Meyer

Unbefriedigende Punkteteilung im Volkspark

HSV – Erzgebirge Aue 1:1 (1:1)

Hannes Wolf überraschte einmal mehr mit seiner Startformation gegen Erzgebirge Aue. Mit der Rückkehr zum fluiden 4-2-3-1/ 4-1-4-1 als taktische Grundformation konnte man rechnen, aber es waren einige Personalentscheidungen, die so nicht unbedingt zu erwarten waren. Papadopoulos und Jung nicht einmal im Kader, dafür Lacroix und Wintzheimer in der Startelf. Dass Özcan begann, damit konnte man trotz der Genesung von Hunt durchaus rechnen, denn angesichts dessen Verletzungshistorie wäre wohl ein Einsatz des Kapitäns über 90 Minuten zu früh gekommen. Da auch Holtby nach abgesessener Sperre wieder zur Verfügung stand, standen mit Lasogga, Hunt, dem ebenfalls wieder einsatzbereiten Hwang und eben Lewis Holtby nach längerer Zeit endlich wieder zahlreiche namhafte Alternativen auf der Bank zur Verfügung. Besonders gespannt war ich, wie sich Wintzheimer als Sturmspitze bei seinem Startelfdebüt präsentieren würde.

Startelf: Pollersbeck – Sakai, Lacroix, van Drongelen, Douglas Santos – Mangala, Janjicic – Narey, Özcan (64. Hwang), Jatta (68. Lasogga) – Wintzheimer (76. Hunt)

Der Trainer der Auer, Meyer, sagte vor dem Spiel, dass auch er durch aggressives Anlaufen der Hamburger Defensive das Spiel des HSV stören lassen wollte. Er ließ daher seine Mannschaft in einem 4-4-2 mit zwei laufstarken Spitzen, Zulechner und Krüger, beginnen. Allerdings war dann von einem hohem Anlaufen durch Aue wenig zu sehen. Vielmehr zogen sich die Gäste bei Ballbesitz Hamburgs bis in die eigene Hälfte zurück und verdichteten dort geschickt die Räume.

Je tiefer sich die Auer zurückfallen ließen desto höher verschoben die Hamburger. Narey, Mangala, Özcan und Jatta bildeten eine vordere Viererkette, dahinter sicherte Janjicic defensiv das Zentrum. Von den beiden eingerückten Außenverteidigern war es in der ersten Halbzeit vor allem Douglas Santos, der aus dem linken Halbraum regelmäßig bis ins Zentrum vorstieß und das Hamburger Spiel aus diesem Diagonalraum ankurbelte.

Die Gäste aus Aue verteidigten stark mannorientiert. Sie konnten immer wieder die designierten Hamburger Kreativspieler, Douglas Santos, Mangala und Özcan entscheidend stören. Da sie zeitgleich jeweils den ballnahen offensiven Außen des HSV ebenfalls zustellten, versandeten viele Angriffsbemühungen der Gastgeber in ihrer engmaschigen, vielbeinigen Abwehr und zwangen den HSV zum beständigen Neuaufbau seiner Angriffe. Beide Flügelstürmer, Jatta und Narey, fanden über die gesamte Spieldauer kaum je die Räume, in die sie gewöhnlich mit schnellen Läufen gefährlich vorzustoßen versuchen. Und kam doch einmal eine Flanke in den Strafraum, so war diese für die Innenverteidigung der Gäste gegen den beweglichen aber eben nicht sehr großen Wintzheimer problemlos zu verteidigen. Optisch erreichte der HSV somit zwar ein klares Übergewicht, tatsächlich jedoch fehlte es ihm an konkreten Torchancen. Vermisst habe ich auch überraschende, diagonale Läufe in die Tiefe und einmal mehr schnelle Flügelwechsel. Wintzheimer hielt meist diszipliniert die Sturmmitte, insgesamt mangelte es m.E. jedoch zudem an einem fluiden eingespielten positionellen Wechselspiel vor allem mit Özcan und dem sehr offensiven Mangala. Hier mag eine Rolle spielen, dass Witzheimer erst seinen zweiten Einsatz und sein erstes Spiel von Anfang an bestritt. Außer einem Fernschuss der Hamburger, der klar das Tor verfehlte (31. van Drongelen), und einem Kopfball des Auers Fandrich, den Pollerbeck mühelos parieren konnte (32.) blieb die erste Halbzeit daher ohne nennenswerte Höhepunkte. Bis Pollersbeck in der 43. Minute nach einem Eckball für die Erzgebirgler ein kapitaler individueller Fehler unterlief. Er kam bei dem hoch in den Hamburger Strafraum hereingeschlagenen Eckstoß aus dem Tor, sprang aber mehr in den Gegenspieler als hoch zum Ball, den er deswegen auch verfehlte. Am langen Pfosten erreichte der Ball daher Zulechner, der aus kurzer Distanz zur überraschenden Halbzeitführung der Gäste vollstrecken konnte (43.).

Die zweite Halbzeit begann der HSV zunächst in derselben personellen Besetzung. Die Gäste zogen sich noch weiter zurück, sodass sich gelegentlich bis auf Pollersbeck alle Spieler, also auch beide Hamburger Innenverteidiger, in ihrer Spielhälfte aufhielten.

In der 53. Minute hatte Narey endlich einmal Raum und Zeit auf der rechten Außenbahn. Seine gute Flanke flog quer durch den Strafraum und wurde von Mangala am langen Pfosten stehend dann artistisch zurückgelegt, sodass Wintzheimer in der Mitte mühelos zum 1:1 einschießen konnte. Kritisch anzumerken ist, dass es eine der wenigen guten Aktionen von Narey blieb, der sich ansonsten kaum gegen die aufmerksame Auer Außenverteidigung durchsetzen konnte. Wie schon öfter beobachtet, übertrieben vor allem er und auch Mangala es mit Einzelaktionen. Beide verpassten es öfter, sich rechtzeitig vom Ball zu trennen.

In der 64. Minute nahm Hannes Wolf den weitestgehend blass gebliebenen Özcan aus dem Spiel und brachte den wiedergenesenen Hwang. Der HSV spielte ab diesem Moment ebenfalls in einem 4-4-2 mit dem Koreaner als zweiter Spitze neben Wintzheimer. Kurze Zeit später kam dann mit Lasogga ein kopfballstarker Stürmer für Jatta (68.). Dessen Planstelle auf der linken Außenbahn übernahm kurzzeitig Wintzheimer, während Hwang meist zweite Spitze nun neben Lasogga blieb. Diese Wechselspiele blieben jedoch weitestgehend ohne Wirkung. Hamburg drückte, allein es fehlten dem HSV weiterhin die zündenden Ideen. Daher war es fast zwingend, dass Wolf in der 76. Minute Aaron Hunt ins Spiel brachte. Narey wechselte nun auf die linke Seite. Nicht ganz nachvollziehen konnte ich jedoch, warum Hunt die damit frei gewordene Position auf der rechten Außenbahn bespielte. Hier hätte ich mir auch andere Varianten, Narey weiterhin rechts, Hwang links (oder umgekehrt) und Hunt als hängende Spitze halbrechts vorstellen können. Ob dies allerdings zu einem anderen Spielausgang geführt hätte, bleibt natürlich spekulativ.

In der 85. Minute wäre der HSV beinahe dennoch zum Siegtreffer gekommen, doch Hunts sehenswerter Freistoß traf nur den Querbalken. Eine letzte Torchance verpasste Lasogga in der Nachspielzeit, als er das Zuspiel im Strafraum offenbar etwas überrascht nicht optimal verarbeiten konnte. So blieb es am Ende bei der aus Hamburger Sicht enttäuschenden Punkteteilung.

Fazit: Der HSV verpasst einmal mehr den so wichtigen „Dreier“ und darf sich bei der ebenfalls schwächelnden Konkurrenz bedanken, dass er unverändert auf einem direkten Aufstiegsplatz steht. Dieses Unentschieden fühlt sich wie eine Niederlage an. Man sah, dass die Mannschaft „wollte“, allein es fehlten ihr im entscheidenden Moment die Mittel, oder sie scheiterte im letzten Moment auch am eigenen Unvermögen. Eine Vielzahl von kleineren und größeren Faktoren verhindern derzeit den Erfolg. Wintzheimer ist ein gänzlich anderer Stürmertyp als Lasogga, auf den das Spiel der Mannschaft in den letzten Monaten ausgerichtet war. Daher darf es nicht verwundern, wenn die Feinabstimmung hier nicht vorhanden war.

Das Ausspielen diszipliniert defensiv stehender Gegner fällt auch vielen anderen, klar besseren Mannschaften schwer. Dennoch hätte der HSV das Spiel gewonnen, wäre dem gewöhlich sicheren Pollersbeck nicht ausnahmsweise ein schwerer Torwartfehler unterlaufen.

Aue tat im Gefühl der eigenen individuellen Unterlegenheit fast nichts für das Spiel und profitierte am Ende dennoch von Pollersbecks Patzer. Das ist neutral bewertet völlig legitim und aufgrund ihrer disziplinierten Abwehrarbeit auch nicht unverdient.

Im Schneckenrennen um den Aufstieg ist aus Hamburger Sicht die Rückkehr von Hunt ermutigend. Mit Wintzheimer steht zumindest eine laufstarke, bewegliche Alternative im Sturm zur Verfügung, mit der ggf. auch schnelles Umschaltspiel durch die Mitte funktionieren sollte. Wenn er allein aufgeboten wird, muss er gänzlich anders in Szene gesetzt werden als eine Pierre Michel Lasogga. Es fehlt der Mannschaft in den entscheidenden Augenblicken unverändert an Handlungsschnelligkeit und ohne Aaron Hunt auch an Übersicht.

Der HSV spielt nicht zum ersten Mal optisch dominant und in den Ansätzen gut, aber der Aufwand steht im krassen Missverhältnis zum bescheidenen Ertrag. Es fehlen die für den Gegner überraschenden Tempoverschärfungen, es fehlt an Läufen in die Tiefe und an präzisen Schnittstellenpässen. Wo Übersicht gefragt wäre, verrennt man sich zu oft in sinnlosen Einzelaktionen, die dann zu vermeidbaren Ballverlusten führen. Am Ende ist es auch eine Frage der Qualität und Reife. Der jungen Mannschaft des HSV mangelt es in dieser Verfassung an beidem.

Schiedsrichter: Dr. Jöllenbeck (Freiburg). Souveräne, unaufgeregte Spielleitung ohne grobe Fehler.

Einzelkritik:

Pollersbeck: Das 0:1 geht klar auf seine Kappe. Eiserne Regel: Wenn der Torwart aus dem Tor kommt, muss er den Ball haben. Ansonsten fast beschäftigungslos.

Sakai: Eins seiner besseren Spiele. Vor allem in der zweiten Halbzeit Antreiber und Ballverteiler. Defensiv allerdings auch kaum gefordert.

Lacroix: Souverän.

van Drongelen: Stieß zum Teil bis weit in die gegnerische Hälfte vor. Gut.

Douglas Santos: Erste Halbzeit ganz stark. Verteilte da klug die Bälle und versuchte Vieles. Zweite Halbzeit unauffälliger, da konsequenter von Aue gestört.

Janjicic: Spielte im Vergleich mit Mangala den klassischen, defensiveren Sechser. Das machte er ordentlich ohne jedoch zu glänzen.

Mangala: Sehr fleißig. Spielte eher im Achterraum mit Zug nach vorne, d.h. als zentraler Mittelfeldspieler halb links. Versuchte Vieles, verpasst es manchmal im Übereifer, sich rechtzeitig vom Ball zu trennen.

Narey: Da die Auer die Räume in der eigenen Hälfte starkt verengten, fehlte ihm oft der Platz, den er für sein Spiel braucht. Schöne Flanke vor dem Ausgleich (als er ausnahmsweise Raum und Zeit hatte). Wollte zu oft mit dem Kopf durch die Wand (s.h. Mangala) und trennte sich zu oft zu spät vom Ball.

Özcan: Blieb unauffällig, da von Aue meist gut zugedeckt.

Jatta: Spielte glücklos und wirkte etwas überspielt. Auch ihm kam die defensive Spielanlage des Gegners nicht zugute.

Wintzheimer: Wirkte sehr beweglich. Zweiter Einsatz, zweites Tor. Konnte mit dem Ausgleichstreffer weiter Werbung in eigener Sache betreiben.

Hunt: Wirkte auf mich auf der rechten Außenbahn deplatziert. Beinahe wäre ihm dennoch mit dem sehenswerten Freistoß an den Querbalken der Siegtreffer gelungen. Gut, dass er endlich wieder dabei ist.

Hwang: Blieb mit seinen Dribblings regelmäßig hängen. Zog zu oft nach innen statt die rechte Außenbahn besetzt zu halten. Glück- und wirkungslos.

Lasogga: Konnte sich mangels Gelegenheiten kaum auszeichnen.


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Mit harten Bandagen und dem nötigen Glück. HSV – Leverkusen 1:0 (1:0)

Fußball, so sagt man, sei (auch) ein Kampfspiel. Selten schien mir diese Definition angebrachter als gestern Nachmittag beim Auftritt Bayer Leverkusens im Hamburger Volkspark. Vor allem in der ersten Halbzeit drohte die Partie zeitweilig völlig zu entgleisen. Kaum ein Spielzug, der nicht umgehend durch Foulspiel unterbrochen wurde. Zur Pause war ich mir sicher, dass beide Mannschaften diese Partie nicht vollzählig über die Bühne bringen würden, denn da waren bereits diverse Spieler mit der gelben Karte vorbelastet. Doch der Reihe nach.

Hatte ich hier zuletzt unter dem Eindruck der letzten, enttäuschenden Auftritte van der Vaarts dafür plädiert, den Niederländer zunächst nicht mehr in der Startformation zu berücksichtigen, so muss ich dies nach diesem Auftritt van der Vaarts revidieren. HSV-Trainer Zinnbauer änderte erstmalig die taktische Grundformation von einem 4-2-3-1 auf ein 4-1-4-1 bei eigenem Ballbesitz. Ein Wechsel zu einem System, über das ich angesichts des Hamburger Kaders hier auch schon spekuliert hatte. Der Charme dieser taktischen Lösung besteht für mich zum einen darin, dass beide Spieler gemeinsam zum Einsatz kommen können. Zugleich wird Holtby dadurch nicht auf die linke offensive Außenbahn verdrängt, sondern kann überwiegend im Zentrum des Spiels agieren. Zumal sich gerade für die linke offensive Planstelle ohnehin diverse andere Kandidaten anbieten (Jansen, Ilicevic, Stieber). Zinnbauer vertraute also der folgenden Aufstellung:

Drobny – Diekmeier, Djourou, Westermann, Ostrzolek – Behrami – N. Müller, van der Vaart (62. Arslan), Holtby (92. Kacar), Jansen – Lasogga (80. Rudnevs)

Das Spiel: Der HSV hatte, dies ergab sich bereits aus dem Tabellenplatz vor der Begegnung (16. Platz), absolut nichts zu verschenken. Zumal es in meinen Augen galt, dem eigenen Anhang nach dem insgesamt schwachen Auftritt gegen Hertha dieses Mal eine deutlich verbesserte Leistung anzubieten. Die Rückkehr des zum Feindbild gewandelten ehemaligen Hamburger Hoffnungsträgers im Trikot der Leverkusener, Hakan Calhanoglu, brachte mindestens auf den Rängen zusätzliche Brisanz ins Spiel. Nebenbei bemerkt: Die Hass-Gesänge und manches mehr, was während der Partie von den Rängen kam, fand ich völlig überzogen und z.T. mehr als peinlich. Aber menschliches Verhalten im Schutz der Masse, das ist ein Thema für sich.

Von Anfang an entwickelte sich ein äußerst hart umkämpftes Spiel. Kaum eine gelungene Passfolge einer Mannschaft, die nicht vom jeweiligen Kontrahenten durch Foulspiel unterbunden wurde. In meinen Augen war es Hamburgs Aggressiv-Leader Behrami, der in der Anfangsphase an der linken Außenlinie nach einem Foulspiel zumindest den Verdacht einer Tätlichkeit an einem bereits am Boden  liegenden Leverkusener ermöglichte. Sauber sah das nicht aus. Allerdings kam Behrami ohne Verwarnung davon. Vor dem Hintergrund des ohnehin aufgeputschten Publikums gab es danach für beide Mannschaften kaum noch ein Halten. Auch manch anderer HSV-Spieler wälzte sich nach Fouls demonstrativ theatralisch, was die ohnehin hitzige Atmosphäre weiter zum kochen brachte. Was beide Mannschaften da boten, das war nicht schön anzusehen und bedeutete Schwerstarbeit für Schiedsrichter Meyer und sein Gespann. Und daran waren tatsächlich beide Mannschaften beteiligt. Da braucht sich keine Seite über die andere zu beschweren.

Mit Hinblick auf die Offensive mag man daher die Partie von beiden Seiten als schwach bewerten. Defensiv jedoch ließen beide Mannschaften fast keine Torchancen des Gegners zu, was wiederum positiv zu bewerten ist. Auch wenn zahlreiche Freistöße gegen den HSV verhängt wurden, so muss man aus Hamburger Sicht lobend feststellen, dass die vorangegangenen Fouls praktisch nie zentral unmittelbar vor dem Strafraum und damit in jener Zone begangen wurden, die angesichts der Stärke Calhanoglus bei Standards als höchst gefährlich zu bewerten gewesen wäre. Erfreulich aus Sicht des HSV war ohnehin, dass dessen Standards insgesamt ungewohnt schwach blieben. Ich fühlte mich zeitweilig an den ehemaligen Tennisprofi Brad Gilbert und dessen Buch, „Winning Ugly. Wie man bessere Gegner schlägt. Mentale Kriegsführung im Tennis“ erinnert. In dem beschreibt er all die kleinen und größeren schmutzigen Tricks, mit denen man seinen Gegner erfolgreich mental aus dem Gleichgewicht bringen kann. Auch das gehört zum Wettkampfsport, auch wenn ich dieses Verhalten im absoluten Grenzbereich und jenseits des Regelwerks immer verabscheut habe.

Offensiv ähnelte die Ausrichtung des HSV wie bereits erwähnt einem 4-1-4-1, in welchem sich Holtby oder van der Vaart abwechselnd defensiv fallen ließen. Gegen den Ball ähnelte das System dem gewohnten 4-2-3-1, da Holtby, van der Vaart oder der ballfern positionierte offensive Außenbahnspieler (Jansen) neben Behrami auf die zweite Sechs rückten. Diese taktische Flexibilität hat mir gefallen. Dass dies so gut umgesetzt wurde, hat neben dem läuferischen und kämpferischen Einsatz dazu beigetragen, dass Leverkusen kaum direkt durchs Zentrum auf Kießling spielen konnte, denn das Zentrum blieb meist geschlossen.

In einer spielerisch an Höhepunkten armen ersten Hälfte genügte dem HSV eine einzige Situation, um in Führung zu gehen. Jansen erspähte nach einem hohen Ball, der in den Strafraum der Gäste segelte, ein Abstimmungsproblem zwischen Torhüter Leno und seiner Innenverteidigung. Er spritzte dazwischen und war mit dem Kopf klar vor Leno am Ball, der aus dem Tor geeilt war, um diesen mit der Faust zu klären. Da der Leverkusener Torhüter jedoch um Sekundenbruchteile zu spät kam, wurde Jansen durch den Kontakt umgestoßen. Es folgten wütende Proteste aller Hamburger, da der Elfmeterpfiff zunächst ausblieb. Nach Rücksprache mit seinem Linienrichter entschied Meyer dann korrekt auf Strafstoß für den HSV. Diesen verwandelte dann van der Vaart in der 26. Minute ganz sicher zum 1:0. Beim nachfolgenden Torjubel war zu erkennen, dass die Kritik der letzten Wochen nicht spurlos am Kapitän vorbeigegangen ist. Auch dies werte ich positiv.

Kurz vor der Halbzeitpause dann der nächste Aufreger. Jansen lief nach Ballgewinn auf der linken Außenbahn mit Ball im vollen Sprint entlang der Linie, da kam Donati seitlich mit Tempo gelaufen und holte ihn mit einem rüden Foul von den Beinen. Für mich ein Foul, das einen Platzverweis zur Folge haben muss. Es kam, was angesichts der erhitzten Gemüter zu erwarten war. Diekmeier lief herbei, um dem Übeltäter die Meinung zu geigen. Donati wurde von seinem eigenen Mannschaftskameraden halb in Diekmeier geschubst. Folge all dessen war eine Rudelbildung, für die Diekmeier nachfolgend den gelben Karton sah. Dass Donati hier ebenfalls dann nur gelb sah, war für mich eine der wenigen Fehlentscheidungen Meyers. Auch beide Trainer verloren die Fassung und beschuldigten offenbar den jeweils anderen, bzw. dessen Mannschaft, verantwortlich für die üble Treterei dieser ersten Spielhälfte zu sein. Meyer bat beide Kapitäne zum Gespräch und machte wohl deutlich, dass die Begegnung bei unveränderter Spielweise nach der Halbzeitpause keinesfalls vollzählig über die Bühne gehen würde. Immerhin hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits sieben Verwarnungen verhängt.

Die Geschichte der zweiten Halbzeit ist kurz zusammengefasst. Beide Mannschaften bekämpften sich weiter erbittert und neutralisierten sich größtenteils, sodass beide Torhüter relativ wenig zu tun bekamen. Immerhin musste Meyer während der zweiten fünfundvierzig Minuten nur noch zwei Mal zum gelben Karton greifen, was eine etwas gemäßigtere Spielführung beider Teams belegt.

Die einzige, ganz große Torchance für die Gäste während der ganzen Partie ergab sich in der Nachspielzeit (90+4.), als  sich Bellarabi gegen den zuvor eingewechselten Kacar durchsetzen konnte und links im Strafraum zum Abschluss kam. Zum Glück für den HSV sprang sein Schuss vom Innenpfosten des langen Ecks zurück ins Spielfeld. Es blieb daher bei einem äußerst hart erkämpften, knappen Sieg der Hamburger. Außer dem Elfmeter konnte der HSV auch keine weiteren, ganz klaren Torchancen  erarbeiten, wenn man mal von der Kopfballchance Westermanns in der 60. Minute absieht.

Schiedsrichter: Meyer (Burgdorf). In meinen Augen hätte er Behrami bei dem erwähnten Vorfall mit gelb verwarnen müssen. Danach drohte ihm die Partie zeitweilig zu entgleiten, was er dann nur mit einer wahren Kartenflut verhindern konnte. Gut fand ich die Kommunikation im Gespann nicht nur vor der Strafstoßentscheidung. Ebenfalls gut fand ich seinen offenbar deutlichen Hinweis an beide Kapitäne. Bei Donatis Foul erfolgte der Angriff auf den Gegenspielern von der Seite, und der Ball war in der Nähe. Dies hat den Leverkusener vermutlich vor dem Platzverweis gerettet. Aufgrund der Dynamik des Angriffs wird m.E. jedoch eine schwere Verletzung des Gegenspielers billigend in Kauf genommen. Zugunsten des Schiedsrichters werte ich aber, dass beide Mannschaften praktisch ab Spielbeginn permanent  höchst unauber agierten. Wer aus der Entfernung seines Stadionsitzes ansonsten klare Fehlentscheidungen eindeutig erkannt haben will, dem gratuliere ich zu seinen guten Augen. Für mich lag Meyer mit den ausgesprochenen Verwarnungen richtig.

Fazit: der HSV erkämpft sich angesichts der Tatsache, dass auch Tabellennachbar Bremen dreifach punkten konnte, drei ganz wichtige Zähler und verlässt vorerst die Abstiegsränge. Die Niederlage gegen Hertha werte ich nach dieser kämpferisch und zum Teil auch taktisch guten Leistung der gesamten Mannschaft als Ausrutscher, wie er tagesformbedingt immer vorkommen kann. Die Mannschaft lebt, ist willig und scheint unter Joe Zinnbauer als Team zu wachsen. Denn u.a. gut gefallen hat mir auch die Kommunikation innerhalb des HSV. So eilte Diekmeier bei einem Freistoßchance für Leverkusen zum in der Mauer positionierten Behrami, um ihn auf seine Deckungsaufgabe im Strafraum aufmerksam zu machen. In der zweiten Hälfte sah man auch mal ein Abklatschen zwischen Müller und Holtby. Es sind auch diese kleinen Gesten, aus denen ich schließe, dass sich das Team unter Zinnbauer positiv entwickelt.

Aus taktischer Sicht könnte mit dem 4-1-4-1 in der gezeigten Variante ein wichtiger Zwischenschritt bei der Entwicklung eines stabilen Spielsystems erfolgreich absolviert worden sein.

Etwaige Konterchancen während der zweiten Halbzeit konnte der HSV über Lasogga nicht nutzen. Der für ihn daher folgerichtig eingewechselte Rudnevs vergab mindestens in einer Situation die große Chance, mit dem dann beruhigenden Ausbau der Führung Werbung in eigener Sache zu betreiben. Es ist also keineswegs durch diesen Sieg plötzlich alles positiv zu bewerten. Es bleibt gerade in Sachen Offensivspiel unverändert Vieles zu tun, bzw. manche Frage offen. Der Sieg erscheint angesichts des Pfostenschusses Bellarabis  als vom Glück begünstigt. Das belegt in meinen Augen einmal mehr den Einfluss des Zufalls, sowohl beim Ergebnis als auch nachfolgend in der Bilanz, die meist die dominierende wenn nicht gar alleinige Grundlage für die Bewertung der Trainer in der Öffentlichkeit bildet. Zinnbauer dürfte daher zunächst weiter in Ruhe arbeiten können. Erfreulich.