Maggio

Abschied für längere Zeit? HSV – FC Bayern München

Der HSV empfängt am Samtag den neuen Deutschen Meister, den FC Bayern München. Es ist das letzte Heimspiel in dieser Saison. Und es könnte für längere Zeit auch das letzte Heimspiel der Hamburger als Erstligist sein.

Was waren das früher für Duelle?! Es gab eine Zeit, da war der Hamburger SV tatsächlich auf Augenhöhe mit den Großen der Liga, sogar mit dem längst unumstrittenen Branchenprimus aus München. Wer erinnerte sich nicht, bspw. an das legendäre 3:4 in München? Während ich dies schreibe, wird mir erneut bewusst, wie viel Zeit seit damals verstrichen ist. Damals, 1982, war ich ein junger Mann. Das Abitur war erfolgreich bestanden und die Welt schien mir offen, so dachte ich wenigstens.

Mein Schulfreund, Sebastian, hatte anfang der Achtziger in den Ferien zwei Jungs aus München kennengelernt. Die waren im selben Alter wie wir. Als er zurückkehrte, da erzählte er mir voller Begeisterung von dieser Begegnung. Man hatte natürlich die Telefonnummern und Adressen ausgetauscht, und sich wechselseitig versichert, man müsste sich unbedingt bald wiedersehen. Und so dauerte es nicht lang. Eines Tages klingelte in Hamburg ein Telefon. Ein gewisser Reiner war am Apperat und kündigte seinen Besuch für das kommende Wochenende an. Ich weiß noch genau, wie ich Sebastian zum Hamburger Hauptbahnhof begleitete, um eben diesen Reiner in Empfang zu nehmen. Kurze Zeit später saßen wir unweit des Bahnhofs am Eingang der Langen Reihe im legendären Max und Consorten, aßen Croque Monsieurs und tranken Bier. Und dann geschah etwas Magisches, etwas, was einem im Leben nur selten begegnet: Je länger wir dort saßen und uns unterhielten, desto klarer wurde Reiner und mir, dass wir Brüder waren. Schrieb ich gerade „Brüder“?! Eineiige Zwillinge! Nach der Geburt getrennt und nur durch eine Laune der Natur oder widrige Umstände getrennt aufgewachsen. Das schien die einzig vernünftige Erklärung zu sein. Egal welches Thema wir anschlugen, ob wir über Musik, Literatur, Politik, Sport oder Philosophie sprachen – der jeweils andere dachte fast dasselbe. Er begeisterte sich für dieselbe Musik, mochte dieselben Autoren oder sah die politische Lage sehr ähnlich.

Wenige Wochen später fuhr ich zum Gegenbesuch zum ersten Mal nach München und lernte seine dortigen Freunde kennen. Ich erspare Euch an dieser Stelle weitere Details, denn sie sind in diesem Zusammenhang nicht wichtig. Wichtig ist hier allein: Wir waren jung, meinten noch, wir könnten diese Erde fast im Alleingang zu einem besseren Planeten machen und sprachen auch, natürlich, natürlich!, über Fußball. So erfuhr ich damals quasi aus erster Hand, dass die Münchner damals nicht nur mit Respekt, sondern sogar mit ein wenig Neid nach Hamburg blickten. Lang, lang ist das her.

Viele Jahre später, Reiner und ich hatten uns längst aus den Augen verloren und die Vereine eine unterschiedliche Entwicklung genommen, da gab es erneut eine Phase, da gab es für die Münchner gegen den HSV wenig zu bestellen. Das war die Zeit, als Atouba auf Hamburger Seite es wagte, gleich drei Münchner mit tolldreisten Tricks schwindelig zu spielen. Als Zuschauer war man hin und hergerissen. Selten lagen in Hamburg Genie und Wahnsinn so eng beieinander, wie bei Timothy. Und wenn auch am Ende der Saison meist die Bayern Meister wurden, während der HSV bestenfalls ins internationale Geschäft einzog, zwei Mal im Jahr wurde es schwer für den FCB. Auch das ist nur noch Erinnerung.

Nun kommen sie wieder, die Bayern. Und ich fürchte, es wird für mehrere Jahre das letzte Mal sein, dass sie uns in derselben Spielklasse begegnen. Dass sie unter der Woche im Halbfinale der ChampionsLeague gegen Real Madrid ausschieden, macht die Aufgabe für den HSV gewiss nicht leichter. Zwar ätze Beckenbauer via Boulevard, der HSV spiele gegen eine angeschlagene Mannschaft, aber mal ehrlich: wer nimmt Firlefranz noch wirklich ernst?

Natürlich, gänzlich ausgeschlossen ist es nicht, dass der HSV zumindest einen Punkt erkämpft. Aber da müsste schon alles, wirklich alles zugunsten der Hamburger laufen. Zu groß erscheinen die Unterschiede in der individuellen Qualität der Spieler beider Mannschaften, zu sattelfest erscheint allen Unkenrufen zum Trotz das Spielsystem der Bayern. Während HSV-Trainer Slomka z.B. nur die Wahl hat, ohne jeden Stürmer anzutreten, oder dem U23-Nachwuchsspieler, Maggio, erneut zu vertrauen, kann Guardiola aus dem Vollen schöpfen. In Hamburg wäre man derzeit schon glücklich, stünde dem HSV wenigstens der inzwischen in die Jahre gekommene Pizarro von der Bayern-Bank zur Verfügung.

Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass nach einer 0:4-Klatsche im eigenen Stadion und dem damit einhergehenden Verpassen des CL-Finales bei den erfolgsverwöhnten Bayern wieder die Alarmsirenen heulen. Schließlich dürfte für die dortigen Verantwortlichen nicht nur das Ausscheiden ansich, sondern vor allem die Art und  Weise eine herbe Enttäuschung sein. Man wird also nicht nur um Wiedergutmachung bemüht sein, vielmehr gilt es, rechtzeitig vor dem DFB-Pokal-Finale die aufflammende Diskussion um das Spielsystem und  Trainer Guardiola bereits im Keim zu ersticken. Den Verantwortlichen dort dürfte zugutekommen, dass sie Druck von der Bank erzeugen können. Schließlich wird jeder ihrer Spieler wenigstens im Finale in Berlin spielen wollen, um hernach den Gewinn des DFB-Pokals als tatsächlich selbst errungen feiern zu dürfen.

Wer das Spiel gegen den FC Augsburg gesehen hat, speziell die letzte halbe Stunde,  der dürfte bemerkt haben, dass sogar der FCA in der Lage war, sich den HSV nach allen Regeln der Kunst zurechtzulegen. Wenn man dann an die ungleich höhere Qualität der Bayern denkt, dann muss man schon über einen unerschütterlichen Optimismus verfügen, um auch nur von einem Punktgewinn des Hamburger Sportvereins zu träumen. Realistischer erscheint da schon eher die Hoffnung, dass sich die Niederlage in Grenzen hält, damit wenigstens der Vorteil in der Tordifferenz  zu den anderen abstiegsgefährdeten Mitkonkurrenten nicht gänzlich aufgezehrt wird. So weit ist es mit dem HSV gekommen. Bitter!

Aber auch wenn sogar ein Punkterfolg nüchtern betrachtet vollkommen unrealistisch erscheint, so muss auch dieses Spiel erst einmal gespielt werden. Als Zuschauer erwarte ich vom HSV in diesem Spiel wenig bis fast nichts. Was ich aber erwarte, was ich mit Nachdruck verlange!, ist, dass sich die Mannschaft mit dem Mute der Verzweiflung von der ersten Minute an gegen das gegen diesen Gegner allzeit drohende Debakel stemmt. Denn selbst nach einer Niederlage und gleichzeitigen Punktgewinnen der Konkurrenten muss noch ein kleiner Funken Hoffnung auf den Klassenverbleib vorhanden sein. Alles andere ist im Grunde inakzeptabel. Am Ende des letzten Spieltages kann jedes einzelne geschossene oder kassierte Tor den entscheidenden Unterschied ausmachen.

Ich gehe aufgrund der Nachrichtenlage von der folgenden Aufstellung des HSVs aus:

Adler – Diekmeier, Westermann, Mancienne, Jansen – Calhanoglu, Arslan Rincon, Badelj, Ilicevic – van der Vaart – Maggio

Auch wenn die Jahre ins Land zogen, auch wenn die Haare langsam grau werden, auch wenn der einst große HSV inzwischen nur noch zu einem traurigen Abklatsch seiner selbst heruntergewirtschaftet wurde, so hoffe ich inständig, dass sich, wenn es denn so kommen sollte, der Verein wenigstens mit Anstand aus der Ersten Liga verabschiedet. Auch wenn wir inzwischen sportlich kaum konkurrenzfähig und fast chancenlos erscheinen –  wahre Größe erweist sich in der Niederlage.

Unterstützen wir also unsere Mannschaft bis zum allerletzten Abpfiff! Mag der Frust über die inkompetenten Versager in den Gremien in den letzten Jahren Jahrzehnten auch noch so groß sein – Haltung bewahren ist fast das Einzige, was uns noch bleibt. Und während ich das schreibe, soviel sei verraten, laufen mir, der ich weiß Gott nicht sonderlich nah am Wasser gebaut habe, Tränen ohnmächtiger Wut über das Gesicht. Nicht einmal in meinen schlimmsten Träumen hätte ich mir vorstellen können, dass ein Appell an „Haltung“ das Letzte ist, was einem als HSV-Anhänger vernünftigerweise noch bleibt. Wo ist nur die schöne Zeit geblieben?!

 

DAS RESTPROGRAMM

15. VfB Stuttgart (32 Pkt; -11):
VfL Wolfsburg (H)
Bayern München (A)

16. Hamburger Sportverein (27 Pkt; -20):
Bayern München (H)
1. FSV Mainz 05 (A)

17. 1.FC Nürnberg (26 Pkt; -28)
Hannover 96 (H)
FC Schalke 04 (A)

18. Eintracht Braunschweig (25 Pkt; -28):
FC Augsburg (H)
1899 Hoffenheim (A)

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Dem Dino droht der direkte Abstieg: FC Augsburg – HSV 3:1 (3:1)

Ich hätte große Lust, an dieser Stelle jetzt eine gnadenlose Abrechnung mit all den vielen, vielen Einzelpersonen und Fraktionen zu beginnen, die m.E. für den  inzwischen galoppierenden Niedergang des Hamburger Sportereins verantwortlich sind. Ich werde dieses prall gefüllte, große Fass jedoch nicht aufmachen. Noch nicht. Aber der Zeitpunkt, an dem abgerechnet wird, rückt näher. Wenigstens zwei Spieltage jedoch werde ich versuchen, mich allein auf die sportliche Situation zu beschränken, denn alles andere wäre zum jetzigen Zeitpunkt für den Verein kontraproduktiv. Davon bin ich und bleibe ich überzeugt.

Spielverlauf und Resultat eines Fußballspiels sind von vielen, vielen Dingen abhängig. Ich denke, das gestrige Spiel hat einige dieser Faktoren sehr deutlich zu Tage treten lassen. Normalerweise schreibe ich einen ausführlichen Spielbericht vor allem für diejenigen unter Euch, die das Spiel nicht mit eigenen Augen verfolgen konnten. Das würde ich mir heute nur zu gern ersparen, denn es zwingt mich jedes Mal, das trostlose Gekicke der Mannschaft meines Herzens erneut minutiös zu durchleiden. Aber mag es mir auch schwerfallen, so werden vielleicht einige der Faktoren erkennbar, die zum Ergebnis beitrugen. Und das erscheint mir als Kontrapunkt in der allgemeinen Berichterstattung über den HSV wichtig. Will uns der Boulevard in seinen s.g. Expertisen doch beständig nach Niederlagen einreden, es habe hauptsächlich an der richtigen Einstellung gemangelt. Dieses Spiel hat jedoch einmal  mehr schonungslos offengelegt, dass Erklärungsversuche deutlich differenzierter ausfallen müssen. Es ist eben nicht die mangelhafte Einstellung der Profis, jedenfalls nicht hauptsächlich oder allein, die den Dino in höchst akute Abstiegsgefahr gebracht hat.

Die Mannschaft war, ich erwähnte dies in meiner Vorschau, vorzeitig nach Augsburg gereist. Zum einen wollte man tatsächlich ausgeruht in dieses eminent wichtige Spiel gehen, zum anderen wollte man sich fokussieren und als Team noch enger zusammenrücken. Vor Ort fand dann noch eine Trainingseinheit statt. Als Resultat schickte Mirko Slomka die folgende Mannschaft ins Rennen gegen die Augsburger:

Aufstellung: Adler – Diekmeier, Westermann, Mancienne, Jansen (69. Jiracek) – Rincon, Badelj (75. Demirbay), Arslan, Ilicevic – Calhanoglu – Maggio (61. Zoua)

Spielbericht: Kaum noch ein Spiel des Hamburger Sportvereins, bei dem der Betrachter nicht bereits kurz nach dem Anpfiff ein ungutes déja vu erleben würde. Das Spiel war gerade einmal sechs Minuten alt, da lag der HSV bereits 0:1 zurück. Wieder einmal. Hatte ich im Vorbericht die Augsburger Kompaktheit gepriesen und als Vorbild für den HSV ausgegeben, so war Hamburgs linke Seite zum ersten aber keineswegs zum letzten Mal offen wie ein Scheunentor. Der schnelle Hahn marschierte über den Flügel und passte scharf nach innen auf Höhe der Strafraumgrenze. Dort rutschten mehrere Hamburger Spieler auf dem seifigen Rasen aus. Augsburgs Altintop erwies sich jedoch als standfest und kam fast unbedrängt in zentraler Position vor dem Gäste-Tor zum Schuss. Adler war chancenlos. Das 1:0 (6.) für die Hausherrn.

In der 16. Minute schoss Hahn Hamburgs Mancienne aus kürzester Distanz im Hamburger Strafraum den Ball an die Hand. Schiedsrichter Welz verweigerte zurecht den Elfmeterpfiff.

Das erste wirkliche Ausrufezeichen aus Hamburger Sicht war in der 18. Spielminute zu notieren. Ilicevic zog endlich einmal efolgreich vom linken Flügel nach innen und wurde von Augsburgs Innenverteidiger, Callsen-Bracker, vier Meter vor der Strafraumgrenze und mittig zum Tor gefoult. Calhanoglu hob den folgenden Freistoß sehenswert über die Mauer. Leider erwies sich Hitz im Tor der Gastgeber als sicherer Rückhalt. Er tauchte blitzschnell in die Ecke und konnte den Ball gerade noch parieren. Der HSV war trotz des erneut frühen Rückstandes gut im Spiel. Die Mannschaft wirkte durchaus willig und engagiert. Man gewann fast 60 Prozent der Zweikämpfe und erreichte ein optisches Übergewicht. Das sah zunächst gar nicht schlecht aus. Leider fehlten klar herausgespielte Torchancen. So kam man, wenn überhaupt, nur mit Fernschüssen zum Abschluss, die jedoch letztendlich ungefährlich blieben.

In der 25.  Minute flankte Calhanoglu einen Freistoß von links in den Augsburger Strafraum. Der aufgerückte Westermann kam im Fünfmeter-Raum, bedrängt von einem Augsburger, an den Ball, schob diesen jedoch knapp am rechten Pfosten vorbei. Sechs Minuten später (31.) herrschte erneut Alarm im Strafraum der Gastgeber. Leider traf Badelj den hüfthohen und daher schwer zu nehmenden Ball nicht richtig. Nur eine Minute später war erneut die linke Abwehrseite des HSVs offen. Hahn marschierte erneut und passte dann scharf aus dem Lauf nach innen. Dieses Mal war Badelj nicht schnell genug zurückgeeilt. Altintop kam wieder fast unbedrängt aus neun Metern zentral vor Adler zum Schuss – das 2:0 für den FCA als logische Konsequenz. Spätestens jetzt sah ich mich in meiner Befürchtung bestätigt,  die ich hier an gleicher Stelle in der Vorschau ganz bewusst unterschlagen hatte. Beide zuletzt verletzten Spieler, Jansen und Badelj, waren zwar spielfähig, wirkten jedoch alles andere als wirklich fit. Dass HSV-Trainer Slomka sie dennoch meinte bringen zu müssen, zeigt, wie dünn die Personaldecke des Vereins inzwischen ist. Im Grunde stellt sich die Mannschaft fast von alleine auf.

Wenn von Hamburger Seite etwas offensiv ging, dann meist über die rechte Seite. Dort mühte sich Rincon im Zusammenspiel mit Diekmeier redlich auf einer für ihn sicher suboptimalen Position. Hier wurde aber auch ein weiteres Manko deutlich: Diekmeier konnte gefühlt fünfzehn Flanken von rechts nach innen schlagen, aber diese segelten in aller Regel vollkommen ungefährlich an Freund und „Feind“ vorbei. Das lag aber nur zum Teil daran, dass sie einfach ganz schlecht, da zu hoch und/oder zu lang, geschlagen waren. Slomka hatte sich nach wohl durchaus überzeugenden Trainingsleistungen für Maggio (statt Zoua) als Sturmspitze entschieden. Der junge Nachwuchsspieler lief viel, aber Training und realer Wettkampf sind zwei Paar Schuhe. Er blieb blass und konnte zu keiner Zeit nennenswert in Erscheinung treten. Auch hier kein Vorwurf meinerseits an Slomka, denn ob ein Nachwuchsspieler wirklich unter Wettkampfbedingungen funktioniert, das kann man nur herausfinden, wenn man ihm ein gewisses Vertrauen schenkt. Es fehlte den Flanken also an Qualität und an einem Abnehmer.

In der 35. Minute kam Arslan nach schöner Einzelleistung aus 25 Metern zum Abschluss. Aber auch der Ball rauschte über das Gehäuse der Gastgeber. Es war in meinen Augen Tolgays beste Szene. Im weiteren Spielverlauf fiel er allenfalls durch umständliches und schlampiges Pass-Spiel auf. Womit ich beim nächsten Faktor wäre: der eine Sechser (Badelj) nicht im Vollbesitz seiner Kräfte und verletzungsbedingt mit fehlendem Spielrhythmus, der andere mit großen Leistungsschwankungen.

Einmal mehr durfte sich der überragende Hahn auf Augsburger Seite ungestört von Hamburgs Defensive in Szene setzen. In der 42. Minute kam er aus halbrechter Position und ca. 20 Metern frei zum Abschluss. Der Ball kam auf den kurzen Pfosten. Dort stand Adler und wollte den Schuss mit beiden Armen abwehren, boxte sich den Ball jedoch neben den Posten ins eigene Netz. Das 3:0 für den FC Augsburg. Für einen Bundesligatorhüter, zumal einen Nationalspieler, ein kapitaler Fehler. Und leider ist es inzwischen wohl der siebte folgenschwere Fehler,  der René in dieser Spielzeit unterläuft. Auch hier lässt sich eine Feststellung treffen: In der letzten Saison war es ein überragender Adler, der dem HSV viele Punkte fast im Alleingang gesichert hat. Das hat über viele, bereits damals im Prinzip  vorhandene und erkennbare Defizite hinweggetäuscht. Ohne einen famosen Adler in Bestform jedoch treten diese Defizite nun jedoch schonungslos zu Tage.

Kurz vor der Pause dann ein kleiner Hoffnungsschimmer aus Sicht der HSV-Anhänger. Calhanoglu flankte einen Freistoß für den HSV wieder vom linken Flügel mit Schnitt zum Tor. Dem erneut aufgerückte Westermann fiel der Ball auf die Schulter. Von dort wurde er für Hintz unhaltbar in lange Eck abgefälscht. Der Anschlusstreffer zum 3:1 in der 44. Minute.

Zur Halbzeit habe ich mir das folgende Zwischenfazit notiert: entscheidende Pässe des HSVs werden zu ungenau, z.T. in den Rücken des Mitspielers, gespielt. Dadurch gehen immer wieder Tempo und Spielfluss verloren, was dem Gegner die wenigen Sekunden verschafft, die er benötigt, um etwaige defensive Lücken zu schließen. Torgefahr entsteht, wenn überhaupt!, allein durch Calhanoglu. Ilicevics Spielweise ähnelt der des bayrischen Robben, erreicht aber nicht ansatzweise dessen Qualität. Absolut vorhersehbar zieht er an der Strafraumgrenze vom linken Flügel nach innen und verliert spätestens dann fast immer den Ball.

Den Spielbericht der zweiten Halbzeit versuche ich kurz zu halten, da ohehin keine weiteren Tore fielen. Bemerkenswert erscheint mir eine Szene aus der 60. Minute: Es gab einen Eckstoß für Augsburg von links (aus Hamburger Sicht). Alle Hamburger versammelten sich in Erwartung einer Flanke rund um den eigenen Fünfmeter-Raum. Am linken Strafraumeck stand ein Augsburger mutterseelenallein. Unglaublich! Dieser wurde dann vom Eckenschützen – Überraschung! – angepielt und konnte kontrolliert, da nicht unter Druck gesetzt, flanken. Adler kam raus und wollte klären, wurde aber vom eigenen Mann, Westermann, behindert. Am Ende hatte das keine Folgen. Sicher kommen derartige Szenen immer mal wieder vor (Torhüter vom eigenen Mann behindert), in der Gesamtansicht steht diese Szene jedoch für mich sinnbildlich für das zum Teil groteske Defensivverhalten des HSVs.

Eine Minute später, also in der 61., hatte der HSV einen Eckstoß von der linken Seite. Calhanoglu (wer sonst?!) flankte, Westermann köpfte (wer sonst?!), aber verfehlte erneut das Tor der Gastgeber (was sonst?!). Der Ball strich knapp am rechten Pfosten vorbei ins Toraus. Das ist übrigens bereits die vorletzte Torchance gewesen, die ich für den HSV notiert habe…
Praktisch im Gegenzug konnte Adler einen sehenswerten Fernschuss mit Mühe gerade noch parieren. Eine Minute später setzte der starke Altintop einen Kopfball denkbar knapp links neben das Tor der Hamburger.

Der eingewechselte Zoua belebte ein wenig das Hamburger Spiel, da er erkennbar um Spielfluss bemüht war. Aber einmal mehr konnte das Hamburger Mittelfeld, allen voran die beiden Sechser (s.o.), spielerisch nicht überzeugen. Wo die Augsburger als Mannschaft kombinierten, da zeigten der HSV Stückwerk. Immer wieder wurde umständlich der Ball auf den anderen Fuß gelegt, bzw. mussten schlecht gespielte Pässe der Mitspieler erst mühsam unter Kontrolle gebracht werden. Das war ganz, ganz schwach. Und dann ist es eben auch nicht ausreichend, wenn man unbedingt „will“, was sich u.a. aus der positiven Zweikampfquote für den HSV (56% gewonnen) ablesen lässt.

In der noch verbleibenden halben Stunde spielte im Grunde nur noch der FCA. Ich verzichte darauf, alle Torchancen aufzuzählen, die Adler noch parierte, oder die der FCA anderweitig verschenkte. Zeitweise, ich muss das so deutlich schreiben, war das mehr als ein Klassenunterschied zwischen beiden Kontrahenten. Die Augsburger konnten sich den HSV in aller Ruhe zurecht legen und hätten im Grunde noch mehr als zwei weitere Tore erzielen können, wenn nicht gar müssen!

Zwei Szenen noch und dann ist dieser Bericht des Grauens überstanden:
In der 81. Minute ließ sich der ansonsten tadellose Mancienne als letzter Mann vom eingewechselten Südkoreaner, Dong-Won Ji, viel zu leicht übertölpeln. Ein zweifellos kapitaler Bock, der nicht verschwiegen werden soll, der aber zum Glück folgenlos blieb, da Adler einmal mehr seine Klasse im 1:1 unter Beweis stellte.
In der Nachspielzeit (90+1.) zog Rincon mit dem Vollspann volley ab, doch Hitz im Tor der Gastgeber war einmal mehr auf dem Posten und konnte diesen Schuss, der wahrlich einen Treffer verdient gehabt hätte, gerade noch über die Latte des Tores lenken. Kurz darauf erlöste Schiedsrichter Welz alle, denen der HSV am Herzen liegt.

Schiedsrichter: Welz (Wiesbaden). Hatte alles im Griff. Schlichtete nach Schubser von Rincon an die Brust eines Gegenspielers (der daraufhin umfiel) ohne Karte. Gut.

Fazit: Den Sieg des FC Augsburg kann ich nur als hochverdient bezeichnen. Beeindruckend, was Trainer Markus Weinzierl in dieser Saison mit seiner Mannschaft leistet.
„Er/sie war stets bemüht, den Anforderungen gerecht zu werden….“ – man kennt diese Formel aus dem Zeugnisjargon. Gemeint ist, dass der Bewertete letztlich nicht die Qualität besitzt, um die geforderte Leistung tatsächlich zu erbringen. Ich denke, dies traf mindestens in diesem Spiel auf den HSV zu. Die Mannschaft wollte, aber es fehlt(e) an Qualität.
Adler, auch wenn er ansonsten gut hält, immer wieder mit schlimmen Fehlern. Jansen und Badelj nur spielfähig aber nicht wirklich fit – das ist insbesondere bei Jansen, der sehr von seiner Physis, seiner Dynamik lebt, ein schweres Problem. Der für ihn eingewechselte Jiracek wirkte deutlich spritziger. Aber wenn man aus dem Rathaus kommt…
Arslan erneut, vor allem in der letzten halben Stunde, oft nur mit Alibi-Pässen oder schlampigen Zuspielen. Diekmeier mit überwiegend schlechten Flanken, die zudem keinen Abnehmer finden konnten, da auch falsch gelaufen wurde. Torgefahr entsteht im Grunde nur durch Calhanoglu. Das ist für jeden Gegner überaus leicht zu erkennen und daher zu wenig.
Nach dieser Niederlage muss man größte Zweifel haben, ob der HSV überhaupt den Notausgang Relegation erreicht. Nächste Woche dürfte es in dieser Verfassung für den FC Bayern auch in Hamburg ein Kinderspiel werden. Alles andere als die nächste, deutliche Niederlage wäre schon fast ein Wunder. So muss man hoffen, dass die Konkurrenz nicht schon nächste Woche vorbeizieht. Aber selbst wenn man dies dann am letzten Spieltag gegen Mainz 05 theoretisch noch korrigieren könnte – das, was der HSV derzeit abliefert, ist nicht erstligareif. Das ist die bittere Wahrheit. Natürlich hoffe (auch) ich bis zum Schluss, dass der Gang in die Zweitklassigkeit doch noch vermieden werden kann. Wenn der Abstiegsfall jedoch eintreten sollte, dann ist das objektiv gesehen ein Folge zahlreicher eigener schwerer Mängel und Versäumnisse. Zwar stehen die Spieler auf dem Feld, aber diese Mannschaft ist nur das vorläufige Endprodukt kapitaler Fehleinschätzungen, die zum Teil über viele, viele Jahre zurückreichen. So gesehen wäre ein Abstieg keine Überraschung, sondern die mehr als verdiente Quittung.

 

DAS RESTPROGRAMM

15. VfB Stuttgart (32 Pkt; -11):
VfL Wolfsburg (H)
Bayern München (A)

16. Hamburger Sportverein (27 Pkt; -20):
Bayern München (H)
1. FSV Mainz 05 (A)

17. 1.FC Nürnberg (26 Pkt; -28)
Hannover 96 (H)
FC Schalke 04 (A)

18. Eintracht Braunschweig (25 Pkt; -28):
FC Augsburg (H)
1899 Hoffenheim (A)