Borussia Mönchengladbach

Ein (hoffentlich) richtungsweisendes Unentschieden. HSV – BMG 1:1 (0:0)

Vor dem Spiel war ich gespannt, ob Joe Zinnbauer den Mut haben würde, die aus meiner Sicht (über)fälligen personellen Veränderungen nach dem Debakel von München nunmehr konsequent umzusetzen. Denn wenn es eines ultimativen Beweises bedurft hätte, dass in den letzten Jahren beim HSV weder das zentral-defensive Mittelfel optimal besetzt gewesen ist, noch die s.g. Führungsspieler tatsächlich ihrer Aufgabe gerecht wurden, dann lieferte den die Rekordniederlage bei den Bayern in aller Schonungslosigkeit. Da auch Zinnbauer gegen den Branchenprimus einige Fehler und Versäumnisse unterlaufen waren, sah vermutlich nicht nur ich beide, Mannschaft und Trainer, in der Pflicht, sich zeitnah zu rehabilitieren.

Unter der Woche, so las ich, ließ Zinnbauer Basics trainieren. Vor allem das kollektive Verschieben. Gut so, dachte ich, denn dass die notwendige Kompaktheit des Teams immer wieder durch elementare Fehler und/oder  Schlafmützigkeit einzelner Spieler aufgehoben wurde, habe ich in der Vergangenheit gleich mehrfach kritisiert. Normalerweise sollte elementares, taktisches Mannschaftsverhalten in der (Sommer-)Vorbereitung trainiert werden. Aber erstens war Zinnbauer da bekanntlich noch gar nicht für die Profis verantwortlich, und zweitens hat sich sein Vorgänger Slomka vermutlich zurecht darauf konzentriert, den eklatanten konditionellen Rückstand der Mannschaft zu beheben, was ihm erkennbar gelungen ist. Wenn eine Mannschaft ihrem Trainer derart deutliche Defizite offenbart (wie in München), dann darf es keine Tabus geben. Dann muss man zur Not zurück zum Verfestigen der Grundlagen, dann muss man auch über den Einsatz von Spielern nachdenken, die man – aus welchen guten Gründen auch immer – kaum mehr auf der Rechnung hatte. Insofern war Zinnbauers Mannschaftsaufstellung für mich absolut nachvollziehbar:

Drobny – Diekmeier, Djourou, Rajkovic, Ostrzolek –  Jiracek, Kacar (85. Westermann) – N. Müller, Stieber, Gouaida (76. Götz) – Olic (25.Rudnevs)

Auffällig hier: Die Rückkehr Kacars nach jahrelanger Pause ins defensive Mittelfeld neben Jiracek; das Fehlen des Kapitäns der Mannschaft,  van der Vaart, und die Bevorzugung von Boban Rajkovic vor Westermann als Partner Djourous in der Innenverteidigung.

Anpfiff: Die unter der Woche gegen Sevilla spielenden Gladbacher legten los wie die sprichwörtliche Feuerwehr. In der 4. Minute hatte Max Kruse nach Vorarbeit von Herrmann das 1:0 auf dem Fuß, verfehlte jedoch knapp das Tor. Nur eine Minute später scheiterte Herrmann  nach Vorarbeit von Korb mit seinem Schuss am rechten Pfosten. Mit anderen Worten: das Spiel hatte kaum begonnen, da hätte es bereits zugunsten der Gäste vom Niederrhein entschieden sein können. Als Anhänger der Heimmannschaft konnte einem Angst und Bange werden. Und ich mag mir gar nicht vorstellen, wie sich die Stimmung im Stadion und nachfolgend im Verein entwickelt hätte, wäre der Fußballgott hier nicht eindeutig auf Seiten des HSV gewesen.

Verständlicherweise benötigte die radikal umgebaute Hamburger Mannschaft einige Minuten, um in das Spiel zu finden. Doch nach ca. zwanzig Minuten lief der Ball zunehmend flüssiger durch die Hamburger Reihen. Gegen den Ball arbeitete man wieder in einem 4-4-1-1/4-4-2 mit Stieber neben/leicht hinter Olic. Jiracek versperrte für die Gäste den Passweg durch das Zentrum, während Kacar meist etwas links versetzt Ostrzolek (LV) und Gouaida (LM) gegen den schnellen Hahn unterstützte. Um es vorweg zu nehmen: Beide, Jiracek und Kacar, lieferten die beste Leistung eines Gespanns im zentralen Mittelfeld, die ich seit Monaten wenn nicht gar seit Jahren beim HSV gesehen habe. Jiracek lief wie der Duracell-Hase dorthin, wo er gebraucht wurde und stopfte unermüdlich die Löcher. Er gewann am Boden wichtige Zweikämpfe, oder antizipierte und unterband Passversuche des Gegners. Kacar eroberte nicht nur die Lufthoheit, was auch zum Gewinn vieler s.g. zweiter Bälle führte, sondern initialisierte durch seine Ruhe am Ball und seine Spielübersicht eine Vielzahl tatsächlich aussichtsreicher Angriffe des HSV.

Bei eigenem Ballbesitz ging der HSV z.T. enormes Risiko gegen die bekannt konterstarken Gladbacher. So verschoben in der 17. Minute sogar beide Innenverteidiger in die gegnerische Hälfte und halfen so, das Mittelfeld zu überladen. „Letzter Mann“ in dieser Szene war Kacar, der sich als einziger Hamburger nahe der Mittellinie in der eigenen Hälfte befand. Das hätte auch ins Auge gehen können, tat es aber nicht. Das lag nicht zuletzt auch daran, dass die einzelnen Mannschaftsteile des HSV endlich – endlich! – homogen zusammenarbeiteten. Meist positionierte sich der HSV zwanzig Meter vor der Mittellinie, wobei sich Olic und Stieber meist auf ein die Angriffe des Gegners leitendes Anlaufen beschränkten. Wurde der Druck der Gäste zu groß, so kehrten beide hinter den Ball und in die eigene Hälfte zurück, um bei der Verteidigungsarbeit zu helfen.

Leider musste Joe Zinnbauer den erneut angeschlagenen Olic frühzeitig vom Feld nehmen. Aber eins darf man seinem Ersatz, Rudnevs, bei aller berechtigten Kritik nie absprechen: In Sachen Fleiß und Kampfbereitschaft braucht sich „Rudi“ vor niemandem zu verstecken. In dieser Hinsicht ersetzte er daher Olic nahtlos.

Eine der wenigen wirklich guten Chancen für den HSV vergab der Lette in der 37. Minute, als er nach gutem Pass von Stieber frei und zentral vor dem Tor stehend am Ball vorbei trat. In der 41. Minute traf Rajkovic eine Ecke von Stieber nicht sauber mit dem Kopf, sodass der Ball letztlich am langen Pfosten vorbei strich.

Nach der Halbzeitpause entwickelte sich zunächst ein ausgeglichenes Spiel ohne ganz große Höhepunkte. Ich hatte dennoch das Gefühl, dass sich das Momentum mit zunehmender Spieldauer nun langsam aber stetig zugunsten des neu formierten HSV verschob. Nicolai Müller kam nun über den linken, der junge Gouaida über den rechten Flügel.

In der 73. Minute unterlief dem Gladbacher Nordtveit ein folgenschwerer Fehler im Spielaufbau. Rudnevs war auf der rechten Außenbahn auf und davon und passte quer zu Stieber. Letzterer schlenzte dann aus halbrechter Position mit dem linken Fuß in bester Robben-Manier unhaltbar ins lange Eck zum 1:0 für die Gastgeber.

Kurz darauf wechselten beide Trainer. Favre brachte Hazard für Hahn und Zinnbauer Götz für Gouaida. Gouaida hat mir erneut gut gefallen, schien aber zu diesem Zeitpunkt mit seinen Kräften am Ende.

Nur drei Minuten später (79.) opferte Favre angesichts der geringen verbleibenden Restspielzeit mit Kramer einen defensiven Mittelfeldspieler und brachte mit Hrgota einen zusätzlichen Offensiven. Dem HSV boten sich nun gleich mehrfach vielversprechende Konterchancen zum dann sicherlich entscheidenden 2:0, die man jedoch alle leider vergab.

In der 85. Minute nahm Zinnbauer Kacar aus dem Spiel und brachte mit Westermann einen weiteren Innenverteidiger. Eine m.E. nachvollziehbare Reaktion. Erstens auf den weiteren Stürmer, zweitens auf die in der Schlussphase vermehrt zu erwartenden langen und hohen Bälle des Gegners.

In der Nachspielzeit (90+1.) stand plötzlich Kruse völlig frei vor dem erneut starken Drobny, schoss diesem jedoch genau in die Arme. Eine Minute später segelte eine Ecke von der rechten Seite in den Hamburger Strafraum. Götz sprang etwas unter dem Ball durch, sodass Hrgota doch noch zum 1:1-Ausgleich ins lange Eck köpfen konnte.

Abpfiff: Der HSV musste sich rehabilitieren und dies ist ihm gelungen. Das Unentschieden ist aufgrund des späten Ausgleichstreffer ärgerlich, aber insgesamt geht die Punkteteilung angesichts der großen Chancen des Gegners in Ordnung.

Gladbach war die reifere Mannschaft, was aber kein Wunder ist, da Favre dort seit Jahren kontinuierlich arbeiten kann. Der HSV unter Zinnbauer steht hier erst am Anfang eines längeren Weges. So gesehen kann Gladbach als Blaupause dafür dienen, was man mit Sachkunde, Kontinuität und Akribie erreichen kann.

Der HSV zeigte sich spielerisch und taktisch eindeutig verbessert. Insgesamt wirkt die Mannschaft in dieser Besetzung, also ohne van der Vaart, homogener. Der Spielaufbau erscheint flüssiger und schneller, wovon vor allem auch Nicolai Müller profitiert. Denn so kommt er häufiger in Situationen, in denen er seine Stärken auch tatsächlich ausspielen kann.

Die ballsicheren, beweglichen, lauffreudigen und spielstarken Stieber – ein Extralob!- und Gouaida scheinen zunehmend besser zu harmonieren und tun der Mannschaft gut.

Entscheidend bleibt für mich jedoch die famose Leistung beider Sechser. Solange Behrami und Diaz ausfallen und sofern beide an diese Leistung in den folgenden Spielen anknüpfen können, sehe ich keine bessere Kombination im Kader. Für mich Grund genug, zu hoffen, dass Zinnbauer auch weiterhin keine Angst vor großen Namen zeigt und seiner Linie konsequent treu bleibt.

Für die Fans van der Vaarts mag dies traurig sein, aber über allem und jedem steht der Verein und nicht das Einzelschicksal eines Spielers, mag er auch noch so sympathisch sein.

Für Zinnbauer wird es nun darauf ankommen, den Prozess der Ablösung von verdienten Spielern wie van der Vaart, Jansen und Westermann geschickt zu moderieren, damit keine unnötige Unruhe im Umfeld entsteht.

Die Zukunft des HSV war allen unbestreitbar noch vorhandenen Unzulänglichkeiten (Torgefahr) zum Trotz zu erahnen. Das ist für mich neben dem reinen Punktgewinn die eigentlich gute Nachricht nach diesem Spiel.

Schiedsrichter: Zwayer (Berlin). Hatte das Spiel jederzeit im Griff. Mir gefiel die unaufgeregte, aber dennoch entschiedene Art, mit der er „Übeltäter“ ansprach und seine Entscheidungen erläuterte.

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Der HSV macht einen Schritt in die richtige Richtung, unterliegt jedoch dennoch Eintracht Frankfurt mit 1:2 (0:1)

Ausgehend von meinen bisherigen Beobachtungen zu den taktischen Veränderungen beim HSV unter Zinnbauers Leitung, die bisher überwiegend das defensive Spiel der Mannschaft betrafen, interessierte mich vor dem Spiel gegen die Eintracht aus Frankfurt zweierlei:

1.) konnte das Defensivverhalten weiter stabilisiert werden?
2.) verbessert sich das Angriffsspiel, ohne dass dies zu Lasten der Abwehrarbeit geht?

Unmittelbar vor dem Spiel überraschte mich die Nachricht, dass der Trainer des HSV die Abwehr umstellen würde. Ich hatte damit ehrlich gesagt nicht gerechnet. Zinnbauer vertraute also der folgenden Aufstellung:

Drobny – Westermann, Djourou, Cléber, Ostrzolek – Behrami, Arslan (86. Rudnevs), N.Müller (90. Diekmeier), Holtby (86. Jiracek), Stieber – Lasogga

Cléber spielte ergo als linker Innenverteidiger und Partner für Djourou, und Westermann ersetzte Diekmeier auf der defensiven rechten Außenbahn. Zinnbauer sagte nach dem Spiel dazu, dass die Analyse ergeben habe, dass der HSV bei Zweikämpfen in der Luft etwas unterlegen gewesen sei, was man durch die Hereinnahme Clébers korrigieren wollte.

Spiel: Der HSV begann erneut offensiv und übernahm wie schon gegen Gladbach zunächst die Spielgestaltung. Frankfurt zog sich relativ weit zurück. Für mich etwas überraschend verzichtete man darauf, die neu formierte HSV-Abwehr im Spielaufbau früh zu pressen, wie es die Gegner in der jüngeren Vergangenheit meist getan hatten. Stattdessen positionierten sich alle Spieler der Gäste hinter dem Ball in der eigenen Hälfte. Selbst im Mittelfeld presste man nur ganz gelegentlich. Offenbar hatte Schaaf, um die Probleme des HSV im letzten, dem Angriffsdrittel wissend, die Parole ausgegeben, mögliche Passwege des Gegners vor dem Strafraum konsequent zu blockieren. So verteidigten die Gäste meist eher passiv und erweiterten ihre defensive Viererkette im Bedarfsfall zu einer Fünfer- oder gelegentlich sogar Sechserkette. Die verbleibenden Spieler sicherten vornehmlich den zentralen Raum davor und sollten offenbar aus der eigenen Hälfte im Gegenzug etwaige Konter starten. So verfingen sich die Angriffe der Hausherrn meist in der engmaschigen Verteidigung der Gäste im zentralen Raum vor dem Strafraum, oder das Angriffsspiel der Hamburger wurde durch die taktische Ausrichtung der Gäste auf die Flügel abgeleitet. Leider, auch dies stelle ich inzwischen zum wiederholten Male fest, fehlt es dem HSV bei Flanken und Standards unverändert an der notwendigen Präzision.

Cléber war m.E. mindestens während der ersten Halbzeit eine gewisse Nervosität anzumerken. Dies sah man u.a. zu Beginn der Partie, als ihm in unbedrängter Position ein Zuspiel auf Djourou vollkommen verunglückte. Allerdings zeigte Cléber, wie von Zinnbauer erhofft, seine Stärke bei Kopfbällen. So hatte er nach einem Eckstoß für den HSV mit seinem nachfolgenden Kopfball etwas Pech, da dieser leider zu mittig auf das Tor kam und dort mühelos von der neuen Frankfurter Nummer eins, Felix Wiedwald, gehalten werden konnte.

Der HSV hatte während der ersten Spielhälfte ein deutliches optisches Übergewicht, ohne dass daraus tatsächliche Torchancen  resultierten.  Für mich einmal mehr negativ auffällig war hier Tolgay Arslan, der sich wiederholt in Dribblings verzettelte, die meist prompt zum Ballverlust führten. Auch gelungene Pässe in die Schnittstellen der Frankfurter Abwehr suchte man bei ihm einmal mehr vergeblich. Womit ich bei einer Ursache für die bisherige Erfolglosigkeit der Mannschaft vor dem Tor wäre. Arslan ist sicher nicht dafür allein verantwortlich, aber es muss doch verstärkt kritisch festgestellt werden, dass er es in der letzten Saison (2013/14) bei 32 Einsätzen auf nur ein einziges Tor und, dies wiegt m.E. fast noch schwerer, auf nur drei Assists brachte. So gut er mir auch schon des Öfteren vor allem in der Rückwärtsbewegung gefallen hat – dass der Mann nach vorne kaum etwas tatsächlich Produktives bewegt, darauf deuten auch diese ernüchternden Zahlen. Es ist sicher etwas unfair, ihn mit Holtby zu vergleichen, schon allein weil dieser positionsbedingt weiter vorne spielt, aber Holtby hat allein in der zweiten Spielhälfte mehr erfolgreiche, offensive Schnittstellenpässe gespielt, als m.E. Arslan in allen bisherigen Spielen dieser Saison zusammengerechnet. Ich ziehe daraus den Schluss, dass Arslan, sollte er sich nicht bald ganz gewaltig steigern, in dem Moment aus der Mannschaft raus ist, in dem van der Vaart wieder auflaufen kann, da dann Holtby seinen Platz neben Behrami einnehmen dürfte.

In der 44. Spielminute verlor Westermann den Ball in der Vorwärtsbewegung. Der folgende Diagonalball der Frankfurter erreichte Chandler auf der rechten Außenbahn. Stieber, der Richtung Mitte eingerückt war, da sich das Spielgeschehen ja ursprünglich auf dem anderen Flügel abspielte, stand im Halbfeld und reagierte für meinen Geschmack etwas spät. So erhielt er keinen Zugriff auf Chandler, der sofort mit Tempo auf der Außenbahn nach vorne stürmte. Beide Sechser konnten in diesem Augenblick positionsbedingt nicht helfen.  Linksverteidiger Ostrzolek stand m.E. viel zu weit weg (von Stieber) und wich immer weiter zurück, statt den heranstürmenden Chandler zu stellen. Im Ergebnis wurde daher absolut kein Druck auf Chandler ausgeübt. Dieser passte den Ball scharf quer zur Torlinie. Cléber trat in der Laufbewegung über den Ball. Dieser erreichte Seferovic, der am langen Pfosten lauerte und sofort gegen die Laufrichtung von Djourou und Drobny abschloss.  Es passte zum unglücklichen Auftritt Clébers, dass er den Torschuss um ein Haar auf der Torlinie noch geklärt hätte, letztlich aber dem Ball nicht mehr die entscheidende Richtungsänderung geben konnte. Meiner Meinung nach trifft Cléber hier sicherlich eine Teilschuld am Gegentor, allein verantwortlich ist er aber keinesfalls. Vielmehr hat man es hier mit einer ganzen Kette von Fehlern zu tun. Meiner Meinung nach hat hier auch die gesamte Raumaufteilung nicht gestimmt. Sei es, wie es sei – der HSV lag einmal mehr mit 0:1 zurück.

Beinahe wäre der Mannschaft noch innerhalb der ersten Halbzeit der Ausgleich gelungen. Aber Behrami setzte in der Nachspielzeit (45+1.) nach schöner Flanke vom linken Flügel einen fulminanten Kopfball knapp neben das Frankfurter Gehäuse. Es blieb also bei der Führung der Gäste zur Pause.

Um es vorwegzunehmen: Mein „Man of the Match“ war Holtby, der vor allem in der zweiten Halbzeit stark spielte. Die 53. Minute sah einen bemerkenswert guten Pass Westermanns in die Schnittstelle zwischen Innenverteidigung und Linksverteidiger der Frankfurter. Leider wurde der dadurch frei gespielte Holtby etwas zu weit durch den aus seinem Tor herausstürmenden Wiedwald nach rechts abgedrängt, sodass sein Torschuss aus spitzem Winkel letztlich nur das Seitennetz des Tores traf.

In der 58. Minute konnte man dann Holtbys Handlungsschnelligkeit, gute Technik und sein Spielverständnis beobachten. Einen halbhohen Ball vor dem Frankfurter Strafraum passte er sofort durch die Schnittstelle der Gäste-Abwehr zu Nicolai Müller. Dem war es schließlich vorbehalten, die Torflaute des HSV zu beenden. Mit etwas Glück rutschte sein Schuss unter Wiedwald hindurch zum 1:1 ins Netz.

Wiedwald, der erstmalig den verletzten Trapp im Tor vertrat, wirkte auf mich keineswegs immer sicher. Dies konnte man auch in der 76. Minute beobachten, als Anderson und er nach dem in Fußballerkreisen durchaus bekannten Motto verfuhren: Nimm Du ihn, ich hab ihn sicher…! Als Folge dieser Uneinigkeit kam der offensiv pressende Lasogga an den Ball. Leider war dessen Schuss mit der Pike zu harmlos, sodass ihn der junge Frankfurter Torhüter dann letztlich doch mühelos entschärfen konnte.

In der Schlussphase der Partie wechselte Zinnbauer gleich drei Mal. Jiracek führte sich zunächst durch eine großartige Grätsche ein, als er einen stürmenden Frankfurter gerade noch entscheidend behinderte. Leider unterlief ihm dann kurz darauf in der Schlussminute ein hartes und auch unnötiges Foul, als er dreißig Meter vor dem eigenen Tor mit gestrecktem Bein in einen Frankfurter Spieler rutschte. Den folgenden Freistoß aus leicht nach links versetzter Position jagte der eingewechselte Piazon ins rechte obere Eck des Hamburger Tores, also ins Dreiangel der s.g. Torwartseite. Man muss hier zu Drobnys Gunsten die inzwischen für den Torwart grundsätzlich schwer zu berechnenden Flugkurven moderner Bälle berücksichtigen. Gänzlich unhaltbar schien mir dieser zweifellos wunderschöne Treffer (90.), der zugleich den Sieg für die Gäste bedeutete, jedoch nicht zu sein.

Schiedsrichter: Florian Meyer (Burgdorf). Einige „enge“ Entscheidungen könnte man auch anders treffen. War aber gewiss nicht schuld an der Niederlage.

Fazit: Der HSV verliert diese Partie gegen keineswegs unschlagbare Frankfurter schon allein aufgrund des späten Siegtreffers unglücklich.

Gegen Gladbach am Mittwoch gaben die Hamburger 14 Torschüsse ab, verfehlten jedoch ganze 13 mal das Gehäuse. Mit anderen Worten: Gladbachs Torwart Sommer musste am Mittwoch nur einen einzigen Schuss tatsächlich parieren. Die meisten Torschussversuche dieser vorangegangenen Partie wurden zudem außerhalb des Strafraums abgegeben, was statistisch betrachtet die Wahrscheinlichkeit eines daraus resultierenden Treffers signifikant senkt. Mit anderen Worten: Gegen Gladbach war es dem HSV fast gar nicht gelungen, in den Strafraum des Gegners einzudringen, um dort zu klaren Torchancen zu kommen.

Gegen die Frankfurter Eintracht erschien mir das Offensivspiel vor allem während der zweiten Spielhälfte deutlich verbessert. Wenn man das vom HSV erzielte Tor  einrechnet, wurden erneut 14 Torschüsse abgegeben, von denen immerhin sechs tatsächlich auf das Tor gingen (fünf gehaltene Schüsse). Auch gelang es deutlich häufiger innerhalb des Strafraums zum Abschluss zu kommen, was auf eine bessere Qualität der eigenen Torchancen hindeutet. Dies ist natürlich absolut kein Beweis für ein konstant verbessertes Offensivspiel der Hamburger, jedoch eine interessante Momentaufnahme.

Die Hamburger Mannschaft  muss sich jedoch erneut vorwerfen lassen, dass sie vor allem in der ersten Spielhälfte viel zu selten konkret und präzise spielte, sodass aus rein optischer Überlegenheit nichts Zählbares resultierte. Im Gegenteil! Durch eine ganze Fehlerkette geriet man sogar in Rückstand.

Unverändert, aber das erscheint mir zum jetzigen Zeitpunkt noch normal und nicht vorzuwerfen, sind auch Abstimmungsprobleme bei Pass- und Laufwegen zu beobachten. Bis hier die Fehlerquote deutlich gesenkt werden kann, dies benötigt schlicht Zeit. Wer glaubt, dies ginge quasi auf Knopfdruck und über Nacht, der irrt. Schwer.

Erfreulich erscheint mir, dass sich die Form der beiden noch mit konditionellen Rückständen behafteten Spieler, Müller und Lasogga, stetig zu verbessern scheint,  auch wenn hier weiter Luft nach oben verbleibt. Auch Stieber und Ostrzolek harmonieren zunehmend besser und zeigten ansteigende Form. Holtby war  sehr präsent. Im Zusammenspiel mit einem van der Vaart könnte da nach dessen Rückkehr etwas entstehen.

Insgesamt meine ich, dass der HSV, so seltsam sich das nach dieser erneuten Niederlage für den einen oder anderen lesen mag, leistungsmäßig einen weiteren Schritt in die richtige Richtung gemacht hat. Daher kann ich jener medialen Berichterstattung, die schon von einem Verpuffen des Trainerwechsels wissen will, rein gar nichts abgewinnen. Rein tabellarisch, bzw. wenn man allein aufgrund von Ergebnissen urteilt, mag dies stimmen. Doch eine Analyse, die auch nur ansatzweise diese Bezeichnung verdient, benötigt dann doch etwas mehr, als die Fähigkeit, die Tabelle und die Spiel-Ergebnisse lesen zu können.

Ein Kompliment an das Hamburger Publikum: Die Mannschaft wurde allen diesbezüglichen Zweifeln zum Trotz lautstark unterstützt. Dass man trotz der Niederlage nach dem Schlusspfiff der Mannschaft sogar Beifall zollte, bestärkt mich in der Hoffnung, dass man wenigstens mittelfristig auch weiterhin Geduld haben wird.