Traoré

In die Falle getappt und verloren: VfB Stuttgart – HSV 1:0 (0:0)

Aufstellung: Adler – Westermann, Mancienne, Djourou, Diekmeier – Arslan (86. Rincon), Badelj (80. Tesche),  Ilicevic, Calhanoglu – van der Vaart (58. Jiracek) – Zoua

Besondere Vorkommnisse: gelb-rot für Calhanoglu

Schiedsrichter: Brych

Spielverlauf: Einen interessanten taktischen Schachzug galt es zu Beginn zu notieren. Der  schnelle, wendige und trickreiche Traoré spielte nicht, wie ich im Vorbericht vermutet hatte, auf der linken sondern auf der rechten Stuttgarter Mittelfeldseite. Links spielten stattdessen Konstantin Rausch und der Japaner Sakai. Wie sich rasch zeigen sollte, konnte dieses Gespann Hamburgs rechte Seite, vor allem den schnellen Diekmeier, meistens gut kontrollieren. Diekmeier, gegen Nürnberg noch mit zahlreichen Läufen und Flanken von der gegnerischen Grundlinie, fand kaum Räume für eigene Vorstöße. Zudem zeigte sich schnell, dass insbesondere Sakai auch den läuferischen Geschwindigkeitsvergleich mit Hamburgs Rechtsverteidiger keineswegs scheuen musste. Im Duett konnten die beiden Stuttgarter Hamburgs rechte Seite derart gut neutralisieren, dass nach ca. zwanzig Minuten Calhanoglu und Ilicevic die Seiten tauschten (Aber auch diese Maßnahme änderte nichts daran, dass man aus Sicht des HSVs kaum Lücken vorfand, bzw. sich entscheidend durchsetzen konnte. Daher kehrten Ilicevic und Calhanoglu zu Beginn der zweiten Hälfte auf ihre angstammten Positionen zurück).

Es war schnell zu sehen, dass Stevens aus einer massierten Abwehr spielen lassen wollte. Getreu seinem bekannten Motto: Die Null muss stehen! Der VfB zog sich bei Ballbesitz der Hamburger weit in die eigene Hälfte zurück, schloss diszipliniert die Räume und überließ dem HSV die Spielgestaltung. Eigentlich etwas ungewöhnlich für eine Mannschaft, die im eigenen Stadion spielt, aber der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel. Der HSV war vor allem zu Beginn der Partie bemüht, über Offensivpressing zu Ballgewinnen zu kommen, erstarrte jedoch mit zunehmender Spieldauer in einem statischen Aufbauspiel. Hamburgs Innenverteidiger standen bei eigenem Ballbesitz oft sehr hoch, nämlich fast an der Mittellinie, was dazu führte, dass außer Adler und ihnen der Rest der Mannschaft die ohnehin beengten Räume in der Stuttgarter Hälfte bevölkerte. In der Folge zeigte sich, wenn man an die Zeit unter Ex-Trainer Fink etwa denkt, ein aus Hamburger Sicht  durchaus bekanntes Bild: viel Ballbesitz – wenig Ertrag. Aus dem Spiel heraus ergab sich lediglich in der 39. Minute eine Möglichkeit für den HSV. Aber Badeljs strammer Schuss nach Ablage rauschte über die Latte und verfehlte somit das Stuttgarter Tor. Stuttgart auf Sicherheit bedacht und der HSV ohne Ideen, um den Abwehrriegel der Gastgeber knacken zu können. Beiden Mannschaften war zudem der aus der tabellarischen Situation resultierende, enorme Druck anzumerken. Beide versuchten, Risiko zu vermeiden, um ja nicht in Rückstand zu geraten. Ein 0:0 der eher langweiligen Sorte zur Pause war die Folge, an dem allenfalls Taktik-Interessierte und Trainer Gefallen gefunden haben dürften.

Die zweite Hälfte zeigte zunächst das gewohnte Bild: Der HSV war bemüht, das Spiel zu machen. Doch einmal in der Stuttgarter Hälfe angekommen gelang es nicht, sich entscheidend durchzusetzen. Alles schien auf eine Punkteteilung hinauszulaufen. Dann aber kam es zur Schlüsselszene des Spiels: Der bereits nach Foulspiel in der ersten Halbzeit gelb verwarnte Calhanoglu verfolgte einen ballführenden Stuttgarter im Mittelfeld. Ein kurzer Griff Hakans an dessen Schulter genügte, und der Stuttgarter sank wie vom Blitz getroffen zusammen. Schiedsrichter Brych wertete diese Aktion vermutlich als taktisches Foul. Gelb-rot war insofern die logische, da regelgerechte Konsequenz. In meinen Augen dennoch eine harte Entscheidung. Nicht nur, dass es überhaupt erst das zweite Foul Calhanoglus in der ganzen Partie bis zu diesem Zeitpunkt war – es mag ja in meinen Auge als „clever“ durchgehen, dass man als Gegenspieler eine solche Einladung zum Kartenschinden annimmt, doch für mich bleibt diese bundesligatypische Theatralik, mit der 90- oder 100 Kilo-Männer beim leisesten Windhauch zu Boden sinken, ein stetes Ärgernis. Man wünscht sich in solchen Momenten, dass diese Spieler zu mindestens einer Saison Premier League verdonnert werden. Das dortige Publikum wüsste derartiges sehr schnell angemessen zu honorieren… Aber auch der DFB mit seinen Schiedsrichterbeobachtern, gern als Lordsigelbewahrer angeblich korrekter Regelauslegung unterwegs, trägt hier grundsätzlich ein gerütteltes Maß an Schuld. Angesichts der Tatsache, dass die Partie bis zu diesem Zeitpunkt von beiden Seiten keineswegs unfair geführt wurde, und angesichts der enormen Bedeutung des Spiel und des daraus reslutierenden Drucks für die Spieler, hätte man sich hier das berühmte Fingerspitzengefühl vom Schiedsrichter und eine letzte, ernste Ermahnung für Calhanoglu gewünscht. Der DFB aber setzt auf eine „akademische“ Regelauslegung. Formal ist die korrekt und nicht zu beanstanden. In der Praxis führt dies aber zur weiteren Verfestigung der leider seit Jahrzehnten gewohnten und sattsam bekannten theatralischen Mätzchen in der Liga. Und ganz nebenbei nehmen Schiedsrichter einen entscheidenden Einfluss auf den jeweiligen Spielausgang, ohne dass dies wirklich zwingend erforderlich wäre.

Hamburg also ab der 57. Minute in Unterzahl und nunmehr bemüht, wenigstens den einen Punkt noch zu retten. Die fortan in Überzahl spielenden Gastgeber bekamen nun erkennbar Oberwasser und drängten auf mehr. Slomka reagierte umgehend und nahm mit van der Vaart, der läuferisch ohnehin noch nicht spritzig wirkte, einen Offensiven zugunsten des grundätzlich kampfstarken Jiraceks vom Feld.

In der 69. Minute verschätzte sich der erneut aushilfsweise als Linksverteidiger aufgebotene Westermann bei einem Kopfball im Stellungsspiel. Statt ein, zwei Schritte zurück zu machen, um den Ball mit der Stirn und mit Druck weit nach vorn oder ins Seitenaus köpfen zu können, unterlief er ein wenig den Ball und köpfte vor die Füße Traorés. Einmal mit dem Ball am Fuß und Geschwindigkeit aufnehmend hatte dieser kaum Mühe, sich gegen den im direkten Vergleich hüftsteifen Westermann auf dem linken Flügel durchzusetzen. Es folgte ein langer Querpass durch den Hamburger Strafraum, bei dem sich auch der Rest der Abwehr mehr als interessierte Beobachter zeigte. Der kurz zuvor von Stevens eingewechselte Maxim hatte daher keine Mühe, den Ball am langen Pfosten im Tor der Gäste unterzubringen. 0:1 – aus Hamburger Sicht.

Mit einem Mann in Unterzahl und im Rückstand war der HSV zwar bemüht (Westermann), evtl. doch noch den Ausgleich zu schaffen. Slomka nahm zudem mit Badelj den defensiveren „6er“ aus dem Spiel und brachte den etwas offensiveren und abschlusstärkeren Tesche in der 80. Minute. Aber außer einigen wenigen, zudem kaum gefährlichen Kopfbällen konnte sich der HSV praktisch keine Ausgleichschance erarbeiten. Wenig überrraschend, dass auch der Wechsel Rincon für Arslan (86.) daran nichts mehr änderte.

Fazit: Mit Traoré auf rechts und der Einwechselung des Torschützen Maxims hatte Stevens an diesem Tag das glücklichere Händchen. Durch die Vorgabe, vor allem das eigene letzte Drittel zuzustellen und dem HSV das Spiel zu überlassen, wurde der HSV in die Falle gelockt. In der personell überladenen Stuttgarte Hälfte fehlten Hamburgs Spielern genau jene Räume, die sie noch gegen Nürnberg mit Geschwindigkeit bespielen und nutzen konnten (Diekmeier, Ilicevic, Calhanoglu). Gerade bei einer derartigen taktischen Ausrichtung des Gegners zeigt sich, dass dem fleißigen, aber in dieser Partie ansonsten vollkommen wirkungslosen Zoua jene körperliche Präsenz fehlt, die Lasogga (auch) auszeichnet. So sehr es auch den HSV ehrt, dass er die Einladung annahm, das Spiel zu machen, so klug wäre es in manchen Situationen gewesen, geduldiger hinten herum zu spielen, um die Stuttgarter aus der eigenen Hälfte zu locken. Denn das Stuttgarter Publikum schien bereits in der ersten Hälfte durchaus unruhig und mit der Leistung der eigenen Mannschaft unzufrieden zu werden. Im Offensivdrittel zeigte sich Hamburg ideenlos, was auch an mangelnder Bewegung, bzw. der Tatsache gelegen hat, dass (im Vergleich zum Branchenführer aus Bayern) meist die Positionen durch dieselben Spieler gehalten wurden. Mit anderen Worten: es wurde zu wenig gelaufen, gekreuzt, sich angeboten und damit den Gastgebern die Zuordnung in der Defensive erleichtert. Mit der regelkonformen gelb-roten Karte nahm Brych entscheidenden Einfluss auf das Spiel. Ohne Überzahl/Unterzahl wäre es mutmaßlich bei einer Punkteteilung geblieben. Hamburg steht nun wieder auf dem Relegationsplatz und erneut mit dem Rücken zur Wand. Zudem fehlt nun für eine Partie Calhanoglu. Psychologisch eine höchst knifflige Ausgangslage vor dem am Mittwoch folgenden Spiel gegen den SC Freiburg. Doch damit beschäftige ich mich dann in meinem Ausblick auf die kommende Partie.

Ergänzung: wie Ihr seht, hat sich etwas am Erscheinungsbild des Blogs getan. Mir gefällt der neue Look und insbesondere das Logo. Was meint Ihr?
Ich finde, da hat der Entwickler, Udo, mal wieder ganze Arbeit geleistet, was allerdings angesichts seiner sonstigen, großartigen Arbeiten in diesem Bereich für Kenner nicht sonderlich überraschend ist. Vielen, vielen Dank, Udo!

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Ausblick auf VfB Stuttgart – Hamburger SV

Letzte Woche gelang dem HSV im eigenen Stadion ein unerhört wichtiger 2:1-Erfolg gegen die ebenfalls abstiegsbedrohten Nürnberger. Dank dieses verdienten Erfolgs im „Überholspiel“ (Slomka) gegen die Clubberer kletterte man nach dem Spiel auf Platz 14 in der Tabelle. Erstmalig seit Wochen hält der HSV also sein Schicksal wieder in eigenen Händen und ist nicht von Ausrutschern der Konkurrenz abhängig. Am morgigen Samstag geht es nun auswärts gegen den unmittelbaren Konkurrenten VfB Stuttgart, bevor am Mittwoch in Hamburg dann das nicht minder wichtige Spiel gegen die gleichfalls abstiegsbedrohten Freiburger folgt. Doch zunächst gilt es, die zwischenzeitlich auf Platz 17 abgerutschten Schwaben auf Distanz zu halten. Aus dieser Formulierung lässt sich schon ersehen, dass sich aus Hamburger Sicht die „psychologische“ Ausgangslage entscheidend verändert hat: Vom Jäger mutierte man zum Gejagten. Es gilt nun, den rettenden Tabellenplatz zu verteidigen und wenn möglich sich noch weiter von den Abstiegsrängen zu entfernen. Was den Spielausgang angeht, so wird viel auch davon abhängen, wie die Mannschaft mit diesem Rollenwechsel in den Köpfen umgeht. Auf dem Abstiegsplatz stehend konnte man, was die mentale Einstellung betrifft, im Grunde nur noch gewinnen. Denn ob man am Ende der Saison dank eines fehlenden Tores oder mit 10 Punkten Differenz absteigt – das würde an der (dann) beschämenden Tatsache, dass man u.U. zu jener Mannschaft gehört(e), die den HSV erstmalig in der Zweitklassigkeit versenkt hat, rein gar nichts ändern. Nach dem Heimsieg haben sich aber die Vorzeichen verändert. Mit 4 (oder mehr) Punkten aus den nächsten beiden Spielen könnte man sich vorentscheidend in Richtung Mittelfeld absetzen. Andererseits könnte man im Misserfolgsfall jedoch erneut auf einen Abstiegsplatz abrutschen. Angesichts des dann folgenden Restprogramms dürfte dem einen oder anderen dann erst Recht Angst und Bange werden.
 
Vor der Partie gegen Stuttgart ist derzeit noch ungewiss, ob Djourou (leichte Zerrung) und Lasogga einsatzfähig sein werden. Da ich bei Djourou noch vorsichtig optimistisch bleibe, gehe ich davon aus, dass Slomka, sofern dies möglich ist, dazu tendiert, zunächst mit derselben Startaufstellung wie gegen Nürnberg zu beginnen:
Mögliche Aufstellung (Variante 1): Adler – Diekmeier, Djourou, Mancienne, Westermann – Calhanoglu, Badelj, Arslan, Ilicevic – van der Vaart – Zoua
 
Theoretisch taktisch denkbar wäre auch, mit dem defensiveren Rincon vor Diekmeier zu beginnen, um die Außenbahn auf dieser  Seite besser abzusichern. Allerdings wären dann umfangreichere Umstellungen die Folge. Wahlweise wäre dann der zuletzt im klaren Aufwärtstrend befindliche Calhanoglu oder der konditionell noch nicht in Bestform befindliche Kapitän van der Vaart das Opfer. Angesichts der letzten Leistungen Hakans wäre dessen Verbannung auf die Bank schwer vermittelbar. Und da Slomka nicht müde wurde, den Stellenwert van der Vaarts zu unterstreichen, dürfte dieser ebenfalls in der Startaufstellung auftauchen. Vermutlich bleibt es also bei der obigen Aufstellung. Ich denke aber, dass Lasogga, selbst wenn er einsatzfähig sein sollte, zunächst auf der Bank platz nehmen wird. Aufgrund seines Trainingsrückstandes und seiner jüngsten muskulären Probleme wird Hamburgs Torjäger wohl eher bei einem Rückstand ins Spiel gebracht, bzw. über einen Kurzeinsatz im Laufe der zweiten Spielhälfte an die volle Wettkampfbelastung herangeführt. Denn eins ist klar: ein wirklich fitter Lasogga könnte für die Hamburger noch zum entscheidenden Trumpf in den folgenden Partien werden.
 
Weniger erfreulich erscheint mir das folgende Szenario (Variante 2), das auf der Annahme eines Ausfalls Djourous basiert:
Adler – Diekmeier, Westermann, Mancienne, Jiracek – Calhanoglu, Badelj, Arslan, Ilicevic – van der Vaart – Zoua
 
Nicht nur die zuletzt ordentlich funktionierende Innenverteidigung sondern auch das ebenfalls sehr ordentliche Gespann Westermann/Ilicevic auf dem linken Flügel würden auseinander gerissen. Jiracek ist gewiss kein Schlechter. Da ich jedoch erwarte, dass der VfB versuchen wird, schnell über außen nach vorne zu kommen, wären mir grundsätzlich möglichst wenige Umstellungen und ein gelernter Verteidiger als Absicherung hinter Ilicevic lieber.
 
Da Huub Stevens erst ein Spiel mit dem VfB absolviert hat, ist schwer einzuschätzen, mit welchem taktischen Konzept er seine Mannschaft operieren lassen wird. Zum Glück für den HSV fällt Harnik  gelbgesperrt aus. Dafür aber stehen Stevens Ibisevic und Cacau zur Verfügung. Und auch die schnellen Traoré (LM) und Boka (LV) könnten für unsere rechte Seite zum Problem werden. Hier wird ganz wichtig sein, dass Calhanoglu und ggf. einer der Sechser Diekmeier defensiv diszipliniert unterstützen. Gerade den offensiv denkenden Calhanoglu und Ilicevic kommen hier m.E. Schlüsselrollen zu. Sie werden das richtige Maß zwischen Ankurbeln der Offensivbemühungen und defensiver Absicherung finden müssen. Vernachlässigen sie ihre Defensivaufgaben, dann kann das aus Sicht des HSVs böse enden… Man darf gespannt sein, ob vor allem Hakan sich auch in dieser Hinsicht als gereift zeigen wird.
 
Eins wird man bei einer Mannschaft, die von Stevens betreut wird, erwarten können: Die Stuttgarter werden um defensive Disziplin und Stabilität bemüht sein. Den HSV erwartet also erneut ein schweres Stück Arbeit. Ich wäre daher im Vorfeld und ohne Kenntnis des konkreten Spielverlaufs durchaus zufrieden, sollte man einen Punkt aus Stuttgart entführen können.
 
Um zur veränderten mentalen Ausgangssituation zurückzukommen: drehen wir es ins Positive! Stuttgart hat definitiv mehr zu verlieren als der HSV. Es gilt also, an die mannschaftliche Geschlossenheit der letzten Spiele anzuknüpfen und vor allem defensiv die Hausaufgaben zu bewältigen. Da alle unsere Offensivspieler, vor allem Ilicevic, Calhanoglu aber auch Zoua zuletzt ansteigende Form nachwiesen, ist man vorne immer für ein Tor (und sei es durch einen Standard) gut. Vor allem taktische Disziplin, Geduld und Einsatzbereitschaft sind also mehr denn je gefragt. Je besser dies gelingt, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass man am Ende vielleicht sogar einen „Dreier“ aus der Fremde entführen kann. Dies sollte als Ansporn und Herausforderung begriffen und nicht als Bedrohung/Belastung gesehen werden.