Ein schmeichelhaftes Unentschieden: HSV – SpVgg Greuther Fürth 0:0 (0:0)

So ist das zur Zeit. Nach einer sorgenvollen, unruhigen Nacht schreibe ich meinen Spielbericht und stelle nur die Hälfte online. Die andere Hälfte verschwindet ungewollt und ungespeichert im virtuellen Nirwana. Es kommt derzeit alles zusammen. Also auf ein Neues!

HSV-Trainer Slomka musste kurzfristig die Mannschaft umbauen, da Adler nach dem Aufwärmen über Rückenschmerzen klagte. Für ihn kam Drobny zum Einsatz. Wohl dem, der so eine 1b-Lösung auf der Bank weiß. Überraschender und möglicherweise schon ein Fingerzeig für die Zukunft beim HSV war die Tatsache, dass Westermann ebenfalls auf der Bank Platz nehmen musste, weil Slomka auf Djourou vertraute. Er schickte also folgende Aufstellung zu Beginn auf das Feld:

Drobny – Diekmeier, Djourou, Mancienne, Jiracek – Rincon (90. Westermann), Tesche (60. Jansen), Badelj, Calhanoglu – van der Vaart – Lasogga

Die Partie begann verhalten und ohne große Höhepunkte, da beide Mannschaften zunächst darauf bedacht schienen, defensiv stabil zu stehen. Die Partei glich zu Beginn mehr einem wechselseitigen Abtasten beider Mannschaften, die sich weitestgehend neutralisierten. So dauerte es bis zur 26. Minute, als der sehr agile  Fürther Angreifer, Ilir Azemi, sich mit einem schönen Trick durch den Strafraum der Hamburger spielte. Zum Glück für die Gastgeber kam er dabei am Ende etwas aus dem Tritt und traf den Ball nicht mehr absolut sauber. Drobny stand im kurzen Eck, Azemi schien ihn “tunneln” zu wollen, aber Hamburgs Torhüter bekam schnell genug die Beine zusammen und konnte diesen Schuss aus sieben Metern abwehren.

Insgesamt wirkten das Spiel der von Frank Kramer trainierten Gäste taktisch reifer, flüssiger, zielstrebiger, konsequenter und vor allem selbstbewusster. Der HSV spielte vergleichsweise altmodisch. Der Dreischritt, Ballannahme, schauen, passen, wurde regelmäßig zum Vierschritt erweitert: Ball annehmen, auf den richtigen Fuß legen, schauen, passen. Oder es wurde mit dem Ball gelaufen, weil man keine Anspielstation fand. So verwundert es nicht, dass auf diese Weise wertvolle Sekunden(–bruchteile) vergeudet wurden, die es den überaus lauffreudigen Gästen erlaubten, evtl. vorhandene Lücken im eigenen Defensivverbund rechtzeitig zu schließen. Es dauerte daher bis zur 44. Minute, bis Calhanoglu nach einer Einzelaktion aus 18 Metern auf das Tor der Gäste schoss. Aber dieser Ball verfehlte klar rechts das vom Ex-HSVer Hesl gehütete Gehäuse der Gäste. Mehr Chancen des Erstligisten? Fehlanzeige. Traurig, aber wahr.

In der 45. Minute kam erneut Azemi aus neun Metern rechts im Strafraum der Hamburger zum Schuss, aber wieder hatte der HSV Glück. Der Winkel war derart spitz, dass Drobny erneut parieren konnte.

Mein Zwischenfazit zur Halbzeitpause: Der HSV begann zu schwimmen, sobald die Fürther schnell, direkt und flüssig spielten. Greuther Fürth wirkte auf mich wie der tatsächliche Erstligist. Der HSV seinerseits war stets bemüht…

In der zweiten Spielhälfte gehörte die erste Torchance ebenfalls den Gästen. Nach einem Eckstoß von ihrer rechten Angriffsseite kam Azemi(?) aus fünf Metern zum Kopfball, konnte den Ball aber nicht entscheidend drücken. So segelte auch dieser Versuch folgenlos für den HSV über die Querlatte.

Nach einer halben Stunde hatte Slomka genug gesehen und nahm den dieses Mal blassen Tesche zugunsten Jansens aus dem Spiel (60.). Jansen spielte nun links offensiv vor Jiracek.  Calhanoglu rückte von außen in die Zentrale und bemühte sich im Wechselspiel mit van der Vaart, das eigene Spiel anzukurbeln. Der HSV kam nun etwas besser ins Spiel. Nur fünf Minuten später erreichte Lasogga eine Flanke vom linken Flügel, doch sein Kopfball aus sieben Metern in Richtung langes Eck fehlte der Druck, sodass Hesl den Ball sogar fangen konnte.

Zwei Minuten später erschien es für einen Moment, als hätte der HSV das bis dahin aus seiner Sicht enttäuschend verlaufene Spiel erfolgreich gedreht, denn Lasogga hatte den Ball nach einer Freistoßflanke ins Netz befördert. Leider stand der  Schütze klar im Abseits. Dem vermeintlichen Führungstreffer  wurde daher vom Schiedsrichtergespann völlig zurecht die Anerkennung verweigert. Es blieb also beim Unentschieden.

In der 74. Minute flankte Fürth von linken Flügel aus 32 Metern vor das Hamburger Tor, aber der sehr auffällige Azemi beförderte den  Ball aus fünf Metern über das Hamburger Gehäuse. Nur zwei Minuten später war es erneut Azemi, der eine weitere scharfe Hereingabe vom linken Fürther Flügel um wenige Zentimeter verpasste (76.).

In der Schlussphase wurde es dann turbulent: In der 85. Spielminute rutschte einem Verteidiger der Franken im eigenen Strafraum eine Flanke Jiraceks von der linken Hamburger Angriffsseite über den Kopf. Lasogga stand goldrichtig am rechten Eck des Fünfmeterraumes, nahm den Ball volley, traf ihn aber nicht perfekt. So konnte Hesl die bis dato erste klar herausgespielte Tormöglichkeit des HSVs letztlich parieren.

In der letzten Minute der regulären Spielzeit entschloss sich Slomka zu seiner zweiten und letzten Auswechselung. Es kam Westermann für Rincon. Dahinter stand wohl der Gedanke, über den hochgewachsenen und kopfballstarken Westermann hinten wenigstens das Unentschieden zu sichern, bzw. evtl. bei einer eigenen Standardsituation doch noch zum Siegtreffer zu kommen. Fürths Trainer Kramer hat in der Schlussphase übrigens dreimal gewechselt. Dass Slomka auf seinen letzten Wechsel verzichtete, weil er ihm offenbar nicht mehr sinnvoll erschien, spricht Bände über den derzeitigen HSV-Kader.

In der zweiten Minute der Nachspielzeit (90+2.) flankte Diekmeier auf Höhe der Grundlinie vom rechten Flügel. Hesl unterlief zwar die Flanke, aber ein Fürther Abwehrspieler konnte den Ball gerade noch vor dem einschussbereiten Jansen am langen Pfosten klären. Eine Minute später stand van der Vaart am linken Eck des Fünfmeterraumes der Gäste nach Zuspiel  Calhanoglus frei, traf aber den Ball so schlecht, dass der aufmerksame Hesl erneut mühellos parieren konnte (90+3.).

Schiedsrichter: Felix Zwayer (Berlin) leitete die Partie souverän und ohne größere Fehler.

Fazit: Zu loben ist zunächst das Publikum des HSVs. Es unterstützte seine Mannschaft lautstark während der gesamten Spielzeit. Aus Sicht der Hamburger muss das Unentschieden durchaus als glücklich bezeichnet werden. Die am gestrigen Tag eindeutig bessere Mannschaft kam für mich aus Fürth. Die Gäste zeigten schnörkellosen, modernen, variablen Fußball. Der HSV wirkte im unmittelbaren Vergleich höchstens in Ansätzen konkurrenzfähig. Wenn Lasogga nach dem Spiel davon sprach, die Gäste hätten sich ja nur hinten hineingestellt, um auf Konter zu spielen, dann verkennt er vollkommen die Realität. Fürth hat sehr wohl situationsabhängig auch Offensivpressing gespielt, rückte aber während der gesamten Spieldauer konsequent geschlossen nach hinten, wenn man den Ball nicht schnell genug zurückgewann.

Dem HSV fehlte mit zunehmender Spielzeit erneut die Kompaktheit. Praktisch allen eigenen langen, vertikalen Bälle fehlte die Genauigkeit. Entweder wurde sie irgendwo ins Nirgendwo gespielt, oder sie konnten mühellos durch die Defensive der Spielvereinigung abgefangen werden. Fürth konnte drei frische Leute im Laufe des Spiels einsetzen, der HSV nicht, jedenfalls aus Sicht des Trainers nicht sinnvoll. Die bekannt lauffreudigen Gäste wirkten auch deswegen zum Ende der Partie eindeutig frischer, während der eine oder andere HSV-Spieler stehend k.o. wirkte. Vergleicht man beide Mannschaften mit einem Vierzylinder-Auto, so wirkte allein der HSV so, als liefe sein Motor nur auf drei „Töpfen“. Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass vor der nun kommenden, für die Klassenzugehörigkeit entscheidenden Partie die Vorteile eher auf Seiten des Zweitligisten liegen. Dessen Spieler zeigten sich auch nach der Partie entspannt und mit  der eigenen Leistung zufrieden, während beim HSV einmal mehr das Prinzip Hoffnung zu regieren scheint.

Der HSV wirkte über weite Strecken gelähmt von der eigenen Angst, Fehler zu begehen. Auch wenn man sein Heimspiel nicht gewinnen konnte, so ist immerhin positiv, dass man das torlose Remis über die Zeit brachte. Angesichts der Auswärtstor-Regelung könnte daher jedes Unentschieden mit einem oder mehreren Treffern  auf fremden Platz zum Klassenverbleib bereits reichen. Das ist zwar mathematisch ein Vorteil, aber wie schon Rummenigge wusste: Fußball ist bekanntlich keine Mathematik.

Das Momentum liegt aus meiner Sicht eindeutig auf Seiten der Fürther. Diese haben nicht zuletzt sich selbst mit einem couragierten Auftritt bewiesen, dass sie sich mindestens auf Augenhöhe mit dem namhaften Rivalen befinden. Mit dieser Überzeugung und dem mehrheitlich eigenen Publikum im Rücken wird der HSV eine gewaltige Leistungssteigerung benötigen, möchte man sich auch nach der Partie noch zu den Erstligisten zählen dürfen. Wer es bis jetzt immer noch nicht einsehen wollte – es ist, egal wie das Spiel am Sonntag auch ausgehen mag, die Notwendigkeit zu tiefgreifenden Veränderungen beim HSV mehr als evident. Die Mannschaft wird, neben einer taktisch außerordentlich disziplinierten Leistung und einem souveränen Torhüter (Bravo, Drobny!) auch eine gehörige Portion Glück brauchen, um die Klasse halten zu können. In diesem Sinne – der Worte sind genug gewechselt.

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