SPIEGEL

Schlechte (und gute) Nachrichten

Was macht man dieser Tage als HSV-Anhänger? Man blickt wohl mit Bangem dem jeweils nächsten Spieltag entgegen. Immer wieder fällt der Blick auf das Restprogramm, und nach jedem Spiel sofort auf die Tabelle. Punkteabstände und Tordifferenzen werden begutachtet, Szenarien durchgespielt und wieder verworfen. Nach jedem Sieg (Leverkusen) steigt die Hoffnung, nur damit sie nach jeder Niederlage, besonders wenn sie so ernüchternd daherkommt wie gegen Hannover, wie ein Kartenhaus zusammenfällt. Nur gut, dass auch die Konkurrenten regelmäßig Federn lassen. So gibt es unverändert eine Chance auf den Klassenerhalt, wenn auch der Druck auf alle Beteiligten stetig steigt.

Ich hatte jüngst gemutmaßt, dass Lassoga dem HSV frühestens zum Saisonfinale wieder zur Verfügung stünde. Inzwischen heißt es, Lasogga könnte, wenn überhaupt, in den Relegationsspielen zum Einsatz kommen, sofern der HSV am Ende wenigstens Platz 16 belegt. Das sind wahrlich keine guten Nachrichten. Überhaupt mangelt es derzeit nicht an schlechten Nachrichten:

Westermann ist angeschlagen, will aber unbedingt im nächsten Spiel auflaufen. Ich bin hin und hergerissen, ob ich das gut finden soll. Einerseits finde ich es absolut lobenswert, dass er sich in dieser für den HSV inzwischen fast beispiellos prekären sportlichen Lage zur Verfügung stellen will, andererseits brauchen wir fitte Spieler, um im Restprogramm bestehen zu können. Und nicht ausgeheilte, kleinere Verletzungen bergen ja immer die Gefahr, dass sich daraus etwas Schlimmeres entwickelt. Jansen steht aber noch nicht wieder zur Verfügung, Lam fällt bis zum Saisonende definitiv aus, so bliebe links außen in der Abwehrkette eben nur Jiracek als Alternative. Davor, also links offensiv, steht gerade wieder Ilicevic zur Verfügung, der aber ebenfalls unverändert angeschlagen ist, und bei dem aufgrund seiner Verletzungshistorie zumindest bezweifelt werden kann, ob er den Rest der Saison durchhält.
Badeljs Muskelfaserriss scheint ebenfalls nicht komplett ausgeheilt zu sein. Auch wenn hier wohl eine gewisse Hoffnung besteht, dass er gegen den VfL Wolfsburg eventuell spielen könnte – aus einem Faserriss entwickelt sich u.U. ein Muskelbündelriss, der dann ebenfalls das Saisonaus für Milan bedeuten würden. Wenn auch das Spiel gegen „96“ erneut aufgezeigt hat, dass das Duo Rincon/Arslan suboptimal funktioniert und nach Veränderung schreit, bin ich der Meinung, dass Badelj  derart wichtig für das Spiel des Hamburger Sportvereins ist, dass man einen längeren Ausfall mit Blick auf die verbleibenden Spiele nicht riskieren sollte. Aber zum Glück muss ich diese Entscheidung ja nicht fällen.
Nach Lage der Dinge ausgeschlossen soll ein Einsatz von van der Vaart im nächsten Spiel sein. Der Niederländer soll sich ebenfalls mit muskulären Problemen herumschlagen.

Es liegt in der Natur der Sache. Abstiegskampf bedeutet Existenzkampf, also Stress ohne Ende. Das trifft nicht nur die Spieler und Verantwortlichen im Verein, sondern auch die Anhängerschaft. Und so kann es nicht verwundern, dass längst Stimmen laut wurden, die den HSV bereits abgestiegen sehen. Generell gilt, dass Menschen unterschiedlich mit Stress umgehen. Dabei ist zu beachten, dass Stress, auch wenn er in der deutschen Sprache gewöhnlich mit negativem Unterton versehen ist, ansich nichts Schlimmes ist. Im Gegenteil! Es kommt allein auf dessen Ausmaß, bzw. die eigenen Fähigkeiten (Ressourcen) des Einzelnen an, mit denen er/sie ihm begegnet. Fühle ich mich dem Stress absolut  gewachsen, so ist er sogar positiv, da er leistungsfördernd wirkt. Nur wenn die stressende Situation als ausweglos und übermächtig empfunden wird, spricht man von Negativem Stress. Letzteres ist regelmäßig gemeint, wenn psychologische Laien über Stress klagen. Und in der Tat macht dieser Stress auf Dauer krank. Eine entscheidende Rolle spielt also die eigene Einstellung.

Es gibt viele Menschen, die eine spezielle Strategie im Umgang mit unangenehmen und ggf. angstauslösenden Dingen in ihrem Leben entwickelt haben. Sie tendieren dazu, jeweils den „worst case“ vorwegzunehmen, also das denkbar schlimmste Szenario. Auf den HSV übertragen hieße dies, ich erkläre den Verein als bereits abgestiegen, obwohl das unbestreitbar objektiv nicht zutrifft!, damit mich ein realer Abstieg emotional nicht mehr so trifft. Im Grunde handelt es sich hier also um so genanntes „Coping“. Ein Vorteil dieser Bewältigungsstrategie könnte sein, dass der Betreffende auch im Falle des realen Abstiegs handlungsfähig bleibt, da er sich ja schon seit Wochen mit diesem Szenario auseinandergesetzt und es als unvermeidlich akzeptiert hat. Diese Coping-Strategie hat aber auch diverse Nachteile:

1.) ich suche nicht länger nach Alternativen, um das Schlimmste zu vermeiden, da ich dessen Eintritt ja bereits im Kopf als vermeintlich alternativlos akzeptiert habe;
2.) ich mobiliere auch nicht mehr alle meine Kräfte, um mich gegen dieses fiktive(!) Szenario zu stemmen, denn ich meine ja zu wissen, dass es so kommen muss und wird, egal was ich noch versuche;
3.) weil ich das Negative im Kopf bereits vorwegnehme, steigt dessen Eintritts-Wahrscheinlichkeit (Teufelskreis). ERGÄNZUNG: Das hat dann ggf. den Vorteil, dass ich mich in meiner negativen „Expertise“ bestätigt sehe.

Grob gesagt kann man ganz allgemein Menschen in zwei Gruppen unterteilen: in s.g. „lageorientierte“ und „handlungsorientierte“ Menschen. Während die Lageorientierten angesichts einer Problemstellung zum Nachdenken bis zum Grübeln neigen, agieren die Handlungsorientierten, d.h. sie gehen das Problem unverzüglich an. Beides hat Vor- und Nachteile. Der Lageorientierte prüft sorgfältig alle erdenklichen Lösungsalternativen, vergisst dabei aber unter Umständen, dass das Nachdenken allein ohne konkrete Handlungsschritte das Problem nicht löst. Der Handlungsorientierte hingegen ist auf dem Weg zur Problemlösung zunächst erfolgreicher, da er unmittelbar etwas unternimmt, läuft aber ggf. Gefahr, die bessere Alternative zu seinem spontanen Lösungsansatz zu übersehen.

Fußball ist als schnelle Mannschaftssportart für lageorientierte Menschen eher ungeeignet. Wer zu lange abwägt, ob er diesen oder jenen Mitspieler anspielen, ob er den Torwart umspielen oder überlupfen soll, dem geht der Ball verloren, bzw. der versiebt mit größter Wahrscheinlichkeit die Torchance. Das Spiel selbst erfordert, dass man sofort und  intuitiv die richtige Lösung wählt. Diesem unmittelbaren Handlungsdruck sind wir Betrachter jedoch nicht ausgesetzt. Also bewerten wir gewöhnlich das Spiel und nachfolgend die sich daraus ergebende sportliche Situation entsprechend unseren generellen Orientierung (Handlung vs. Lage), bzw. auch in Abhängigkeit von unseren vorhandenen oder nicht vorhandenen Erfahrungen mit Wettkampfsport, also ggf. vorhandenem Hintergrundwissen.

Ich denke, ich gehe nicht zu weit wenn ich unterstelle, dass die Mehrzahl der Zuschauer kaum je in ihrem Leben sportliche Wettkämpfe auf höherem Niveau bestritten haben. Es fehlt also grundsätzlich an eigener unmittelbarer Erfahrung. Dazu gesellt sich, dass man gewöhnlich auf die mediale Berichterstattung angewiesen ist und sich kaum ein eigenes Bild jenseits der Beobachtung der Spiele verschaffen kann. Jede Einschätzung der Situation bleibt also mit vielen, vielen Unsicherheiten behaftet. Unsicherheit oder offene Fragen führen jedoch schnell zu der Empfindung, etwas sei chaotisch. Das menschliche Gehirn aber, das ist evolutionär bedingt, versucht permanent Chaos zu vermeiden, indem es Antworten/Gründe sucht. Dabei erscheint es sogar völlig unbedeutend, ob die Antwort tatsächlich sinnhaft ist. Um ein jüngst andernorts zitiertes Beispiel aufzugreifen:

Schon die Aufforderung „Lassen Sie mich bitte vor, weil ich etwas kopieren muss!“ führt, obwohl sie ansich völlig unverschämt und weitestgehend sinnfrei ist (der andere will ja auch kopieren) dazu, dass man meist den Vortritt erhält. Warum? Weil unser Gehirn unbedingt  Antworten „will“. Die Prüfung, ob eine Antwort tatsächliche Substanz enthält, findet oft gar nicht statt.

Um zur medialen Berichterstattung zurückzukehren, auf die die meisten von uns angewiesen sind: Der SPIEGEL nahm jüngst das angebliche Gehalt von Ilicevic und dessen relativ wenige Einsätze für den HSV zum Anlass, um den Tenor seiner HSV-Geschichte zu würzen: Seht her, für so einen, der so wenig spielt, bezahlen die Idioten in dem Verein so viel Gehalt! Kein Wort darüber, dass der Spieler nicht leistungsbedingt sondern aufgrund diverser Verletzungen auf diese Einsatzzahlen kam. Kein Wort darüber, dass noch kurz vor der damaligen Vertragsunterschrift namhafte Mitkonkurrenten ebenfalls um den Spieler buhlten. Warum auch?! – das hätte doch nur die vermeintliche Schlüssigkeit des Artikels in Frage gestellt. Denn selbst wenn man im Nachhinein zu der Feststellung käme, dass sich das Investment des Vereins nicht gerechnet habe, so ist dies eben eine stets wohlfeile ex-post Analyse. Maßgeblich für die Sinnhaftigkeit oder Unsinnigkeit dieses Vertrages können nur die Bedingungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses sein. Und zu jenem Zeitpunkt dürften wohl nicht einmal die sich stets allwissend generierenden Damen und Herren des SPIEGELS gewusst haben, dass der Spieler immer wieder verletzt sein würde. Wetten, dass?! Aber so wird eben Meinung gemacht, bzw. zur Meinungsbildung beigetragen. Auch das beeinflusst uns (notgedrungen), wenn wir die Situation des HSVs einschätzen.

Andere Medienschaffende plärren seit Monaten, dass der HSV zu wenig trainiere. Denn so meint es so mancher Laie zu wissen: Viel hilft immer viel. Diese Behauptung ist zwar in dieser Pauschalität gröbster trainingsmethodischer Unfug, aber darauf kommt es gar nicht an. Worauf es ankommt, ist, dass man genügend „Käufer“ für die These findet. Und diese Behauptung hat einen Vorteil: Sie knüpft an vermeintlich sicheres Alltagswissen der Konsumenten an. Das ersetzt zwar nicht deren fehlende sport-fachliche Qualifikation, liefert aber was? Die so dringend herbeigesehnte Antwort (s.o.). Und dann ist es nicht mehr weit zu folgender Sichtweise:

„Der HSV verliert und steigt ab, weil das alles Söldner sind, denen das Schicksal des Vereins völlig gleichgültig ist, was man u.a. daran sieht, dass die so wenig laufen. Und (ein wenig will der schwelende Sozialneid ja auch mal raus) dafür werden die auch noch so hoch bezahlt?!“

Ach, wenn es doch so einfach wäre! Ähnlich verhält es sich in meinen Augen mit der gegenläufigen These, dass Slomkas Training ursächlich für die inzwischen sich häufenden Verletzungen sei. Zwar ist die Häufung der muskulären Verletzungen in der Tat bemerkenswert, jedoch könnte es dafür andere, ebenfalls plausible Gründe geben. Interessiert aber offenbar nicht. Denn dann könnte man nicht über den Umweg einer fachlichen Dikreditierung des Trainers diejenigen angreifen, die man tatsächlich treffen möchte. Nämlich die Urheber der „Fink und van Marwijk haben die Söldner durch zu lasches Training falsch trainiert“-These.

Wie man es auch dreht und wendet – alle diese Argumentationsmuster haben vor allem einen Vorteil: Tatsächliche Wissenslücken werden unverzüglich überbrückt und sollen die vermeintliche Schlüssigkeit der eigenen Sichtweise untermauern.

Objektiv ist der HSV keinesfalls bereits abgestiegen. Objektiv machen die diversen verletzungsbedingten Ausfälle die unverändert anstehende Aufgabe, den Abstieg zu vermeiden, nicht einfacher. Aber möglich ist dies unverändert. Ob es am Ende gelingen wird, das weiß ich auch nicht. Was ich aber weiß, ist, dass wir mit Sicherheit absteigen werden, wenn wir vorzeitig die Flinte ins Korn werfen, oder uns jetzt auf die Jagd nach den Schuldigen machen, anstatt uns auf diese zweifellos schwierige Aufgabe zu fokussieren. Für den Verein mag es sogar von Vorteil sein, wenn es uns erst im allerletzten Moment, im Rückspiel der Relegation, z.B. durch einen Treffer von Lasogga, gelänge, dieses Ziel zu erreichen. Denn dann dürften wohl selbst die größten Träumer begriffen haben, dass es so mit dem Verein nicht weiter gehen darf. Auch wenn ich mir mitunter wie ein einsamer Rufer in der Wüste vorkomme: Die Hoffnung und der Glaube dürfen erst dann aufgegeben werden, wenn der Klassenerhalt objektiv, d.h. rechnerisch nicht mehr möglich ist. Es bleibt menschlich, wenn man dazu nicht in der Lage ist. Da sagt allerdings dann mehr über den eigenen Umgang mit der Realität als über die Realität ansich aus.

Fußballberichterstattung ohne tatsächlichen Mehrwert für die Konsumenten

Man hat es dieser Tage nicht leicht als Fußball-Fan. Wer wüsste das nicht besser, als die Fans des akut vom Abstieg bedrohten Hamburger Sportvereins. Auch mir geht es so, dass ich mit den kleinen Teufelchen in meinem Kopf zu kämpfen habe, die beständig auf die schwindenen Chancen pochen und den Niedergang beschwören. Dennoch bemühe ich mich, Ansatzpunkte zu entdecken, die einen Klassenverbleib möglich machen. Das hat übrigens nichts mit notorischem Schönreden zu tun, sondern mit erlebter Wettkampf-Erfahrung und fachlichem Wissen.

Ich wollte hier ursprünglich bis zur Vorschau auf das kommende Spiel gegen Leverkusen die Klappe halten. Denn wer braucht schon Artikel oder Interviews, deren hauptsächliches Anliegen das Füllen von Seiten und die Generierung von Klicks sind? Ich nicht. Zum Glück. Infotainment zum Fußball mit dem Schwerpunkt Entertainment, man denke nur an Formate wie den Doppelpass auf Sport1, gibt es bereits mehr als genug. Sie sind Teil der Vermarktungsmaschinerie rund um diesen Sport.

Uli Potofski, ein von mir geschätzter Moderator, sagte neulich auf die Frage, ob Sportjournalisten in den vergangenen Jahren unterwürfiger geworden seien:

„Wir Journalisten verkaufen die Ware Fußball. Wer das bestreitet, ist naiv. Auch klar: Niemand würde die Ware, von dessen Verkauf er lebt, ständig schlechtreden. Es ist daher nur die logische Folge, dass es auch im Sportjournalismus teils bedenkliche Entwicklungen gibt. An der einen oder anderen Stelle müsste man den soziologischen Hintergund intensiver untersuchen, denn der ist defintiv nicht derart positiv, wie wir alle tun.“ (Das ganze Interview gibt es hier: http://www.dwdl.de/nachrichten/45269/ulli_potofski_die_poebler_tun_mir_leid/page_1.html)

Nun ist es grundsätzlich verständlich, dass man als Journalist nicht den Ast absägt, auf dem man selber sitzt, also das „Produkt Fußball“ schlechtmacht. Ein steter Quell des Ärgernisses bleibt für mich jedoch, wenn ich mich als Konsument beständig an der Nase herumgeführt und betrogen sehe. Vom Sportfachjournalismus erwarte ich als Leser, Zuhörer oder Zuschauer einen Mehrwert, nicht offensichtliche Selbstinszenierung, Pseudo-Skandälchen zum Zwecke der Auflagensteigerung oder gar übelste Stammtisch-Plattitüden.

Nur drei Beispiele aus den letzten Tagen:

1. der SPEGEL-Autor, Peter Ahrens, fabulierte unter der Überschrift „das war’s dann wohl“ (http://www.spiegel.de/sport/fussball/hsv-hamburg-vor-abstieg-aus-bundesliga-a-961627.html), die Anhänger des Vereins sollten sich mit dem Abstieg abfinden. Seine Begründung basiert im Wesentlichen auf der Lektüre der Tabelle und dem Restprogramm. Und sie gipfelt in der Behauptung:

„Die Trainerwechsel von Thorsten Fink über Bert van Marwijk zu Mirko Slomka haben wenig bis gar keine Wirkung gezeigt. Das Team hat direkt nach dem Wechsel zunächst wie ein Reanimierter agiert, der unvermittelt wieder Körperreaktionen zeigt. Danach aber ist die Mannschaft rasch in ihr gewohntes Siechtum verfallen.“

Nun hat jeder ein Recht auf eine eigene Meinung. Und selbstverständlich kann man die Aussichten auf den Klassenerhalt pessimistisch einschätzen. Als Leser wünschte ich mir jedoch, dass mir ein Fachjournalist eine Expertise vorlegt, die auf mehr beruht als auf seinem persönlichen Gefühl, Erfassung des Tabellenplatzes und der Übernahme der Papierform der Gegner im Restprogramm. Die Tabelle und die Namen der noch ausstehenden Gegner lesen – das kann der Leser allein. Wo ist also der Mehrwert? Abgesehen davon haben sich diverse Details, sowohl was das mannschaftliche Verhalten als auch die Leistungsentwicklung einzelner Spieler angeht, sehr wohl verändert (Ich erspare mir hier eine genaue Begründung. Wer hier mehr wissen will, der kann im Archiv nachschlagen.). Was sich nicht wesentlich verändert hat, das ist wohl wahr, ist die Tatsache, dass es bisher nicht gelungen ist, die Abstiegsränge zu verlassen. Aber noch einmal: Tabellen lesen konnte ich schon als Schulkind…

2. Ebenfalls der SPIEGEL kommt Ende März, mithin gegen Ende der Saison(!), mit einer Statistik um die Ecke, die u.a. dem HSV und dem VfB Stuttgart eine annähernd Fifty-fifty-Chance zur Frage des Klassenverbleibs einräumt. Grundgütiger! Wer hätte das zu diesem Zeitpunkt der Saison gedacht?! Empirische Aussagen ohne jeden tatsächlichen Erkenntnisgehalt. Nachzulesen hier: http://www.spiegel.de/sport/fussball/bundesliga-statistik-hamburger-sv-und-vfb-stuttgart-im-abstiegskampf-a-961114.html

3. Wer die Nachberichterstattung gestern Abend im ZDF zum Spiel Real Madrid – BvB nicht verfolgt hat: Da fragte der Moderator, Jochen Breyer, den mit 0:3 unterlegenen Trainer des BvBs, Jürgen Klopp, ob die Dortmunder damit nun ausgeschieden seien. Ja, Wahnsinn, super Frage! Das, genau das wollte ich schon immer bei derartigen Ergebnissen wissen! Was soll ein Trainer darauf antworten? Etwa: „klar, die Sache ist gelaufen. Wir streichen die Segel und treten zum Rückspiel gar nicht mehr an.“?
Als Zuschauer hätte mich interessiert, ob Klopp trotz den enttäuschenden und wenig Mut machenden Ergebnisses dennoch Ansatzpunkte sieht, die Hoffnung machen, um „against all odds“ das Blatt zu drehen. So aber kam es zum wohl kalkulierten „Aufreger“. Das Gespräch war rasch beendet. Moderator Breyer und Experte Kahn spielten noch ein wenig Pingpong. Und ich als Konsument verabschiedete mich aus der Sendung: Gute Nacht, ZDF, schlaft auch ihr schön (weiter)! Der TAGESSPIEGEL hat das Ganze treffend kommentiert: http://www.tagesspiegel.de/medien/real-madrid-borussia-dortmund-jochen-breyer-gegen-juergen-klopp-trash-talk-statt-analyse/9709686.html

Nun ist der SPIEGEL wahrlich nicht die Referenzquelle Nummer eins für Fußballberichterstattung. Aber es stimmt doch sehr bedenklich, dass immer mehr etablierte Medien, und zu denen gehört auch das Magazin aus Hamburg zweifellos, eine Form der Pseudo-Berichterstattung pflegen, deren substanzieller Gehalt gen Null tendiert. Ein weiteres unschönes Beispiel in diesem Zusammenhang ist in jedem Jahr auch das Sonderheft vom KICKER zu Saisonbeginn. Lange vor Transferschluss werden Prognosen für die Vereine veröffentlicht, die meist schon zum Verkaufsstart das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben wurden. Warum? Weil inzwischen oft wichtige Transfers, die die Chancen der Vereine maßgeblich beeinflussen, erst gegen Ende der Transferperiode erfolgen. Eine seriöse Vorhersage ohne Einbeziehung relevanter Faktoren ist daher schlicht nicht möglich. Mit anderen Worten: Auch hier Pseudo-Expertise ohne tatsächlichen Mehrwert für den Konsumenten – wenn man von der beigelegten Stecktabelle einmal absieht.

Und da fragt sich mancher, warum die „Käufer“ zu den meist kostenfreien Online-Angeboten abwandern… Am Ende ist es eben so: die Bereitschaft, für etwas zu bezahlen, ist auch an die Qualität geknüpft. Wer mir beständig eine Karosse ohne Motor anpreist, dem kaufe ich kein Auto ab. So gesehen mag das die Branche bekümmern, aber gesellschaftlich ist das vielleicht ein ermutigendes Zeichen. Ganz so dämlich, wie manche in der Medienbranche offenbar meinen, sind die Konsumenten dann doch nicht.