Anders als von mir in meiner Vorschau zum Spiel vermutet, suchte man die Namen Ostrzolek und Rudnevs vergeblich in der Startaufstellung der Hamburger. Ilicevic hatte offenbar nur aus Gründen der Vorsorge mit dem Mannschaftstraining für einen Tag ausgesetzt und war einsatzfähig. Dass Jiracek seinen Platz als Linksverteidiger verlieren würde, konnte nicht überraschen. Zum einen dürfte er nach der Verpflichtung Ostrzoleks nur noch dritte Wahl auf dieser Position sein, zum anderen war seine Leistung dort im Pokal gegen Cottbus als nicht überzeugend zu bewerten.
Arslan (statt Rudnevs) hatte sich hingegen mit einer starken Leistung nach seiner Einwechselung gegen Cottbus einen Platz in der Startelf verdient. Offenbar wollte HSV-Slomka jedoch auch nicht auf Badelj verzichten, sodass Tolgay eben jenen Platz auf der offensiven rechten Außenbahn einnahm, von dem ich im Vorfeld vermutet hatte, dass dort vermutlich Rudnevs spielen würde. Um es vorweg zu nehmen: Arslan erledigte seine Aufgaben auf der für ihn eher ungewohnten Position durchaus zufriedenstellend. Erneut blieb also Valon Behrami der einzige Neuzugang beim HSV, der es in die Startelf schaffte:
Adler -Diekmeier, Djourou, Westermann, Jansen – Behrami, Badelj, Arslan, Ilicevic – van der Vaart – Lasogga
Spiel: Im Wesentlichen richtig lag ich mit meiner Ankündigung, dass beide Mannschaften in ähnlichen Systeme auftreten. Der 1. FC Köln begann in einem klaren 4-2-3-1 mit Ujah als einziger Spitze und Osako zentral dahinter. Der HSV agierte in der gewohnten fluiden, asymmetrischen Mischung aus 4-2-3-1/4-4-1-1 und 4-4-2.
Beide Mannschaften waren zu Beginn des Spieles zunächst einmal darum bemüht, ins Spiel zu finden und ein schnelles Gegentor zu vermeiden. Für meinen Geschmack spielte vor allem der FC zu Beginn zu ängstlich, sodass sich der HSV mit zunehmender Spieldauer ein optisches Übergewicht erspielen konnte. Verdienter Lohn waren einige Torchancen (10.; 23.; 45.), die jedoch aus unterschiedlichen Gründen allesamt vergeben wurden.
Die Mannschaft fand bei Ballverlust sehr schnell wieder zu einer guten Grundordnung. Die Räume wurden gut verengt, mögliche Passwege blockiert, sodass man die Gastgeber oft zu langen, hohen und prinzipiell leicht zu verteidigenden Bällen beim Spielaufbau zwang.
Auf der neu formierten rechten Seite harmonierten Diekmeier und der vor allem zu Beginn sehr agile Arslan gut, allerdings mangelte es Diekmeiers Flanken fast durchweg an Präzision. Auf dem andern Flügel beschränkte sich Jansen zunächst auf die Defensive, und Ilicevic machte auf mich den Eindruck, als hätte er doch einige Mühe, um in die Partie zu finden.
Defensiv stand der HSV in der ersten Halbzeit also erfreulich sicher, offensiv fehlte meist nur die letzte Präzision beim letzten Pass zum Torerfolg. Mit anderen Worten: die erste Hälfte ging ohne Wirkungstreffer aber mit einem Punktsieg an den Hamburger Sportverein, bei dem sich Behrami wie erhofft zur zentralen Gestalt im defensiven Mittelfeld entwickelt.
In der zweiten Hälfte wurde das Spiel deutlich lebhafter, da nun auch die Kölner etwas schneller, direkter und mutiger spielten. Kurz nach Wiederanpfiff vergab Ilicevic die Riesenchance zum Führungstreffer, als er völlig unbedrängt zum Kopfball kam. Zwar mangelte es seinem Kopfball nicht an der nötigen Wucht, jedoch köpfte er zu unplatziert genau in die Arme von Horn im Tor der Gastgeber (48.). Nur eine Minute später tauchte wieder Ilicevic allein halblinks im Strafraum der Kölner auf, aber statt selbst abzuschließen, wollte er noch einmal quer und zurück zum mitgelaufenen van der Vaart legen, was nicht gelang. Ich behaupte: In Topform und mit dem nötigen Glück macht Ivo aus beiden Chancen je ein Tor. So aber blieb es beim torlosen Remis.
Auf der Gegenseite ließ sich die Hamburger Innenverteidigung von einem gelupften Pass auf Ujah überraschen. Doch zum Glück für den HSV konnte Ujah, der ansonsten offensiv wenig zu sehen war, den Kopfball ebenfalls nicht gut platzieren. Auch hier landet der Ball zentral in den Armen des Torhüters (51.).
In der 77. Minute scheiterte Risse mit einem fulminanten Schuss aus spitzem Winkel an Adler, der den Ball nur mit Mühe parieren konnte. So blieb es letztlich bei einer verdienten Punkteteilung.
Schiedsrichter: Wolfgang Stark. Souverän. Hatte die Partie jederzeit im Griff.
Fazit: Halve Hahn oder Franzbrötchen? – beides. Die erste Halbzeit ging aus meiner Sicht klar an den HSV, der es aber versäumte, seine Chancen in Tore umzumünzen. In der zweiten Halbzeit spielte Köln, mutiger, direkter und damit schneller. Da sah die Abwehr der Hamburger des Öfteren wackelig aus.
Was hat gefallen?
Für beide Vereine bedeutet die Punkteteilung, dass man ordentlich in die Saison gefunden hat. Beide Mannschaften sollten daher mit dem Unentschieden leben können, auch wenn für beide mehr möglich gewesen ist.
Die Kölner müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie einen möglichen Sieg durch mangelnde Zielstrebigkeit vor allem im ersten Durchgang nicht verdient hatten. Eine Partie ohne Gegentreffer, zumal auswärts, ist aus Sicht des Hamburger Sportvereins derzeit noch per se als Erfolg zu werten.
Die Abstimmung zwischen Behrami und Badelj erschien mir leicht verbessert. Adler spielte dieses Mal gewohnt sicher und konzentriert. Arslan zeigte auf der ungewohnten Außenbahn erneut eine ansprechende Leistung.
Erfreulich auch, dass mit van der Vaart, Behrami und Badelj gleich drei Spieler mehr als 12km liefen. Auch dies deutet darauf hin, dass die Mannschaft konditionell besser gerüstet in die Saison startet.
Was muss besser werden?
Wer so viele Standards (wie der HSV) schießt, der darf daraus durchaus auch mal ein Tor erzielen. Bei Diekmeier hatte ich gleich mehrfach den Eindruck, dass er nicht den Kopf hoch nimmt und schaut, bevor er flankt. Aus meiner Sicht stimmten hier Aufwand und Ertrag (noch) überhaupt nicht.
Als die Kölner in der letzten halben Stunde schneller und mutiger spielten, fehlte es beim HSV zu oft an Präzision beim Umschaltspiel. Viel zu oft wurden gerade eroberte Bälle durch schlampige Pässe zu schnell wieder verschenkt. Das ansonsten sicher wirkende Innenverteidigergespann, Djourou/Westermann, erreichte da seine Belastungsgrenze und wirkte plötzlich unsicher. Bei (nur) 40 Prozent gewonnenen Zweikämpfen für Badelj erscheint das Zweikampfverhalten im zentral-defensiven Mittelfeld ausbaufähig.
Sowohl Lasogga als auch Ilicevic erscheinen noch deutlich entfernt von ihrer Bestform, was angesichts der Verletzungshistorie beider Spieler aber nachvollziehbar ist.
Und sonst so?
Im DFB-Pokal wurde dem HSV für die zweite Runde ein Heimspiel und als Gast der Branchenprimus, der FC Bayern München, zugelost. Natürlich hätte man sich ein leichteres Los vorstellen können. Wenn man aber den Pokal gewinnen will, dann muss man im Regelfall früher oder später ohnehin gegen die normalerweise übermächtig erscheinenden Bayern antreten. Wenn der HSV im direkten Vergleich eine (kleine) Chance besitzt, dann jetzt zu Saisonbeginn, da die Bayern noch erkennbar weit entfernt von ihrer Topform spielen. Zudem dürfte diese Partie live im Free-TV übertragen werden, was dem unverändert finanziell klammen HSV einige Zusatzeinnahmen bescheren sollte. Sollte für den HSV, was natürlich angesichts des Gegners keine Überraschung wäre, danach der Pokalwettbewerb beendet sein, so kann sich die Mannschaft auf das Kerngeschäft Bundesliga konzentrieren, was mit Blick auf die vorangegangene Horrorsaison sicher auch nicht von Nachteil sein muss. Umgekehrt könnte ein überraschender Erfolg gegen die Bayern mental weiter die nötige Sicherheit und das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit der Mannschaft stärken. Sofern sich der HSV also zu Hause nicht gerade abschlachten lässt, überwiegt für mich daher die Chance bei diesem Los.