Es ist noch nicht so lange her, da galt Hannover 96 manchen in Hamburg als Vorbild für den HSV. Der damalige Sportdirektor Schmadtke beeindruckte mit den Transfers von zahlreichen, bis dato in der Liga relativ unbekannten Spielern, die sich nachfolgend als tatsächliche Verstärkungen für die Mannschaft erwiesen. Unter Trainer Slomka spielte die Mannschaft der „96er“ mehr als zwei Jahre schnell, attraktiv und vor allem erfolgreich. Dann war plötzlich Sand im Getriebe, warum auch immer. Erst verließ Schmadtke den Verein, dann Slomka. Um ein Haar wären beide beim HSV gelandet, doch Schmadtke sagte den Hamburgern ab, als man ihm bedeutete, er sei nur (noch) zweite Wahl unter den Kandidaten für das Amt des Sportdirektors. Slomka hingegen ist, wie jeder weiß, inzwischen tatsächlich Trainer der Hamburger.
So treffen also am kommenden Sonntag nicht nur zwei miteinander befreundete Nordvereine aufeinander, sondern es kommt auch zum Duell zwischen dem ehemaligen Trainer Hannovers und seinem unmittelbaren Nachfolger, Tayfun Korkut.
Korkut ist es nach anfänglichen Problemen gelungen, die zuletzt unter Slomka erfolglose Mannschaft der Hannoveraner zurück in die Erfolgsspur zu führen. Mit einem 2:1-Sieg gegen Schalke und einem 0:0 auswärts in Mainz kam man gut aus den Startlöchern. Saisonübergreifend ist man nun bereits seit acht Spieltagen ungeschlagen. Um selbiges für den HSV feststellen zu können, müsste man inzwischen leider tief in der Vergangenheit graben. Nach einem torlosen Remis gegen Aufsteiger Köln und der folgenden Niederlage im heimischen Stadion gegen Mitaufsteiger Paderborn muss man den Saisonauftakt aus Hamburger Sicht bisher als misslungen bezeichnen. Nach der wohl längsten Saisonvorbereitung in der Vereinsgeschichte beim HSV, bei der insbesondere an den konditionellen Grundlagen gearbeitet wurde, wird immer offensichtlicher, dass für die Misserfolge der vergangenen Spielzeit weiter mehr und tiefer liegende Ursachen anzunehmen waren, als allein jene läuferischen Defizite, die vor allem der örtliche Boulevard als vermeintliches Hauptübel ausgemacht haben wollte.
Verletzungsbedingte Ausfälle erfordern Umstellungen auf beiden Seiten
Dass ein tiefgreifender Umbau des HSV-Kaders aus diversen Gründen unumgänglich war, dies ergab offenbar auch die Analyse der derzeitigen sportlichen Leitung des Dinos. Es verwundert daher nicht, dass in der Sommer-Transferperiode zahlreiche neue Spieler verpflichtet wurden. Zu beachten ist m.E. jedoch, dass Slomka bisher einige der neuen Spieler aus unterschiedlichen Gründen gar nicht einsetzen konnte, wie ich andernorts bereits erwähnte. Ich bin daher ganz bei Slomka, der auch dazu auf der PK Stellung nahm.
Nachdem in Hamburg jedoch der Kader nunmehr komplett ist, und auch von Seiten der Clubführung der Einsatz der neuen Spieler öffentlich angemahnt wurde, ist auf Hamburger Seite mit zahlreichen Veränderungen in der Startaufstellung zu rechnen. Zumal Jansen und van der Vaart verletzt ausfallen werden.
Bei Hannover 96 bin ich ebenfalls auf das taktische System und die Startaufstellung gespannt, da mit Stindl (zentral-offensives Mittelfeld) und Prib (Sturm) zwei ganz wichtige Spieler bis auf Weiteres nicht zur Verfügung stehen.
Mit welcher Aufstellung beginnt Hannover?
Was Abwehr und defensives Mittelfeld angeht, so hat Korkut in beiden bisher absolvierten Spielen mit unverändertem Personal spielen lassen. Hier erwarte ich daher keine Veränderungen. Davor aber wird es spannend. Sofern er die bisher arg wackelige HSV-Abwehr mit einer zweiten Spitze unter Druck setzen will, könnte er auf ein 4-4-2 mit Briand oder Sobiech als zweiter Spitze neben Joselu setzen. Für wahrscheinlicher aber halte ich, dass er bei dem 4-2-3-1 bleibt, mit dem man aus Mainz zumindest einen Punkt entführen konnte. Fraglich erscheint mir dann allein, ob er Kiyotake aus der Zentrale nach links außen zieht. Leidtragender dürfte in dem Fall der durchaus auch defensiv denkende Albornoz (ist gelernter Linksverteidiger, spielte aber bisher LOM vor dem offensiv agierenden Pander) sein. Den freien Platz im zentralen Mittelfeld könnte in diesem Fall der erfahrene Schlaudraff einnehmen.
Überlegungen zur Aufstellung des HSV
Was den HSV angeht, so glaube ich unverändert nicht an einen Tausch auf der Torhüter-Position. Zweifellos erschien Adler nicht in Bestform, jedoch hat er sich auch nicht derart schlecht präsentiert, dass mir ein Einsatz von Drobny zur Zeit wirklich geboten erscheint. Allerdings, das scheint klar, wird sich auch ein René Adler steigern müssen, will er diese Diskussion im Keim ersticken. Vor ihm in der Abwehrkette sind gleich zwei neue Gesichter zu erwarten. Ostrzolek wird den verletzten Jansen ersetzen, und Cléber wird wohl als linker Innenverteidiger und Partner von Djourou auflaufen.
Im zentralen, defensiven Mittelfeld bleibt Behrami gesetzt. Daneben/davor würde ich morgen Arslan beginnen lassen. Holtby wäre mein van der Vaarts-Ersatz im offensiven Mittelfeld-Zentrum. Für einen Rollentausch zwischen Holtby und Arslan, also mit einem defensiveren Holtby und einem offensiveren Arslan, fehlen m.E. die Argumente, da sich Arslan beim HSV bisher weder als torgefährlich, noch als überdurchschnittlicher Vorlagengeber auszeichnen konnte. Eine ganz kleine Außenseiterchance hätte bei mir Steinmann als Pendant Behramis. Das alles wäre, dies sei betont, meine Lösung für dieses eine Spiel. Zum Glück bin ich aber nicht der Trainer der Mannschaft.
Eine radikale Aufstellungsvariante
Tatsächlich könnte Slomka einen radikaleren Umbau favorisieren. Nachdem Nicolai Müller bisher kaum mit der Mannschaft trainieren konnte, war ich bisher der Meinung, dass es bei ihm allenfalls für einen Kurzeinsatz reichen würde. Ich habe mich wohl – zum Glück! – geirrt. Vorstellbar ist nun auch, dass Müller zentral-offensiv hinter Lasogga beginnt. In diesem Fall würde Holtby nach hinten rücken und neben/vor Behrami spielen. Für die rechte offensive Außenbahn bieten sich dann zwei Lösungen an: Ilicevic oder Green. Auf der anderen Seite, der linken offensiven Außenbahn, stünde Stieber bereit (aber auch hier könnte natürlich Green zum Einsatz kommen).
Ich kann die körperliche Verfassung Müllers aus der Ferne natürlich nicht einschätzen. Bei einem Spieler aber, der sich wochenlang mit Adduktoren-Problemen geplagt hat, fällt es mir unverändert schwer, an einen Startelf-Einsatz zu glauben, egal was wer wo schreibt.
Damit meine Überlegungen zu den Aufstellungen leichter nachvollziehbar sind, hier das Ganze in der Übersicht [Anm.: zur Vergrößerung anklicken, oder in einem neuen Tab öffnen]:
Wie auch immer – morgen sind wir alle schlauer. Ich bin jedenfalls sehr gespannt, ob beide Trainer tatsächlich so aufstellen werden. Gerade für die Mannschaft aus Hamburg sind nach den Transfers dieses Sommers viele Varianten vorstellbar.
Die Partie wird geleitet von Schiedsrichter Schmidt (Stuttgart).
Zum guten Schluss möchte ich Euch gerne den Hannoveraner Fan-Blog „Gegenpressing“ ans Herz legen. Dort gibt es die Rubrik „Fan-Interview“. Vor unserem Spiel gegen „96“ haben Sascha Rebiger und ich dort ein schriftliches Doppel-Interview gegeben. Wer es nicht weiß – Sascha schreibt den HSV-Blog „140+“, den ihr auch in meiner Blogroll (rechts) findet. Falls ihr es noch nicht gelesen haben solltet – schaut doch mal rein! Ich fand es spannend, denn weder Sascha noch ich kannten die Antworten des jeweils anderen auf dieselben Fragen.