrem Gegner in der ersten Halbzeit die etwas bessere Leistung. Unbestreitbar gehörten vor allem die letzten zwanzig Minuten des Spiels den Gastgebern, die jedoch für mich überraschend wenig klare Torchancen herausspielten. Zudem sollte man nicht übersehen, dass der HSV bei einigen Konterchancen die Möglichkeit besaß, die Führung auszubauen und damit das Spiel vorzeitig für sich zu entscheiden. Am Ende erzählt eben jedes Spiel seine eigene Geschichte. Papierform nützt nichts, wenn man sie nicht auf den Platz bringt.

Ich gratuliere der gesamten Mannschaft zu einer sehr guten, engagierten und taktisch disziplinierten Teamleistung. Hervorheben möchte ich aus gutem Grund nur einen Spieler: Der oft (zurecht) gescholtene Djourou machte vielleicht sein bisher bestes Spiel für den HSV. Und dies, obwohl bei ihm kurz nach Wiederanpfiff zur zweiten Halbzeit eine Gehirnerschütterung befürchtet werden musste. Was er alles antizipierte und nachfolgend klärte – großartig.

Der HSV war (und ist es wohl auch noch nach diesem Spiel) in meinen Augen die am weitesten unterbewertete „Aktie“ am Bundesliga-Markt. Eine rein quantitative Analyse, die sich zudem bisher fast ausschließlich auf fehlende Siege und Tore bezieht, und die psychologisch durch die desaströse letzte Saison grob verzerrt wird, führt in die Irre. Zweikampfverhalten, Passquote oder Laufleistung – die jeweiligen Werte dieser Saison deuteten bereits an, dass sich der HSV im Vergleich zur Vorsaison verbessert hat. Dass bisher Tore und Siege fehlten, dafür gibt es m.E. vernünftige, plausible Begründungen.

Natürlich, darüber darf auch dieser überraschende Sieg in Dortmund nicht hinwegtäuschen, ist nun nicht alles rosarot beim HSV. Die Mannschaft ist weiter in der Entwicklung und wird wahrscheinlich den einen oder anderen Rückschlag hinnehmen müssen. Entscheidend bleibt aber, dass die generelle Tendenz der Entwicklung stimmt. Ungeachtet des Resultats gegen die Dortmunder lässt sich meiner Meinung nach feststellen, dass dieser Hamburger Kader besser ist, als er bisher von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Diese Mannschaft hat das Potenzial, um nichts mit dem Abstieg zutun haben zu müssen. Und sie macht unter Joe Zinnbauer eindeutig Fortschritte, was sich aber wohl bisher nur denjenigen erschloss, die eine quantitative Bewertung (Tabellenstand; Addition von Punkten) durch eine qualitative Analyse ergänzen (können).

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Am Ende haben fast alle verloren – Der HSV entlässt Mirko Slomka

Der Hamburger Sportverein hat am gestrigen Abend seinen Trainer, Mirko Slomka, mit sofortiger Wirkung entlassen. Diese Meldung wurde vom Mediendirektor des Vereins, Jörn Wolf, bestätigt.  Angeblich sollen auch die beiden Assistenten Slomkas, Bajramovic und El Maestro, den Dino verlassen.

Aus sportlicher Sicht betrachtet lassen sich durchaus Argumente für diese Entscheidung der Verantwortlichen finden.

Zunächst sind es die nackten Zahlen, die gegen eine Weiterbeschäftigung Slomkas sprachen. Schließlich fällt seine Bilanz mit nur 12 Punkten aus 16 Bundeligaspielen (3 Siege, 3 Unentschieden und 10 Niederlagen entsprechen 0,75 Punkte je Partie) äußerst bescheiden aus. Auch in der letztlich erfolgreich überstandenen Relegation gegen den Zweitligisten Fürth gelang dem Team unter seiner Führung kein Sieg, sodass der Klassenerhalt denkbar knapp und nur dank der Auswärtstor-Regel (0:0. in Hamburg; 1:1 in Fürth) gesichert werden konnte.

40 Punkte, so heißt es, benötige eine Mannschaft, um nicht abzusteigen. Bei 34 Spieltagen einer Saison folgt daraus, dass der Arbeitsplatz jedes Trainers, dessen Mannschaft je Spiel im Durchschnitt nur einen Punkt erreicht, gefährdet ist. Denn 34 Punkte können zwar u.U. zum Klassenerhalt reichen, verfehlen aber bereits deutlich jene als abstiegssicher geltende Zone der Tabelle jenseits der magischen 40-Punkte-Marke. Trainer aber wie Slomka (oder dessen Vorgänger van Marwijk), deren durchschnittliche Punkteausbeute sogar deutlich unterhalb des prinzipiell bereits ungenügenden einen Punktes je Spiel liegt, müssen grundsätzlich jederzeit mit ihrer Freistellung rechnen. So gesehen erscheint die gestrige Entscheidung des HSV zunächst unzweifelhaft richtig.

Zweifel sind in diesem Zusammenhang jedoch angebracht. Denn fraglich muss bereits erscheinen, ob ein anderer Trainer mit demselben Kader (der letzten Saison, die in die Berechnung maßgeblich einfließt) einen besseren Quotienten erreicht hätte. Tatsache ist, dass sich bereits vor Slomka die Trainer Fink (zu Beginn der vergangenen Spielzeit) und van Marwijk ähnlich erfolglos bemühten, den Club zurück in die Erfolgsspur zu führen. Dass hier möglicherweise auch fehlende Qualität des Personals eine ganz gewichtige Rolle gespielt hatte, zu dieser Schlussfolgerung war man offenbar auch in der Chefetage der Hamburger gekommen. Folgerichtig wurde die Zusammenstellung der Mannschaft durch zahlreiche Transfers in der diesjährigen Sommerpause tiefgreifend verändert.

Unbestreitbar dürfte ebenfalls sein, dass es Slomka gelungen ist, jene konditionellen Defizite des Hamburger Personals aufzuarbeiten, die zu den vielen Problemen der letzten Spielzeit zählten, die er nicht zu verantworten, gleichwohl aber auszubaden hatte.

Zu belegen ist ebenfalls, dass Slomka zu Saisonbeginn wichtige Spieler für ein neues Spielkonzept, z.B. Holtby und Nicolai Müller, gar nicht zur Verfügung standen. Holtby wurde bekanntlich erst nach dem zweiten Spieltag mit Ablauf der Transferperiode verpflichtet, Müller kam verletzt nach Hamburg und konnte bis zum Spiel gegen Hannover 96 kaum mit seinen neuen Kollegen trainieren. Wenn  man dann noch andere verletzungsbedingte Ausfälle mit ins Kalkül zieht (Jansen, Ilicevic – schon wieder! – und van der Vaart), erscheint höchst zweifelhaft, ob irgend ein Trainer in der Lage gewesen wäre, gegen Hannover zu punkten.

Ein Trainer ist immer nur so stark, wie der Rückhalt, den er bei seiner Clubführung genießt. Das weiß jeder, der einmal als Trainer in Vereinen gearbeitet hat, und das belegen auch zahlreiche Aussagen etablierter Bundesligatrainer. Slomka muss daher auch zugute gehalten werden, dass seine Autorität bereits vor Wochen (ohne jede Not!) durch ein Interview von Klaus-Michael Kühne im Hamburger Abendblatt in aller Öffentlichkeit untergraben wurde. Da passte es ins Bild, dass sich plötzlich auch  ein einfaches Mitglied des neu gebildeten Aufsichtsrates (Nogly) bemüßigt fühlte, die Trainingsmethoden Slomkas öffentlich in Frage zu stellen. Da muss man sich nicht wundern, wenn das kickende Personal derartige Steilvorlagen nutzt, um ebenfalls medienwirksam angebliche Fehler des Trainers zu lancieren., bzw. ureigenste Interessen zu verfolgen.

Natürlich hat auch Slomka Fehler gemacht. So erscheint, ich habe dies hier schon ausführlich thematisiert, der unvermittelte Torwartwechsel von Adler zu Drobny nicht plausibel. Fragwürdig erscheint auch, dass er durch den kurzfristigen Einsatz von Cléber, der bislang kaum Zeit hatte, sich an Land, Leute und Liga zu gewöhnen, das Risiko in Kauf nahm, die ohnehin wackelige HSV-Defensive ggf. weiter zu destabilisieren. Unverständlich auch, dass Müller, der erst am Freitag vor dem Spiel mit der Mannschaft erstmalig trainieren konnte, von Beginn an auflaufen durfte. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Müller bis zum Schlusspfiff durchhielt. Insgesamt wirkte Slomkas Aufstellung gegen Hannover 96 auf mich wie ein überschießendes, trotziges Statement zu entsprechenden Äußerungen aus der Clubführung: Ihr wollt jetzt die neuen Leute sehen??! – LMAA, hier habt ihr sie! – Aber das ist nur mein subjektiver Eindruck.

Durchaus bemerkenswert ist, dass sich Aufsichtsratschef  und  Kühne-Vertrauter Gernandt nach der Niederlage gegen Hannover öffentlich mit der Aussage zitieren ließ, man werde nun zu 120 Prozent keinen kurzfristigen Trainerwechsel vornehmen. Das scheint mir dreierlei zu zeigen: erstens ist offensichtlich nicht alles verlässlich, was Herr Gernandt äußert; zweitens war dieses Statement offenbar nicht mit Dietmar Beiersdorfer abgesprochen; drittens scheint Gernandt immer noch nicht verstanden zu haben, wie das Geschäft Profifußball funktioniert.

Ebenfalls bemerkenswert: Grundsätzlich mag es als harmlose, zu vernachlässigende Petitesse erscheinen, für die rein praktische Gründe sprechen, aber dass man über den „Kopf“ des Trainers in den Büroräumen von Kühne&Nagel konferiert, wirkt vor dem Hintergrund des bereits angesprochenen Kühne-Interviews zu Slomka und den mindestens wiederholt als unglücklich zu bewertenden öffentlichen Äußerungen Gernandts so, als bewege sich der HSV am Gängelband seines wichtigsten Geldgebers und sei tatsächlich nicht wirklich frei in seinen Entscheidungen. Das mag sachlich nicht richtig sein, jedoch wirkt es so. Allein das ist schon fatal, denn es gießt weiter Wasser auf die Mühlen derjenigen, die exakt diese Gefahr erkannt zu haben glaubten.

Äußerst fragwürdig ist ohnehin der Zeitpunkt der Entscheidung. Wenn man aufgrund der letzten Saison Zweifel an Slomkas Arbeit hatte, dann hätte man diesen bereits zusammen mit Kreuzer entlassen können, um einen unbelasteten Neubeginn zu forcieren. Spätestens aber nach dem ernüchternden Spiel gegen Paderborn aber, auf das die zweiwöchige Länderspielpause folgte, hätte es die Möglichkeit gegeben, einen neuen Trainer zu installieren, der dann auch etwas Zeit zur Umsetzung seiner eigenen Ideen gehabt hätte. Diese hat der jetzt kommende Trainer nun nicht. Im Gegenteil! Der Neue hat das zweifelhafte Vergnügen nun mit einer gleich im mehrfachen Sinne neuen Mannschaft gegen die Bayern und dann gegen M’Gladbach anzutreten…

Die gestrige Entscheidung mag grundsätzlich begründet erscheinen, tatsächlich aber beschädigt sie fast alle:

1). Slomka gilt nach seinem letzten, ebenfalls erfolglosen Jahr in Hannover nun als ein Trainer, der innerhalb weniger Monate auch in Hamburg gescheitert ist;
2.) Die Glaubwürdigkeit des AR-Vorsitzenden Gernandt ist nachhaltig beschädigt;
3.) Beiersdorfer mag durch die Entscheidung demonstriert haben, dass am Ende er (und nicht Gernandt oder Kühne) das Sagen hat, muss sich aber fragen lassen, ob er seinen „Laden“  tatsächlich im Griff hat;
4.) Kühne wirkt zunehmend wie ein Edel-Fan, der sich dank seines Geldes das Privileg erkauft zu haben scheint, „seinem“ Club jederzeit ins operative Geschäft hineinzupfuschen;
5.) Der Charakter derjenigen Spieler im Kader (offenbar sind darunter einige der verbliebenen „Leistungsträger“), die jetzt selbstgerecht den Trainer kritisierten und Interna nach außen durchsteckten, ist nachhaltig in Zweifel zu ziehen.

Einmal mehr verliert jedoch der HSV, der seinen Ruf zementiert, dass seine Trainer auf dem Schleudersessel sitzen.

Man kann den Verantwortlichen jetzt nur ein glückliches Händchen bei der Auswahl des nächsten Trainers wünschen. Schon im eigenen Interesse. Die 86,9 Prozent Zustimmung zur Ausgliederung waren nicht nur ein überwältigender Vertrauensvorschuss, sie definieren zugleich auch eine enorme Fallhöhe…