SpVgg Greuther Fürth

Erklärungsversuche

Nach dem emotionalen und spielerisch wie taktischen Höhepunkt des Derbysieges gegen den FC St. Paui folgt eine ernüchternde Niederlage gegen den SV Darmstadt 98. Nach erneut glänzenden ersten 15 Minuten des HSV und einer verdienten Zwei-Tore-Führung, erscheint vermutlich nicht nur mir die Fallhöhe, aus welcher der HSV auf den harten Boden der Realität prallte, extrem.

Narey meinte nach dem Spiel, für die zweite Halbzeit gäbe es keine Erklärung, und Özcan meinte, ein 2:0 sei ein gefährliches Ergebnis, daher habe man den dritten Treffer markieren wollen, nur sei dies leider nicht gelungen. Beides sind Aussagen, die ich so nicht unkommentiert stehen lassen möchte.

Unerklärbar?

Um beantworten zu können, ob der Leistungseinbruch tatsächlich unerklärbar ist, ist zunächst zu prüfen, ob sich die Bedingungen, unter denen der HSV seine Führung erzielen konnte, im Laufe des Spiels geändert haben. Und in diesem Zusammenhang muss sofort ins Auge fallen, dass der Darmstädter Trainer, Grammozis, bereits nach einer halben Stunde auf den Spielverlauf taktisch reagierte: er brachte Yannick Stark ins Spiel, offensichtlich mit der Order, die Kreise von Mangala nachhaltig zu stören. Fortan konnte dieser als Hamburgs wichtigster, da zentraler Übergangspieler nicht mehr nach Belieben schalten und walten. Mit anderen Worten: Grammozis warf taktisch einen dicken Stein ins Hamburger Getriebe. Mangala versuchte sich zwar den Attacken zu entziehen, rieb sich jedoch zunehmend in Zweikämpfen auf und verzettelte sich in Einzelaktionen anstatt den Ball schneller abzugeben.

Pressing des Gegners

Spätestens nach der Halbzeitpause störten die Gäste eben so konsequent und hoch das Aufbauspiel des HSV, wie es bereits die SpVgg Greuther Fürth über weite Strecken erfolgreich vorgemacht hatte. Analysiert man alle drei zurückliegenden Partien des HSV, so ist zu erwarten, dass künftige Gegner sich gründlich überlegen werden, ob sie sich wirklich in die eigene Hälfte wie der FC St. Pauli zurückziehen sollten, um dort die Räume zu verengen, oder ob sie besser dem Muster Fürths und nun Darmstadts folgen.

Auffällig erscheint mir immer wieder, wie viel Zeit der HSV situativ vergeudet, wenn fluides und dennoch kontrolliertes Spiel erforderlich ist. Es gibt keine mittlere Lösung zwischen dem vom Gegner ungestörten, flüssigen Aufbau und dem langen und leider oft unpräzisen „langen Hafer“. Dabei dürfte inzwischen der gesamten Liga bekannt sein, dass Hamburgs Spiel in Abwesenheit von Hunt vor allem auf zwei Säulen beruht: Mangala und Douglas Santos. Gelingt es, die Kreise dieser beiden Spieler entscheidend einzuengen, fehlt es vor allem Sakai, Bates und van Drongelen in Sachen Spielaufbau und Seitenverlagerung immer wieder an Handlungsschnelligkeit.

Die angeblich gefährliche Führung

Dass eine Mannschaft nach einer Zwei-Tore- Führung einen Schritt herausnimmt, in Erwartung der gegenerischen Attacken auch etwas defensiver spielt, ist sowohl menschlich als auch taktisch grundsätzlich nachvollziehbar. Wenn aber Özcan mit Hinweis auf einen möglichen Anschlusstreffer meint, der zwischenzeitliche Vorsprung sei aus Sicht des Teams „gefährlich“ gewesen, dann müsste logischerweise jeder einzelne Führungstreffer noch gefährlicher sein. Und es ist eben nicht erkennbar gewesen, dass man konsequent den dritten Treffer markieren wollte! Man verfiel zunehmend in ein körperloses Spiel, versuchte die Dinge rein spielerisch zu lösen und machte exakt die Schritte weniger, die zum Gewinn zweiter Bälle erforderlich sind. Dass die Mannschaft dies trotz der taktischen Änderungen des Gegners anders kann, belegt die Schlussphase. Denn offenbar wach gerüttelt vom Ausgleichstreffer, legten alle wieder einen Zahn zu. Und, schau an, schau an!, plötzlich gewann man wieder Zweikämpfe und kam zu herausgespielten, guten Torchancen.

Mentale Wettkampfführung

Ein Unterschied zwischen durchschnittlichen und überdurchschnittlich erfolgreichen Wettkämpfern ist meiner Erfahrung nach folgender: Der Erstere wähnt sich im Falle einer Führung seiner Sache zu sicher, oder ihn beschleicht „the fear of winning“. Plötzlich beginnt er, Risiken übergroßes Gewicht zu verleihen, sich mit dem „was wäre wenn“ zu beschäftigen, anstatt fokussiert bei der bis dahin doch erfolgreichen Linie zu bleiben. Dem überdurchschnittlich Erfolgreichen ist die Gefahr grundsätzlich bewusst und gerade deswegen bleibt er konzentriert und „killt“ den Gegner so schnell es eben geht. Auf Özcans Aussage heruntergebrochen, meine ich hier entsprechende Defizite erkennen zu können, die einen weiteren Aspekt zur Erklärung des gestrigen Spielverlaufs liefern. Die mentale Einstellung mancher Spieler des HSV muss sich verbessern, will der Verein am Ende erfolgreich in die 1. Liga zurückkehren. Natürlich ist es begründet und clever, angesichts zweier eigener Tore im Rücken nicht weiter naiv und ggf. gerade deswegen ins Verderben zu stürmen. Aber es ist ein schmaler Grad zwischen Souveränität und Hochmut, zwischen kontrollierter Aktion und von Angst beeinflusster REaktion.

Lösungsvorschläge

Wolf wäre meines Erachtens gut beraten, würde er seine Mannschaft für die kommenden Spiele auf ähnlich agierende Gegner vorbereiten. Gerade wenn der mannorientierte Druck auf einzelne Schlüsselspieler steigt, muss das eigene Passspiel schneller werden, ohne dabei an Präzision zu verlieren. Denn niemand, auch kein wie auch immer aufgestellter Gegner, läuft dauerhaft schneller als der Ball.

Die Auseinandersetzung mit dem „was wäre wenn“ (dem Gegner der Anschlusstreffer gelingt) muss vor dem Spiel und zwar abschließend erfolgen. Während des Spiels sind derartige Gedanken bei der Fokussierung auf den eigenen Matchplan kritisch zu sehen, da nur störend. Es muss weiter an der Verfestigung alternativer Spielanlagen gearbeitet werden, damit während des Wettkampfs möglichst zu jedem Zeitpunkt zielgerichtet agiert und nicht reagiert wird.

Werbung

Trotz des Sieges viel zu wenig! – Äußerst glücklicher Heimsieg des HSV gegen starke Gäste

Hamburger SV – SpVgg Greuther Fürth 1:0 (0:0)

Ein System, zwei Welten

In der Begegnung zwischen dem Hamburger SV und der SpVgg Greuther Fürth trafen zwei Mannschaften aufeinander, die beide in ihrer taktischen Ausrichtung auf einem 4-1-4-1 aufbauen. Während der Fürther Trainer, Leitl, weitestgehend personell aus dem Vollen schöpfen konnte, ereilte HSV-Trainer Wolf unmittellbar vor Spielbeginn eine Hiobsbotschaft. Stammtorhüter Pollersbeck stand aufgrund muskulärer Probleme nicht zur Verfügung und musste daher kurzfristig durch Tom Mickel ersetzt werden. Anstelle des gesperrten Mangala hatte sich Wolf für Sakai im defensiven Mittelfeld entschieden. Auf dessen angestammter Position des Rechtsverteidigers ließ er Narey spielen. Zum Glück stand ihm erstmals nach längerer Verletzungspause Aaron Hunt zur Verfügung, sodass der HSV fast in Bestbesetzung antreten konnte. Dass Arp aufgrund einer Schädelprellung kurzfristig ebenfalls nicht zur Verfügung stand, ändert angesichts seiner bisherigen Rolle als Ergänzungsspieler daran nichts.

Vom Anpfiff an zeigten sich gravierende Unterschiede zwischen beiden Teams. Die Gäste störten das Aufbauspiel des HSV massiv, indem sie ge- und entschlossen und äußerst diszipliniert offensives Pressing spielten, was den HSV in arge Nöte trieb. Tom Mickel im Tor, der ansonsten tadellos hielt, trennte sich manches Mal riskant spät vom Ball. Zudem fehlte seinen langen Bälle die nötige Präzision. Aus meiner Sicht war er damit ein Grund, wenn auch beileibe nicht der einzige!, warum der HSV stetig zunehmend spürbar unsicher agierte. Der HSV seinerseits war wie gewohnt bemüht, das Spiel als Gastgeber zu machen, allein es gelang ihm kaum. Das Pressing des HSV wirkte vergleichsweise halbherzig. Bekanntermaßen ist Lasogga nicht als Laufwunder bekannt, und ihm fehlte auch die entschlossene und disziplinierte Unterstützung seiner Nebenleute. Insbesondere Holtby habe ich schon weit aktiver gesehen.

Flügellahm und mangelnde Handlungsgeschwindigkeit

Für mich überraschend hatte Wolf Jatta auf die linke und Hwang auf die rechte offensive Außenbahn beordert. Ich hatte hier einen Seitentausch erwartet. Nach spätestens einer halben Stunde wurde offensichtlich, dass der HSV, sofern er überhaupt sein Spiel gegen das starke Pressing der Gäste entwickeln konnte, fast nur über die linke Außenbahn ins vordere Drittel kam. Hwang und Narey ergänzten sich aus meiner Sicht auf der rechten Seite nicht gut. Insbesondere Narey war offensiv fast ein Totalausfall. Er muss für sein Spiel Tempo aufnehmen und braucht daher gewisse Räume. Diese waren aber kaum je vorhanden, weil die Fürther auch ihn sofort attackierten. Insofern wunderte es mich, dass beide offensiven Außen strikt ihre Seiten hielten anstatt zumindest versuchsweise, wie in der Vergangenheit bereits mehrfach gesehen, die Flügel zu tauschen.

Sakai ist als zentraler defensiver Mittelfeldspieler bestenfalls biederer Durchschnitt. Er war wie immer willig, aber es fehlt ihm aufgrund seiner Statur die körperliche Robustheit, das auf dieser Schlüsselposition notwendige Durchsetzungsvermögen. Es fehlt in meinen Augen auch die Handlungsgeschwindigkeit und spielerische Qualität. Dennoch hätten die Hamburger bereits früh in Führung gehen können, hätte Lasogga seine beiden Chancen (8.; 13.) nutzen können. Aber es zeigte sich einmal mehr: Wenn Lasogga nicht trifft, dann fehlt es dem HSV an Torgefährlichkeit. Das Spiel ist m.E. zu sehr auf den Mittelstürmer ausgerichtet. Hwang und Jatta, obwohl meist läuferisch ihren Gegenspielern überlegen, kommen selbst kaum zum Abschluss.

Nach 38. Minuten musste Wolf bereits früh wechseln, da sich Hwang bei einem Sprintduell auf der Außenbahn eine Oberschenkelverletzung zugezogen hatte. Statt des Koreaners kam Özcan ins Spiel. Für mich vollkommen überraschend verzichtete Wolf auf die sich meiner Meinung nach aus dem Spielverlauf geradezu aufdrängende Umstellung. Statt Sakai nun auf seine angestammte Position des Rechtsverteidigers und den bis dahin offensiv völlig abgemeldeten Narey weiter nach vorn zu ziehen, ließ er tatsächlich Özcan als Hwang-Ersatz auf der Außenbahn spielen. Diese Entscheidung mag angesichts der nahenden Halbzeitpause zunächst noch verständlich sein, nach der Auswechselung von Holtby und der Hereinnahme von Jung in der Pause erschien sie mir nicht mehr nachvollziehbar. Denn mit Jung war ab diesem Zeitpunkt ein Spieler auf dem Platz, der wie Sakai die „6“ als Nebenposition spielen kann. Um dessen Mangel an Kreativität auszubalancieren, hätte man spätestens jetzt Özcan weiter ins Zentrum ziehen können, wenn nicht gar müssen.

Die Rückkehr des „langen Hafers“

Hatte ich noch meine Hoffnungen auf die Halbzeitansprache von Wolf und eine damit verbundene gründliche taktische Neuordnung aufgrund der bis dahin dürftigen Leistungen des HSV gelegt, zeigte sich rasch, dass die Leistung keineswegs besser wurde. Im Gegenteil! Die Spielvereinigung übernahm mehr und mehr das Kommando und bestimmte das Spielgeschehen. Der HSV wurde weitestgehend zum Statisten im eigenen Stadion degradiert und wusste sich zunehmend nur noch mit langen Bällen aus ärgster Bedrängnis zu wehren, denen zudem jede Genauigkeit fehlte. Spontan fühlte ich mich an die Preisgabe jeglicher Spielkultur unter Ex-Trainer Gisdol erinnert, nur presste der HSV seinerzeit konsequenter und besser. Was zwischen 46. und der Hinausstellung von Julian Green in der 67. Minute vom Hamburger SV angeboten wurde, war, ich muss das so hart ausdrücken, spielerisch sehr, sehr dürftig und eines selbsternannten Aufstiegsaspiranten unwürdig! Hätten Schiedsrichter Dingert und sein Gespann die Abseitsstellung von Green nicht übersehen, es wäre nie zur Hinausstellung von Green wegen einer angeblichen „Schwalbe“ im Strafraum des HSV gekommen. Für mich die Schlüsselszene für den Spielausgang. Der HSV kam somit durch eine aus seiner Sicht glückliche (Fehl-)Entscheidung des Schiedsrichters in den Vorteil personeller Überzahl.

Wenige Minuten später erlöste Wolf den dieses Mal fahrig und unglücklich agierenden Jatta und brachte Ito. Ein für mich richtiger Wechsel, der sich auszahlen sollte, auch wenn Ito wie schon fast gewohnt kein Glück beim Abschluss beschieden sein sollte. Aber seine Beweglichkeit führte zu einer deutlichen Belebung des Hamburger Spiels, die nun ihrerseits erstmals das Spiel bestimmen konnten. Dennoch dauerte es bis zur 85. Minute, bis Aaron Hunt nach einer scharfen Hereingabe des endlich einmal offensiv auf der rechten Außenbahn wirksamen Narey den Ball zum Siegtreffer ins kurze Eck spitzeln konnte. Aufgrund der Unterzahl der Gäste hatte Narey zuvor endlich einmal den Raum gefunden, den er für sein Spiel eben benötigt.

Fazit: Am Ende gewinnt der HSV unverdient aufgrund seiner individuell höheren Qualität. Durch die höchst umstrittene Schiedsrichterentscheidung ist der Sieg des HSV glücklich und nicht verdient. Das kollektiv bessere Team war in meinen Augen eindeutig die Spielvereinigung Greuther Fürth. Beeindruckend, was deren Trainer, Leitl, in wenigen Wochen bewirkt hat. Da beide Mannschaften auf einer sehr ähnlichen Formation aufbauten, ließ sich die Qualität des kollektiv-taktischen Verhaltens unmittelbar vergleichen. Zu beachten ist hier, dass Leitl bisher nur wenige Wochen Zeit hatte, während Wolf inzwischen mehrere Monate im Amt ist. Seit Wochen wird von Wolf von Verbesserungen geredet, spielerisch war diese Begegnung für mich ein weiterer, klarer Rückschritt.

Wer sich aus Hamburger Sicht regelmäßig von Schiedsrichtern benachteiligt wähnt, sollte sich auch dringend dieses Spiel merken. Ohne die umstrittene Hinausstellung von Green durch Dingert und der damit verbundenen personellen Überzahl, hätte dieses Spiel sehr wahrscheinlich einen anderen Ausgang genommen. Will man nicht das anstehende Derby gegen den FC St. Pauli klar verlieren, muss sich der HSV dringend steigern.

Aufstellung: Mickel – Narey, Bates, van Drongelen, Douglas Santos – Sakai – Hwang (38. Özcan), Hunt, Holtby (46. Jung), Jatta (73. Ito) – Lasogga

Schiedsrichter: Dingert (Gries). Dem Platzverweis gegen Julian Green wg. „Schwalbe“ ging eine Abseitsstellung voraus, die nicht erkannt wurde. Dürfte mit der deswegen unberechtigten Hinausstellung erheblich den Spielausgang beeinflusst haben.