Demirbay

Gedanken zu Transfers und einem zukünftigen Spielsystem beim HSV

Nachdem die Personalien im Kader des HSV bis vor wenigen Tagen lediglich im Konjunktiv zu diskutieren waren, steht nun nach Ende der Sommertransferperiode fest, mit welchen Spielern der Club in diese Saison startet. Zeit für mich, um Zu- und Abgänge einer ersten Bewertung zu unterziehen. Außerdem habe ich mir Gedanken zu den daraus resultierenden taktischen Möglichkeiten, aber auch denkbaren Schwachpunkten gemacht. Die eingefügte Darstellung [Anm.: zur Vergrößerung anklicken oder in einem neuen Tab öffnen] benennt personelle Alternativen und soll eine aus meiner Sicht denkbare taktische Ausrichtung skizzieren:

 

 

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Bevor ich auf einige Details eingehe, sei zunächst darauf hingewiesen, dass diese Skizze die aus meiner Sicht wahrscheinlichsten Alternativen enthält. Auffällig an diesem Kader ist zunächst, dass für mehrere Positionen z.T. gleich mehrere, annähernd gleichwertige Kandidaten zur Verfügung stehen. Selbst für einen Behrami, der bis auf Weiteres gesetzt sein dürfte, stehen in meinen Augen mit Kacar und Jiracek gleich zwei eher defensiv denkende Alternativen zur Verfügung. Allerdings würde ich bei einem Ausfall Behramis auf eine klare Doppel-Sechs umstellen, da mir weder Kacar noch Jiracek in der Lage erscheinen, das defensive Mittelfeld allein abzusichern.

Auf den offensiven Außenbahnen, das ist ebenfalls auf den ersten Blick zu erkennen, wurde der Kader durch Müller, Stieber und Green um weitere schnelle und flexible Spieler ergänzt. Spätestens zur Rückrunde, wenn Beister hoffentlich wieder völlig fit und in Topform zur Verfügung steht, sollte es hier ein Hauen und Stechen um die Plätze in der Startelf geben. Besonders wichtig erscheint mir hier die Verpflichtung von Nicolai Müller, der auf der viel zu lange nur provisorisch besetzten rechten Außenbahn zunächst favorisiert sein sollte. Aber selbst wenn auch Müller neben Beister ausfallen sollte, könnte man die rechte Seite weiterhin mit gelernten Flügelspielern besetzen. Schließlich stünden dann immer noch Green oder Ilicevic zur Verfügung.

Rudnevs halte ich für einen lauf- und kampfstarken Konterstürmer. Aufgrund seiner spielerischen und technischen Schwächen dürfte er es aber zukünftig schwer haben, ins Team zu kommen. Entweder bringt man ihn aus taktischen Gründen (bei eigener Führung, um Lasogga zu schonen) oder als zweiten Stürmer neben einem spielstarken, beweglichen Mann (Müller/Beister), sofern Lasogga gar nicht zur Verfügung steht.

Arslan dürfte zunächst gegenüber Holtby das Nachsehen haben. Von Holtby erhoffe ich mir die dringend erforderliche, verbesserte Anbindung im Zentrum zwischen Defensive und Offensive, bzw. mehr Kreativität und Torgefahr aus dem Mittelfeld. Zudem hoffe ich, dass Holtby konstanter und abgeklärter als Arslan spielt. Mangelnde Konstanz und gelegentliche Kopflosigkeit, dies war erst jüngst gegen Paderborn wieder zu sehen, sind unverändert Schwächen, an denen Tolgay mit Hochdruck arbeiten muss, wenn er zukünftig über Kurzeinsätze hinauskommen will.

Angesichts der nun vorhandenen Alternativen halte ich es für nachvollziehbar, dass man Tah (nach Düsseldorf) und Demirbay (nach Kaiserslautern) für jeweils ein Jahr ausgeliehen hat. Für beide waren derzeit kaum regelmäßige Einsatzchancen erkennbar. Dies dürfte jedenfalls für Demirbay kaum zu bestreiten sein. Die Ausleihe von Tah könnte man da schon eher kontrovers diskutieren, da für uns Außenstehende das Leistungsvermögen des neuen Innenverteidigers Cléber kaum einzuschätzen ist. Aber auch auf dieser Position beinhaltet der vorhandene Kader mit Rajkovic und Westermann zwei Spieler, die man zukünftig nicht wochenlang ohne jeden Einsatz auf der Bank versauern lassen darf. Das wäre beiden Spielern gegenüber nicht nur unfair, sondern könnte ansonsten – man kennt ja Mopo, HA und BILD…- unnötige Unruhe provozieren.

Ungeachtet dessen habe ich Verständnis dafür, dass mit beiden Ausleihen bei einigen Kommentatoren die Angst verbunden ist, dass dem HSV hier erneut zwei große Talente von der Fahne gehen könnten. Etwaige Ängste sind nicht zuletzt aufgrund der in der Vergangenheit oft und berechtigt kritisierten Nachwuchsförderung des Clubs mehr als verständlich. Wie u.a. das Beispiel Beister jedoch zeigt, muss eine Ausleihe nicht zwingend dazu führen, dass Spieler nach Ablauf der Leihfrist nicht mehr zu ihrem Verein zurückkehren. Auch die Frage nach einer erteilten oder eben nicht erteilten Kaufoption für den aufnehmenden Verein halte ich für nachrangig und leicht überbewertet. Bei Lasogga fehlte diese Option bekanntlich damals, dennoch ist es dem HSV gelungen, ihn nun fest zu verpflichten. Und wie die Debatte um und mit dem derzeit von Leverkusen an M’Gladbach ausgeliehenen Kramer andeutete, gibt es keine Garantie, dass ein Spieler nach einer Ausleihe zurückkehren will, auch wenn zwischen den Vereinen keine Kaufoption vereinbart wurde. Viel bedeutsamer erscheint mir daher, ob der HSV beiden Spielern glaubhaft eine Perspektive für den Fall ihrer Rückkehr aufzeigen kann. Dass dies hier wahrscheinlich der Fall war, dafür stehen für mich nicht nur die Namen Beiersdorfer und Peters, sondern auch die Tatsache, dass im nächsten Sommer unverändert diverse Verträge auslaufen. So dürfte für Demirbays Entscheidungsfindung u.a. von großem Interesse sein, ob Kacars und/oder Arslans Verträge verlängert werden, bzw. ob Jiracek im kommenden Sommer den Club verlässt. Ähnliches ist für Tah anzunehmen, da derzeit unklar erscheint, ob der Club auch über den nächsten Sommer hinaus mit Westermann und/oder Rajkovic plant.

Den Transfer Badeljs nach Florenz, ich sagte das bereits im jüngsten HSV-Talk auf meinsportradio.de, sehe ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Weinend, weil Milan sicher fußballerisch einer der besten Spieler ist, die ich je beim HSV gesehen habe. Lachend, weil die kolportierten 4 Millionen Euro bei nur noch einem Jahr Restlaufzeit seines Vertrages m.E. ein ordentlicher Erlös sind. Zudem fehlte es Badelj m.M.n. an Torgefährlichkeit und läuferischer Explosivität. Auch hätte ich mir gewünscht, dass er lautstärker ordnend eingreift, als dies in der Regel der Fall war. Ich glaube, dass ein Arslan ggf. von Behrami ganz anders geführt wird, als von dem auf dem Feld doch arg introvertiert wirkenden Badelj.

Womit ich bei einem weiteren Kritikpunkt am alten Kader wäre. Neben dem eklatanten Mangel an Kreativität aus dem Zentrum, Geschwindigkeitsdefiziten (sowohl läuferisch als auch in Sachen Handlungsschnelligkeit – Zoua!), unbefriedigender Zweikampfbilanz vor allem im (defensiven) Mittelfeld, war mir der alte Kader zu uniform, zu lieb, bzw. leblos. Adler, Jansen, Westermann und van der Vaart – jeder hatte (und hat) ausreichend mit sich selbst zu tun. Den Rest der Truppe wirklich mitreißen, gerade wenn es mal nicht läuft, konnte von denen keiner. Das hatte sicherlich unterschiedliche Gründe, ist aber eben auch eine Frage des Typs oder der jeweiligen Persönlichkeit. Behrami hat in diesem Zusammenhang jedenfalls bei mir bisher einen anderen, deutlich besseren Eindruck hinterlassen.

Um zu meiner skizzierten Aufstellung zurückzukehren: Wie man hoffentlich sehen kann, favorisiere ich derzeit eine asymmetrische Variante. Ich habe mich bei meinen Überlegungen zunächst von dem Gedanken leiten lassen, dass Lasogga (als einziger Keilstürmer) und Behrami für die Startelf gesetzt sein dürften. Gleiches ist zunächst für Holtby und van der Vaart anzunehmen. Wenn man van der Vaart und Holtby auf dieselbe und“richtige“ (linke) Seite stellen würde, droht m.E. ein zu großes Loch im rechten Halbfeld (Kreis Nr.2). Da van der Vaart ohnehin meist mit dem linken Fuß abschließt, könnte er aus dieser hier leicht nach rechts versetzten Position zum einen sofort abschließen, zum anderen kämen seine Flanken mit Schnitt zum Tor, was für die gegnerische Abwehr und vor allem deren Torwart unangenehm(er) zu verteidigen ist. Zugleich möchte ich so die Laufwege und Räume von Holtby und van der Vaart entzerren. Ich habe versucht,  die sich daraus ergebenden  Interaktionen und Laufwege durch die Pfeile anzudeuten.

Um die Gefahr einer Deckungslücke im rechten Halbfeld möglichst gering zu halten, habe ich Behrami ebenfalls leicht nach rechts verschoben. In meiner Vorstellung würde er eher horizontal agieren.  Hinter Holtby, den ich aus Gründen der verbesserten Anbindung der Offensive an die Defensive vor Behrami positioniert habe, könnte sich ebenfalls eine gefährliche Deckungslücke im linken Halbfeld (Kreis Nr. 1) ergeben. Wie ich mir eine Absicherung dieses Raumes vorstellen könnte, wird durch entsprechende Pfeile ebenfalls angedeutet. Erkennbar sollte sein, dass ich mir daher Holtby als vertikale Ergänzung zu den überwiegend horizontalen Laufwegen Behramis vorstelle. Wichtig erscheint in jedem Fall, dass die oft zitierte Kompaktheit der Mannschaft als Ganzes möglichst immer gewahrt bleibt. 70 Meter freier Raum für den Gegner, zuletzt beim von Arslan verschuldeten 0:1 gegen Paderborn zu sehen, dürfen prinzipiell dem Gegner nicht derart auf dem Präsentierteller angeboten werden. Unabhängig von der Torheit Arslans stimmte hier aber auch die Absicherung nicht. Jede (Innen-)Verteidigung der Welt kann fast nur schlecht aussehen, wenn der Gegner sie in vollem Lauf in ein eins gegen eins zwingen kann.

Ich denke, dass sich auf der linken Seite ein interessantes, variables Wechselspiel zwischen Holtby, dem jeweiligen LOM und auch v.d. Vaart entstehen könnte. Ähnliches halte ich auf der anderen Seite auch zwischen Behrami, dem jeweiligen ROM und van der Vaart für vorstellbar. Da praktisch alle offensiven Außen auch auf der jeweils gegenüberliegenden Seite spielen können, könnte es situationsabhängig auch zu ganz anderen personellen Konstellationen kommen. Mit Müller, Beister aber auch Green (und Rudnevs) könnte man bei eigenem Ballbesitz auch schnell durch die Mitte kontern. Also hat der Trainer auch hier künftig einige (zusätzliche) Optionen.

Dies alles sind natürlich nur meine Vorstellungen davon, wie man „auf dem Papier“ und ohne mikrotaktische Anpassungen an einen konkreten Gegner mit dem derzeitigen Kader spielen lassen könnte.

Denkbar bleibt natürlich unverändert auch, dass Slomka den HSV in einem 4-4-2, einem 4-2-3-1 oder gar in einem 4-3-3  antreten lässt. Letzteres halte ich jedoch bis auf Weiteres für unwahrscheinlich, da daraus defensiv schnell Probleme in der Abdeckung der Breite des Feldes entstehen können.

Welches System auch immer Slomka bevorzugen mag – er steht vor dem Problem, möglichst schnell Punkte sammeln zu müssen, obwohl sich die Mannschaft mit den neuen Spielern kaum einspielen konnte. Teils wurde dies durch Verletzungen (Lasogga, Müller) verhindert, teils ist es dem relativ späten Zeitpunkt der Verpflichtung anderer Spieler (Cléber, Holtby, Green)  geschuldet. Selbst Ostrzolek, Stieber und sogar ein Behrami werden vermutlich erst in einigen Wochen endgültig in Hamburg angekommen sein. Bei einer derartigen Vielzahl neuer Spieler bedarf es einfach einer gewissen Zeit, bis jeder die Abläufe wirklich verinnerlicht und seinen Platz in der teaminternen „Hackordnung“ gefunden hat.

Ob Drobny oder Adler im Tor stehen sollte – dazu enthalte ich mich. Dazu müsste ich regelmäßig das Training gesehen haben UND tatsächlich nah an der Mannschaft dran sein. Beides bin ich nicht.

Ähnlich verhält es sich mit der konkreten Frage, ob man bspw. Ostrzolek für Jansen oder Stieber für Ilicevic beginnen lässt. Gleichwohl glaube ich, dass es mehr als nur eines Holtby und Behrami bedarf, um der Mannschaft die dringend erforderlichen Impulse zu geben, die sie ganz offensichtlich benötigt. Mit dem Einsatz gleich mehrerer neuer Spieler in den nächsten Partien mag ein Mangel an Eingespieltheit einhergehen, gleichzeitig könnte man sich dadurch aber auch noch einen gewissen Kredit beim Publikum verschaffen. Dass dieser bedenklich zu schwinden droht, das sollte man spätestens ab der 69. Minute gegen Paderborn bemerkt haben. Nach der letzten,  katastrophalen Saison wird kaum jemand im Anhang der Hamburger sportliche Wunder in dieser Spielzeit erwarten. Was aber gegen Paderborn einmal mehr „abgeliefert“ wurde, ist für einen HSV einfach unwürdig und zu wenig. Viel, viel zu wenig.

Schlecht spielen – das ist immer möglich, denn da spielen Menschen, keine Roboter. Kämpfen aber kann man immer. Zumal es sich beim Fußball nicht nur um ein Lauf-, sondern eben auch ein Kampfspiel handelt. Ich erwarte also, völlig ungeachtet etwaiger Personalwechsel, dass die Mannschaft in Sachen Disziplin, Einssatzwillen in den Zweikämpfen und Laufbereitschaft zukünftig ein anderes Gesicht zeigt. Theoretisch enthält der jetzt vorhandene Kader jedenfalls einige interessante Optionen, wie ich hier deutlich machen wollte. Hoffen wir, dass man dies auch möglichst bald auf dem Platz erkennen kann.

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Vor dem Spiel gegen den SC Paderborn 07

Jedes Jahr das gleiche Spiel. Je näher das Ende der Transferperiode rückt, desto mehr brodelt die Gerüchteküche. So auch beim HSV.

Jacques Zoua weilt in der Türkei. Angeblich steht die obligatorische sportmedizinische Untersuchung unmittelbar bevor – ein sicheres Indiz für einen bevorstehenden Wechsel. Dem Vernehmen nach soll Zoua für ein Jahr an den türkischen Erstligisten Kayseri Erciyesspor ausgeliehen werden. Ich hielte dies, sofern der Transfer zustandekommt, für eine gute Entscheidung, da Zoua sowohl im Sturmzentrum als auch auf der rechten Außenbahn beim HSV derzeit wohl bestenfalls nur die dritte Wahl wäre.

Ebenfalls vor einer Ausleihe steht dem Vernehmen nach Kerem Demirbay, der sich wohl für eine Jahr dem 1. FC Kaiserslautern anschließen soll. Nach dem Transfer von Valon Behrami und nachdem sich abzuzeichnen scheint, dass weder van der Vaart noch Badelj den Verein verlassen werden, halte ich auch hier eine Ausleihe für absolut sinnvoll. Demirbay konnte zwar bei seinen bisherigen Einsätzen im Trikot der Rothosen durchaus sein Talent andeuten, hat aber verletzungsbedingt im letzten Jahr kaum Spielpraxis sammeln können. Umso wichtiger  erscheint mir für seine Entwicklung, dass er nun endlich regelmäßig spielt. Etwas, was beim HSV angesichts der derzeitigen Konkurrenzsituation im Mittelfeld unwahrscheinlich ist, jedenfalls sofern Badelj, an dem gerüchteweise immer mal wieder andere Vereine Interesse bekundet haben sollen, den HSV nicht doch noch kurzfristig verlässt. Aber selbst im Falle eines Abgangs des Kroaten böte der Kader für Slomka auch ohne Demirbay ausreichend viele Alternativen.

Für den meisten Wirbel sorgt die angedachte einjährige Ausleihe von Jonathan Tah, den sich viele für diese Saison bereits als Stammspieler in der Innenverteidigung der Hamburger gewünscht haben. Ich habe durchaus Verständnis für die Kritik an diesen Gedankenspielen (meines Wissens gibt es bisher jedoch noch kein Angebot für Tah). Die Angst, hier könnte ein großes Talent vergrault werden, muss vor dem Hintergrund des wenig rühmlichen Umgangs des Vereins mit seinen größten Talenten in den letzten Jahren gesehen werden. Nachdem man sich aus unterschiedlichen Gründen bspw. von Sam, Son oder Öztunali getrennt hat, sind die verbreiteten Zweifel an der Nachwucharbeit des Clubs für mich grundsätzlich nachvollziehbar. Gleichwohl gilt, was Beiersdorfer (oder war es Peters?) sagte: Ein Verbleib Tahs in dieser Saison erscheint nur dann sinnvoll, wenn Tah mindestens erster Ersatz für einen der beiden Stammverteidiger in dieser Spielzeit wäre. Mit dem sich zusehends stabilisierenden Djourou, dem neuen Brasilianer Cléber, einem Westermann und einem Kacar im Kader kann man aber daran begründet ernsthaft zweifeln. Vergessen wir nicht, dass Tah bei allem unbestrittenen Talent noch sehr, sehr jung ist. Und dies wäre er mit dann gerade einmal 20 Jahren auch noch  bei seiner Rückkehr. Sollte Tah also die Chance haben, als Stammspieler bei einem anderen Erst- oder ambitionierten Zweitligisten regelmäßig Spielpraxis zu sammeln, dann ist das aus meiner Sicht für seine Entwicklung deutlich besser als noch unterklassiger in der Regionalliga für die U23 aufzulaufen.

Ob Lewis Holtby auf den letzten Drücker doch noch zum HSV kommt – wir werden es abwarten müssen. Sollten nicht doch noch  Badelj oder van der Vaart kurzfristig abgegeben werden und den Etat entlasten, kann ich mir derzeit einen kurzfristigen Transfer Holtbys zum HSV kaum vorstellen. Allein schon aus finanziellen Gründen. Ich vermute aber, dass seine Verpflichtung  evtl. im Winter, spätestens aber im nächsten Sommer angedacht sein könnte. Schon allein mit Blick auf die dann auslaufenden Verträge beim HSV. Denn das ist für mich das Schöne beim HSV nach dem Amtsantritt von Beiersdorfer und Peters: endlich hat man wieder den Eindruck, dass im Club perspektivisch-konzeptionell auch – aber nicht nur! – am Kader gearbeitet wird.

Womit ich bei den diversen Veränderungen im Nachwuchsbereich des Clubs wäre. Im Detail nachzulesen auf HSV.de: http://www.hsv.de/nachwuchs/meldungen/august-2014/neue-ausrichtung-in-der-ausbildung-und-im-campus-bau/

Ich will hier nicht jeden Punkt kommentieren, meine aber, dass auch hier die Entschlossenheit der Verantwortlichen sehr deutlich wird, den zwischenzeitlich leider entstandenen Rückstand zur Konkurrenz zu verringern. Das alte Konzept mag für Trainingskiebitze oder andere Besucher attraktiver gewesen sein. Ich finde aber, dass man bspw. Ticketing, Merchandising oder Gastronomie auch andernorts unterbringen kann.  So gesehen favorisiere ich die neue Planung, da hier noch mehr das Sportliche im Vordergrund steht. Die räumliche Zusammenführung von Profis und dem Nachwuchs, die Einführung eines regelmäßigen, alle zwei Wochen stattfindenden Elite-Trainings mit nach beiden Seiten offener „Drehtür“ für Talente, die Installation von Stefan Wächter als leitender Torwarttrainer im Nachwuchs, Schünemanns im Athletikbereich, die Einbindung Cardosos als Techniktrainer für Offensivspieler, oder die Rückkehr Patrick Rahmens jetzt als Cheftrainer des gesamten Nachwuchsleistungsbereichs, das hat in meinen Augen Hand und Fuß. Zum einen wird die angestrebte,  alle Altersstufen übergreifende, einheitliche Spiel-Philosophie nun sowohl durch die Struktur als auch das übergeordnet verantwortliche Personal gestützt und vorangetrieben. Zum anderen glaube ich, dass es sowohl aus Gründen der Motivation als auch der Identifikation mit dem Club wichtig ist, wenn der Nachwuchs möglichst nah am Profibereich dran ist. Hier gilt als Grundsatz: Fordern und fördern. Und dazu gehört für mich auch, dass die Talente die oft zitierte Durchlässigkeit unmittelbar erleben können. Getreu dem Motto: Wer besonders positiv auffällt, der wird eben auch durch besondere Maßnahmen, z.B durch den Zugang zur zwölfköpfigen Elite-Trainingsgruppe, belohnt. Allerdings wird es mehrere Jahre dauern, Bernhard Peters sprach in diesem Zusammenhang von drei bis vier, bis sich diese Neuausrichtung hoffentlich auszuzahlen beginnt.

Nach dem ordentlichen  Auftakt auswärts gegen Köln folgt nun am morgigen Samstag die Heimpremiere für den HSV gegen den zweiten Aufsteiger, den SC Paderborn. Erfreulich finde ich, dass das Stadion trotz der absolut enttäuschenden  letzten Saison vermutlich annähernd ausverkauft sein wird. Und das gegen den vermutlich größten Außenseiter der diesjährigen Spielzeit. Gespannt bin ich zunächst, ob und wie sich der Rückzug der CFHH auf die Stimmung im Stadion auswirken wird. Ehrlich gesagt, ich mache mir da allerdings wenig Sorgen, denn so sehr ich die Arbeit der Ultras beim basteln ihrer oft wirklich sehenswerten Choreos grundsätzlich respektiere – ich habe diesen nervtötenden Dauersingsang nie gemocht. Ich bekenne mich klar zur situativen, spielbezogenen Anfeuerung, welche die Mannschaft gerade dann gezielt lautstark unterstützt, wenn sie dies offensichtlich gerade besonders benötigt. Zudem sehe ich es grundsätzlich mit Argwohn, wenn Menschen blindlings nachbrüllen, was ein s.g. „Capo“ vorgibt. Auch gehe ich schon viel zu lange zum Fußball, habe Höhen und noch viel mehr Tiefen mit dem HSV durchlebt, um von einem Teen oder Twen irgendwelche Vorgaben oder gar Belehrungen als Fan zu benötigen. Das bemüht elitäre Selbstverständnis der Ultras war und wird mir immer fremd bleiben. Gleiches gilt für mich im Übrigen für jene Eventfans, die bei Häppchen und Drinks das Spiel in ihren Logen nur als Beilage konsumieren. Beides ist nicht mein Ding.

Was André Breitenreiter aus dem kleinen Provinzverein Paderborn gemacht hat, verdient höchsten Respekt. Ich habe die Mannschaft in der letzten Saison u.a. gegen den FC St.Pauli gesehen und war beeindruckt. Aber die erste Liga ist ein ganz anderer Schnack. Ähnlich wie Braunschweig in der letzten Spielzeit dürfte der SC heuer als mutmaßlich erster Anwärter auf den Abstieg gelten. Letztlich, man mag das beklagen oder nüchtern akzeptieren, entwickelt sich die Bundesliga ähnlich wie schon die Championsleague zu einer mehr oder minder geschlossenen Gesellschaft mit klar verteilten Rollen. Ein Aufsteiger mit einem Minietat von 15 Millionen „darf“ da mal hineinschnuppern – auf lange Sicht ist er niemals wettbewerbsfähig. Geld schießt oder verhindert zwar unmittelbar keine Tore, doch es erhöht deutlich die Wahrscheinlichkeit auf einen erfolgreichen Saisonverlauf. Allerdings, auch das ist ein Teil der Wahrheit, die man gerade als Hamburger in der letzten Saison bemerken konnte, bietet (relativ) mehr Geld keine Garantie auf Erfolg. Entscheidend bleibt, wie man mit seine Ressourcen umgeht (Womit in gewisser Weise auch der Bogen zu den oben angesprochenen strukturellen und personellen Veränderungen beim HSV geschlagen wäre.). Ich erwarte, dass die Paderborner, wie schon vor ihnen die Braunschweiger, für die eine oder andere Überraschung sorgen werden. Dennoch wäre alles andere als der direkte Abstieg eine tatsächliche Sensation.

Breitenreiter lässt seinen SC in einem 4-4-2, bzw. 4-4-1-1 antreten. Ähnlich wie van der Vaart beim HSV spielt der bewegliche Kachunga mal leicht hinter, mal auf gleicher Höhe mit der einzigen klaren Spitze. Nach dem Ausfall von Saglik, der mich in seiner Zeit beim FC St. Pauli selten überzeugen konnte, dürfte ganz vorne erneut der lange Stefan Kutschke (1,94m) auflaufen.

Überhaupt handelt es sich beim SC Paderborn 07, wen wundert es bei dem geringen Etat?, um eine Mannschaft der Namenlosen. Ganz offensichtlich konnten die Ostwestfalen der Versuchung widerstehen und waren bemüht, ihre Mannschaft sinnvoll und im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten angemessen zu verstärken. Die größte Stärke und vermutlich auch einzige Chance der Truppe im Hinblick auf einen Klassenerhalt dürfte vermutlich in der mannschaftlichen Geschlossenheit zu sehen sein. Als absoluter Underdog hat sie im Grunde nichts zu verlieren, sondern kann gegen jeden Gegner unbelastet auftreten. Spannend wird, ob Verein und Mannschaft ebenso wie die Braunschweiger zuvor die Ruhe bewahren, wenn sich Niederlage an Niederlage reihen sollte. Zum Auftakt erkämpfte man im heimischen Stadion immerhin mit dem 2:2 eine respektable Punkteteilung gegen Mainz, wobei die Mainzer erst in allerletzter Minute durch einen Foulelfmeter ausgleichen konnten. Auch wenn für mich gar kein Zweifel besteht, dass der HSV auf dem Papier den eindeutig besseren Kader als die Gäste besitzt – der HSV sollte gewarnt sein. Gerade für den HSV besteht kein Anlass zu Hochmut. Im Gegenteil! Für den HSV geht es bis auf Weiteres auch darum, verlorengegangenes Vertrauen bei seinen Anhängern zurückzugewinnen. Wer also glaubt, dass man die Paderborner quasi im Vorbeigehen aus dem Stadion fegen wird, der könnte eine böse Überraschung erleben. Psychologisch betrachtet sehe ich den HSV gar im Nachteil, da man gegen den krassen Außenseiter zu Hause wenig zu gewinnen, aber viel (Kredit) zu verlieren hat.

Nachdem man gegen Köln zu null spielen konnte, gehe ich davon aus, dass Slomka derselben Startelf wie gegen Köln vertrauen wird. Hoffen wir also auf ein erfolgreiches erstes Heimspiel und feuern die Mannschaft an!