FIFA

Deutschland – Portugal 4:0 (3:0)

Ich gestehe, die Vorfreude auf diese WM hielt sich bei mir in Grenzen. Wer sich ein wenig mit den Hintergründen sportlicher Großereignisse, gleich ob sie vom IOC oder der FIFA veranstaltet werden, beschäftigt hat, der wird dieses Unbehagen vielleicht teilen. Längst steht nicht mehr nur der Sport im Fokus, sondern es geht immer auch und vor allem um Politik, Geschäftemacherei und Korruption: Blatter, der wie kaum ein anderer für den desaströsen Zustand der FIFA und ihre höchst zweifelhaften Entscheidungen (Katar) verantwortlich zu machen ist, kündigt trotzig seine erneute Kandidatur als deren Präsident an;  Deutschlands „Lichtgestalt“(?), Franz Beckenbauer, wurde von der FIFA-Ethikkommission in einer vorläufigen Entscheidung für 90 Tage zur persona non grata erklärt, und im Hintergrund kann man gerade das Zerbrechen einer alten DFB-Seilschaft, Zwanziger/Niersbach, bestaunen.

Von den ersten Turnierspielen ist mir am eindringlichsten die Begegnung zwischen Spanien und den Niederlanden (1:5) in Erinnerung geblieben. Beeindruckend, wie dort der Fünfzehnte der FIFA-Rangliste die Nummer eins regelrecht zerlegen konnte. Aber auch wenn die Niederlande zweifellos etabliert und immer zu beachten sind, so war die gestrige Partie zwischen dem dreimaligen Weltmeister Deutschland (Zweiter) und den Portugiesen (Vierter) zumindest auf dem Papier höherwertig anzusiedeln. An dem Offensivpersonal Deutschlands dürften angesichts vielfältiger Alternativen kaum Zweifel bestehen. Gespannt sein durfte man, ob und wie sich die Mannschaft defensiv gegen den zur Zeit vielleicht besten Fußballer der Welt, Christiano Ronaldo, aus der Affäre ziehen würde.

Bundestrainer Löw wählte eine eher defensive Variante in der Abwehr und verzichtete auf offensive(re) Außenverteidiger. Im Einzelnen vetraute er der folgenden Aufstellung: Neuer – Boateng, Mertesacker , Hummels (73. Mustafi), Höwedes – Lahm, Khedira – Özil (63. Schürrle), Kroos, Götze – Müller (82. Podolski)

Spielbericht: Zunächst schien es, als sei Portugal der erwartet schwere Gegner. In der vierten Minute prüfte der aus der Bundesliga bestens bekannte Hugo Almeida erstmals Manuel Neuer im deutschen Tor, doch dieser hatte mit dem Schuss keine nennenswerte Mühe. Drei Minuten später kam dann Christiano Ronaldo (CR7) aus halblinker Position und ca. 7 Metern zum Abschluss (7.), was deutlich gefährlicher wirkte. Es sollte jedoch seine einzige echte Torchance aus dem Spiel heraus bleiben. Praktisch im Gegenzug die erste Chance für Deutschland: Khedira setzte einen Fernschuss knapp neben dem linken Pfosten der Portugiesen ins Toraus (8.).

In der 10. Minute kombinierte sich die deutsche Mannschaft in den Strafraum des Gegners. Der Ball kam zu Götze. Dieser wurde im Zweikampf von seinem Gegenspieler klar mit der Hand gehalten und umgerissen. Schiedsrichter Mazic erkannte auf Foulspiel und entschied folgerichtig auf Strafstoß für Deutschland. Müller versuchte Rui Patricio im Gehäuse der Portugiesen zu verladen, doch dieser sprang in die vom Schützen aus gesehene richtige, linke Ecke. Zum Glück für Deutschland war Müllers Schuss zu hart und zu präzise, sodass Patricio den flach geschossenen Ball nicht erreichen konnte. Das 1:0 (11.).

In den folgenden zwanzig Minuten verlief das Spiel relativ ausgeglichen. Bereits jetzt war erkennbar, dass die Deutsche Nationalmannschaft aufgrund der hohen Temperaturen vor Ort um Effizienz in ihrem Spiel bemüht war. Kein permanentes, kräfteraubendes Offensivpressing, kein langes, aufwendiges s.g. Possesion Play, sondern sie war erkennbar um schnelles, überfallartiges Umschaltspiel bemüht.

Die 31. Minute sah zunächst eine schöne Kombination zwischen Kroos und Özil im Strafraum des Gegners, an derem Ende der Schussversuch von Kroos zur Ecke für Deutschland geblockt wurde. Der nachfolgende Eckstoß von Toni Kroos (von der rechten Seite) fand den Kopf von Hummels. Das beruhigende 2:0 (32.) aus deutscher Sicht.

Nur fünf Minuten später war das Spiel im Grunde entschieden. Pepe traf im Zweikampf um den Ball Müller mit der Hand im Gesicht. Ganz sicher keine Absicht des Portugiesen, aber eben doch ein klares Foul. Müller ging zu Boden und Pepe, der sich keiner Schuld bewusst schien, beugte sich mit dem Kopf tief zu dem auf dem Rasen sitzenden Müller hinunter, um dem vermeintlichen Simulanten „die Meinung zu geigen“. Dabei kam es zu einer leichten Berührung beider Köpfe. Das Schiedsrichtergespann wertete dies wohl als versuchte Tätlichkeit (Kopfstoß) des Portugiesen, da dieser die Bewegung ausgeführt hatte. Konsequenz: Feldverweis für Pepe, und Portugal nicht nur mit zwei Toren im Rückstand, sondern nun auch noch mit einem Mann weniger.

In der Nachspielzeit der ersten Hälfte passte Kroos ins Zentrum des gegnerischen Strafraums. Dort wurde der Ball von einem Verteidiger abgefangen. Dessen versuchter Befreiungschlag wurde vom unmittelbar vor ihm im Strafraum positionierten Müller geistesgegenwärtig geblockt und nachfolgend im Tor der Portugiesen versenkt. Das 3:0 (45+1.)

Mit der deutlichen Führung für die Deutsche Mannschaft und der personellen Unterzahl der Portugiesen war die Ausgangslage für die zweite Spielhälfte klar: Für Portugal galt es, eine Debakel zu vermeiden. Deutschland konnte vor allem  auf Ergebnissicherung spielen und Kräfte sparen.

In der 51. Minute scheiterte Özil mit einem Schuss zunächst am Torwart der Portugiesen. Den Abpraller setzte Müller über das Tor.

Da die Deutsche Nationalmannschaft gerade im Offensivbereich einige Alternativen (auf der Bank) zu bieten hat, entschloss sich Jogi Löw, den etwas farblos agierenden Özil auszuwechseln. Für ihn kam Schürrle, der fortan die rechte offensive Außenbahn bespielte. Schürrle lieferte eine engagierte Leistung. Bereits in der 69. Minute setzte er sich auf dem rechten Flügel durch und passte genau auf den zentral im Strafraum des Gegners lauernden Götze, dessen Schuss jedoch von der Verteidigung geblockt werden konnte. Was für eine Chance!

In der 73. Minute wurde Löw dann zum Wechseln gezwungen, da Hummels einen Schlag auf den Oberschenkel bekommen hatte und nicht mehr weiterspielen konnte. Für Hummels kam der junge Mustafi. Boateng rückte von der rechten Außenverteidigerposition nach innen und ersetzte Hummels. Mustafi übernahm die defensive rechte Außenbahn. Auch dieser Wechsel ändert nichts daran, dass Portugals CR7 praktisch nie zur Entfaltung kam.

Fünf Minuten später war es erneut Schürrle, der von rechtsaußen wunderbar genau und mit Druck nach innen passte. Patricio im Tor der Portugiesen konnte den Pass liegend nur mit einer Hand abklatschen. Der Ball fiel im Fünfmeterraum Müller vor die Füße, der sich erneut als äußerst reaktionschnell erwies und keine Mühe hatte, aus drei Metern abzustauben. Das 4:0 für Deutschland (78.).

Die Nachspielzeit sah noch einen fulminanten Schuss von Christiano Ronaldo (90+2.) aus gut und gerne dreißig Metern, den Neuer jedoch letztlich sicher parieren konnte.

Schiedsrichter: Milorad Mazic (Serbien). Insgesamt ordentliche Spielleitung. Die rote Karte für Pepe war vertretbar, jedoch war das Spiel durch diese Schiedsrichterentscheidung im Grunde (vor)entschieden. Gelegentlich mit unglücklichen Laufwegen.

Fazit: Manchen Unkenrufen im Vorfeld zum Trotz zeigte die deutsche Mannschaft eine reife Leistung. Angesichts der hohen Temperaturen vor Ort fand sie eine gute Balance zwischen abwartender, defensiver Stabilität, Ballbesitz-Fußball, gelegentlichem Offensivpressing und vor allem schnellem Umschaltspiel. Nach dem dritten Gegentreffer und dem Platzverweis ging es für die Portugiesen nur noch um Schadensbegrenzung. Das deutsche Team konnte sich in der zweiten Spielhälfte im Wesentlichen auf die Sicherung des Vorsprungs konzentrieren, blieb aber jederzeit torgefährlich, ohne an die absolute Leistungsgrenze gehen zu müssen. So konnten wichtige Kräfte für die folgenden Aufgaben gespart werden. Das 4:0 ist in jeder Hinsicht (Höhe des Ergebnisses, zu null) ein traumhafter Einstand in das Turnier, der zunächst einmal ein beruhigendes Polster für die Endabrechnung nach der Vorrunde darstellt.

Neben dem dreifachen Torschützen und „Man of the Match, Thomas Müller, stach Boateng heraus, der mit Unterstützung seiner Kollegen (Lahm) Portugals CR7 fast vollkommen aus dem Spiel nehmen konnte. Christiano Ronaldo trat fast nur bei seinen Standards in Erscheinung.

Ebenfalls erfreulich: Der zuletzt angeschlagene Neuer wirkte fit. Und Khedira kommt immer besser in Form.  Er sorgte als Pendant von Lahm auf der Doppelsechs nicht nur für defensive Stabilität, sondern trat mehrfach auch offensiv in Erscheinung. Da auf der deutschen Bank u.a. noch ein Hochkaräter wie Schweinsteiger auf seine Einsätze wartet, gehe ich davon aus, dass in den folgenden Begegnungen auch die defensiven Außenbahnen vermutlich anders besetzt werden. So könnte Lahm aufgrund der Verletzung von Hummels den rechten Außenverteidiger geben. Boateng würde dann die freie Innenverteidiger-Position einnehmen und Schweinsteiger käme als zweiter Sechser zurück in die Startaufstellung. Die Deutsche Nationalmannschaft  hat, das scheint mir eine ganz wichtige Erkenntnis des gestrigen Spiels, auch defensiv funktionierende Alternativen, keinesweg nur offensiv. Allerdings war nicht nur das Spiel aufgrund der Torfolge relativ frühzeitig entschieden, sondern der Gegner spielte über weite Strecken in Unterzahl. Zudem musste er im weiteren Verlauf auch noch den Ausfall eines weiteren, wichtigen Spielers, Coentrao, verkraften. Die deutsche Abwehr wurde daher in der zweiten Spielhälfte kaum noch gefordert. Bei aller Freude bleibt also abzuwarten, wie sich die Mannschaft gegen andere Gegner aus der Affäre ziehen wird. Schon der kommende Gegner, Ghana, könnte der deutschen Abwehr größere Probleme bereiten.